Studienplatzvergabe über die Wartezeit und überlange Wartezeiten möglicherweise verfassungswidrig?

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VG Gelsenkirchen legt Frage der Wartezeit dem Bundesverfassungsgericht vor

Das Problem überlanger Wartezeiten auf einen Studienplatz ist bekannt und wird seit langem kontrovers diskutiert. Besonders in den medizinischen Studiengängen sind die Wartezeiten mittlerweile enorm. So lag im Wintersemester 2011/12 die Auswahlgrenze in der Wartezeitquote in den Studiengängen Human- und Tiermedizin bei 12 Wartesemestern. Da Hochschulstart als nachrangiges Kriterium wiederum die Abiturnote berücksichtigt, erhielten zahlreiche Bewerber mit schwächeren Abiturnoten trotz sechsjähriger Wartezeit erneut keinen Studienplatz.

Das Bundesverfassungsgericht soll sich dieser Problematik nun annehmen. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen – zuständig für Klagen gegen die Stiftung für Hochschulzulassung (Hochschulstart.de) - hält die überlangen Wartezeiten auf einen Studienplatz im Studiengang Medizin für verfassungswidrig und legte diese Frage mit Beschluss vom 26.04.2012 dem Bundesverfassungsgericht vor (VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 26.04.2012, 6 K 3656/11, 6 K 3659/11 und 6 K 3695/11). Die Karlsruher Richter sollen nun darüber befinden, ob die Regelungen zur Studienplatzvergabe nach Wartezeit gegen das Grundrecht auf freie Berufswahl und den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz verstoßen.

Folgende Fälle liegen dieser Entscheidung zugrunde: Drei Bewerber, die trotz 13 Wartesemestern nicht zum Medizinstudium zugelassen wurden, hatten gegen die von Hochschulstart erlassenen Ablehnungsbescheide geklagt und in Eilverfahren die vorläufige Zulassung zum Studium beantragt. In den Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (VG Gelsenkirchen, Beschlüsse vom 29.09.2011, 6 L 942/11 u.a.) hatten sie zunächst obsiegt. Allerdings verhinderte seinerzeit das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen den vorläufigen Studienstart der Kläger (OVG Münster, Beschluss vom 06.10.2011, 13 B 1218/11).

In den Hauptsacheverfahren wiederholten die Richter in Gelsenkirchen ihre Rechtsauffassung: Die Grenze des verfassungsrechtlich Zulässigen sei überschritten, da auch Bewerber mit schwächeren Abiturnoten zumindest eine realistische Chance auf Zulassung haben müssten. Zudem hätten aufgrund der hohen Bedeutung der Abiturnote im derzeitigen Auswahlsystem rund drei Viertel der Abiturienten eines Jahrgangs keine Chance auf eine Zulassung. Dies sei, so das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung. Das Gericht legte deshalb die Streitfrage dem Bundesverfassungsgericht vor.

Die Kläger und mit ihnen alle künftigen Studienbewerbern ohne herausragenden Abiturnoten bleibt nun die Hoffnung auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Wie künftig eine Vergabe von Studienplätzen aber stattdessen ablaufen soll, darüber rätseln derzeit viele Experten. Tatsache ist: Man wird kaum Studienplätze für alle Studierwilligen schaffen können. Die Ressourcen müssen in irgendeiner Art und Weise gerecht und verfassungskonform verteilt werden. Zunächst wird man jedoch gespannt sein dürfen, wie sich das höchste deutsche Gericht zu diesem Streit positioniert.

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