Hans Litten

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Überblick

Der Jurist und Strafverteidiger Hans Achim Litten (1903 - 1938) war Gegner des NS-Regimes und verurteilte dessen Einflussnahme auf die Rechtsprechung der Gerichte Deutschlands.
Er betätigte sich als Anwalt des Proletariats und verteidigte hauptsächlich kommunistische Arbeiter , die wegen ihrer politischen Gesinnung und ihres Kampfs gegen die Nationalsozialisten verhaftet wurden.

Litten selbst stammte aus gutbürgerlichem Haus. Aufgewachsen ist er in Halle und Königsberg, wo sein Vater als Universitätsprofessor arbeitete. Der Vater vertrat eine konservative und karriereorientierte Haltung, er war Berater der preußischen Regierung und Gegner der Republik. Ursprünglich jüdischer Herkunft, ließ er sich taufen, da ihm der christliche Glauben für sein berufliches und gesellschaftliches Ansehen vorteilhafter erschien. Zu seinem Sohn Hans hatte er nie ein gutes Verhältnis. Dieser orientierte sich an der humanistischen und aufgeschlossenen Einstellung seiner Mutter, mit der er auch sein starkes Gerechtigkeitsgefühl teilte.
Das Jurastudium lehnte Hans Litten anfänglich ab, er hatte es gemäß dem Wunsch seines Vaters ergriffen und konnte der Rechtswissenschaft zunächst nicht viel abgewinnen. Dennoch fiel es ihm leicht, den Anforderungen des Studiums gerecht zu werden. In sein Tagebuch schrieb er:

"Als sich der Ochs im Paradies langweilte, erfand er die Jurisprudenz."
Später erkannte der junge Idealist, dass er als Anwalt seinen Wunsch, Bedrohten und Benachteiligten zu helfen, verwirklichen konnte. Mit Hilfe seiner beruflichen Fähigkeiten versuchte er, für mehr Gerechtigkeit zu sorgen, obwohl das unter dem Aufstieg der NSDAP immer schwieriger wurde.

Nach Abschluss seines Studiums 1928 lehnte Litten Angebote renommierter Anwaltskanzleien und des Reichsministeriums ohne zu zögern ab, und ging nach Berlin, wo er für die "Rote Hilfe" tätig wurde. Die "Rote Hilfe" war eine der KPD nahestehende Organisation von Anwälten und setzte sich für Arbeiter ein, die aus politischen Gründen vor Gericht standen. Litten wollte in seinen Prozessen erreichen, dass seine Mandanten freigesprochen wurden und sie nicht als kommunistische Märtyrer darstellen, wodurch er häufig mit der KPD in Konflikt geriet.Die Strafprozessordnung war in vielen Fällen seine stärkste Waffe gegen die voreingenommene Justiz und die bürgerkriegsähnlichen Methoden der Polizei, die immer verschärfter gegen die Arbeiterklasse vorging.

1929 erhob Hans Litten Anzeige gegen den damaligen Polizeipräsidenten Zörgiebel wegen Anstiftung zum Mord in 33 Fällen. Wegen dessen allgemeinen Verbots politischer Veranstaltungen wurden bei der Auflösung einer 1. Mai-Demonstration 33 Menschen getötet und Hunderte verletzt. Trotz Littens hartnäckiger Bemühungen hatte die Anzeige für Zörgiebel keine Konsequenzen. Mit Aktionen wie dieser brachte der engagierte Anwalt Polizei und Staatsanwaltschaft gegen sich auf. Seine eigentlichen Gegner waren allerdings die Nationalsozialisten, und im "Edenpalastprozess" machte er sich 1931 Hitler persönlich zum Feind. Litten hatte den NSDAP-Führer in den Zeugenstand gerufen, um seine Klage gegen mehrere Angehörige des SA-Sturms 33 wegen Landfriedensbruchs zu untermauern. Er erreichte es, dass sich Hitler während seiner Aussage dermaßen in Widersprüche verstrickte, dass er Litten mit zornrotem Gesicht anbrüllte und sich so öffentlich blamierte.

Seinen letzten Prozess führte Hans Litten ebenfalls gegen den SA-Sturm 33. Während der Verteidigung einiger Bewohner der Laubenkolonie Felsenecke, die von den Sturmbannmännern überfallen und dann selbst des Angriffs beschuldigt wurden, schloss ihn das Gericht von seinem Mandat aus und verwies ihn aus dem Verhandlungssaal. Begründet wurde die Entscheidung mit dem "politischen Sensationsbedürfnis des Verteidigers". Litten schaffte es zunächst, gegen den richterlichen Beschluss vorzugehen, musste aber letztendlich doch vom Prozess zurücktreten.

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 wurde Litten von seinen Freunden und insbesondere von seiner Mutter davor gewarnt, in Deutschland zu bleiben. Er lehnte die Emigration mit folgenden Worten ab:

"Die Millionen Arbeiter können nicht heraus, also muß ich auch hier bleiben."
Er erkannte als einer der Ersten die Gefahr des faschistischen Einflusses auf die Demokratie und die Justiz, doch dass er sich selbst in Lebensgefahr befand, das erkannte Hans Litten nicht. Bereits am 28. Februar 1933, der Morgen nach dem Reichstagsbrand, wurde er in Schutzhaft genommen. In den nächsten fünf Jahren folgte ein Leidensweg durch verschiedene Zuchthäuser und Konzentrationslager, der 1938 in Dachau endete. Bereits im Sommer 1933 hatte Litten vergeblich versucht, den brutalen Misshandlungen der Nazis durch Selbstmord zu entgehen. In der Nacht zum 5. Februar 1938 setzte er schließlich seinem Leben ein Ende, indem er sich erhängte.

Seit dem Zeitpunkt der Verhaftung ihres Sohnes hatte Irmgard Litten vergeblich versucht, ihn zu befreien. Sie schrieb zahlreiche Bittgesuche an die höchsten Stellen, wurde aber stets abgewiesen. Hitler hatte selbst dem preußischen Kronprinzen mit Lagerhaft gedroht, sollte er Litten helfen. 1940 veröffentlichte Irmgard Litten ihr Buch "Eine Mutter kämpft gegen Hitler" u. a. in Frankreich und England, ab 1947 war es auch in Deutschland erhältlich.

In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Erinnerung an den mutigen Anwalt nur in der DDR wachgehalten. Noch heute ist eine Straße in Berlin Mitte nach ihm benannt. Im Westen Deutschlands zog man es vor, ihn in Vergessenheit geraten zu lassen. Litten selbst hatte sich einmal als "revolutionären Marxisten" und "links von der KPD stehend" bezeichnet.

Mehr zu einigen entscheidenden Prozessen Hans Littens auf den folgenden Seiten.

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Seiten in diesem Artikel:
Seite  1:  Überblick
Seite  2:  1929: Die Klage gegen Zörgiebel
Seite  3:  1931: Der Edenpalastprozess
Seite  4:  1932: Der Felseneckeprozess
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