Unbehandeltes ADHS kann die Schuldfähigkeit des Verurteilten beeinträchtigen

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Unbehandeltes ADHS kann die Schuldfähigkeit des Verurteilten beeinträchtigen

Das OLG Hamm hat mit Beschluss vom 05.11.2007 (Az. 3 Ss 461/07) entschieden, dass die Diagnose „ADHS" sowie der Umstand, dass diese Krankheit im Vorfeld einer rechtswidrigen Tat unbehandelt gewesen sei und sich bei dem Angeklagten bei unbehandeltem Zustand eine innere Unruhe und eingeschränkte Konzentration eingestellt habe, in der Gesamtschau die Möglichkeit einer verminderten Schuldfähigkeit ergeben könne. Insoweit hat das OLG Hamm als Revisionsinstanz das zu Grunde liegende Urteil des Landgerichts Bielefeld aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bielefeld zurückverwiesen.

Nach Ansicht des OLG Hamm hätte es nämlich wegen der grundsätzlich gegebenen Möglichkeit, dass die Schuldfähigkeit des Angeklagten zum Tatzeitpunkt erheblich vermindert oder der Angeklagte sogar aufgrund seiner Erkrankung (ADHS) schuldunfähig gewesen ist, im Urteil des Landgerichts näherer Feststellungen zur Erörterung der Frage der Schuldfähigkeit zum Tatzeitpunkt bedurft. Dies gelte im konkreten Fall um so mehr, als das Leben des Angeklagten bisher von schulischem und beruflichem Scheitern und Versagen geprägt sei. Ferner sei auch die Therapie bzw. die Behandlungsnotwendigkeit bei dem Angeklagten in den vergangen Jahren mehrfach bejaht worden. Insoweit stelle die einzige Erwägung, die die Strafkammer des Landgerichts Bielefeld in der Sache im Hinblick auf die Schuldfähigkeit angestellt habe, dass nämlich der Kontrollverlust nicht erheblich gewesen sein könne, da der Angeklagte bisher noch nicht durch Gewaltdelikte aufgefallen sei, einen revisiblen Mangel des Urteils dar.

Das Urteil des Landgerichts hat also im Hinblick auf die Frage der verminderten Schuldfähigkeit bzw. Schuldunfähigkeit des Angeklagten zum Tatzeitpunkt einen rechtlich erheblichen Erörterungsmangel aufgewiesen. Deshalb war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bielefeld zurückzuverweisen.