Und ich flieg, flieg, flieg wie ein Flieger

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Kritik an den streikenden Lufthansa Piloten ist keine Neiddiskussion, sondern berechtigt

Liebe Piloten der Lufthansa,

es ist grundsätzlich kein Problem, stolz auf seinen Job zu sein. Ganz im Gegenteil: Für Wohlbefinden und Integrität ist es eher förderlich, wenn man das, was man tut, gerne und mit Begeisterung tut. Beruf als Berufung. Ihr fliegt gerne und wollt gut verdienen dabei? Es sei euch gegönnt.

Blöd wird es immer dann, wenn die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe aus den Menschen Berufsträger macht, die sich "über andere erheben" - in eurem Fall sogar ganz buchstäblich.

Ihr Piloten seid da in bester Gesellschaft. Ärzte, Rechtsanwälte, Banker, Titelträger - mit breiter Brust und langjähriger Ausbildung im Rücken verändert sich der Blick auf die Welt. "Ihr hier seid die Elite", sagte der Präsident meiner Universität in der Begrüßung zum Masterstudiengang Master of Laws. Die adressierten Studenten nehmen das gerne an.

In den Burgen der Eliten gibt es weitere Hierarchien. Der Chirurg blickt von seinen Gemächern verächtlich auf die Unterkünfte der Anästhesisten herab, und alle Ärzte spucken gemeinsam auf die Orthopäden. Das Volk spielt mit. Piloten etwa werden zusätzlich emporgehoben von einer Bevölkerung, die im Angesicht von Uniformen immer noch in Ehrfurcht erstarrt und die Fliegerei als letztes großes Abenteuer der Menschheit verklärt. Nein, was ist der Flugkapitän schick! Hacken zusammen! Und so tapfer.

Ihr verdient im Schnitt fast 200.000 Euro im Jahr, geht mit 55 in Rente und habt garantierte jährliche Gehaltssteigerungen. Ihr streikt nun, weil euch das nicht genug ist. Das ist schwer zu verstehen angesichts eurer Argumente: Ihr seid die Elite, ihr seid intelligent, Manager verdienen ja sogar noch mehr, ihr tragt Verantwortung für Leben und teure Maschinen, und der Rest ist nur Neiddiskussion. Liest man das Spiegel.de Interview mit Jörg Handwerg, Sprecher der Vereinigung Cockpit, dann dreht sich etwas um, im Bauch.

Eure Tätigkeit bewundern und beneiden tatsächlich viele. Und eigentlich müsste man meinen, dass eure Arbeit und der Blick von oben auf die Welt Demut lehren müsste - stattdessen weckt es Gier und führt zum verstaubten Schulterschluss eurer Herrengesellschaft.

Verantwortung für Menschenleben tragen andere auch. Wir können uns gerne über den Stress, die Strahlenbelastung, zehrende Zeitumstellungen, Gehaltsverzicht in der Vergangenheit und die Verträge des nachrückenden Nachwuchses unterhalten. Ein angemessenes Gehalt ist doch nur fair - Warnstreiks und die Lähmung des Flugverkehrs bei knapp 200.000 Durchschnittsgehalt nicht. Mit einer Argumentation aus dem Elfenbeinturm heraus schon gar nicht.

Auch ein Gartenbauer kann von oben herab auf andere Berufe blicken, z.B wenn er der Meinung ist, dass seine Arbeit besser ist als andere, denn er macht die Welt schöner, arbeitet körperlich in der Natur, draußen an der frischen Luft und mit Muttererde. Er irrt dann genauso wie ihr Piloten von der Lufthansa, denn kein Beruf ist besser oder schlechter als ein anderer. Entscheidender als das "Was" ist das "Wie".

Wichtiger als die alleinige Identifikation mit Gleichgesinnten, mit elitären Kreisen oder dem Kanzleischild am Hauseingang ist die innere Haltung zu dem, was man macht - und darauf aufbauend die Haltung zur Welt. Der Gärtner kann das Leben eines kleinen Jungen verändern, indem er ihm die Schönheit einer Pflanze näher bringt. Umgekehrt kann er die Welt eines Kindes beeinflussen, wenn er lehrt, dass nur sein Beruf das einzig Wahre und alle anderen Tätigkeiten zu verachten sind.

Piloten sind Dienstleister, so wie Anwälte und Ärzte auch. Der Dienst an der Gesellschaft erschöpft sich aber nicht in der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe. Wenn Verdi Kampagnen in den Städten starten muss, mit Plakaten "Wir sind die Guten", dann stimmt etwas nicht.

Fliegen wie ein Flieger, mit Uniform, Verantwortung für Menschen und teure Ausrüstung - ein solches Rollenverständnis allein ist armselig. Tolle Vorbilder könntet ihr abgeben, mit einem Wahnsinnsgehalt, das man euch gönnt. Doch mit eurem Selbstverständnis und euren Argumenten von oben herab dient ihr nicht. Ihr grenzt euch ab.

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