Strafzumessung bei der Steuerhinterziehung

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Strafzumessung bei der Steuerhinterziehung

Strafzumessungsregeln bei der Steuerhinterziehung

Mit dem Urteil vom 02.12.2008 des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs hatte sich dieser eingehend mit der Strafzumessung bei der Steuerhinterziehung zu beschäftigen. [1] Dies war auf Grund einer Revision vom LG Landshut mit Urteil vom 21.04.2008 an das Bundesverfassungsgericht notwendig geworden. [2] Durch dieses Urteil wurde ein grobes Gerüst von Straftarifen für die Fälle der Steuerhinterziehung geschaffen. Hintergrund dieser neuen Regelung war der Versuch des Bundesgerichtshofs den unteren Gerichtsinstanzen eine bundeseinheitliche Leitlinie bei der Strafzumessung an die Hand zu geben. [3] Diese Leitlinie hatte der Gesetzgeber als Folge aus der Lichtenstein – Steueraffäre in seinem Jahressteuergesetz 2009 aufgegriffen und erweitert. [4]

Vogel Vogel
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Betroffen sind insbesondere Fälle der Vorenthaltung und Veruntreuung von Arbeitsentgelt gem. § 266a StGB bzw. von Leistungen nach dem SGB IV sowie allen weiteren Verkürzungen oder Erlangungen von Steuern gem. § 370 AO. [5]

Im Vordergrund der neuen Strafzumessungsregeln bzgl. der Steuerhinterziehung steht der Tatbestand der Steuerhinterziehung im Sinne des § 370 AO. Der Tatbestand kann in zwei Begehungsformen verwirklicht werden. Zum einen die Steuerhinterziehungen durch aktives Tun gem. § 370 I Nr. 1 AO und zum anderen die Steuerhinterziehung durch Unterlassen gem. § 370 I Nr. 2 AO. Eine Steuerhinterziehung durch aktives Tun liegt dann vor, wenn die im Tatbestand des § 370 I Nr. 1 AO beschriebenen Handlungen durch die Person selbst vorgenommen werden. [6] Ein aktives Tun ist gegeben, wenn der Täter gegenüber den Finanzbehörden oder anderen Behörden steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtig oder unvollständig mitteilt. [7]

Als eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen im oben genannten Sinne ist jedes pflichtwidrige Verschweigen von steuerlich erheblichen Tatsachen ggü. dem Finanzamt zu verstehen, durch welche Steuern verkürzt werden oder ungerechtfertigte Steuervorteile erlangt werden. [8] Nach § 370 IV 1 AO liegt eine Verkürzung der Steuern dann vor, wenn diese nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden. [9]

Diese Bestimmungen greifen auch dann ein, wenn der Steuerpflichtige gegen die Berichtigungspflicht nach § 153 AO verstoßen hat. Dazu müssen folgende Voraussetzungen gegeben sein:

Erkennt ein Steuerpflichtiger nachträglich vor Ablauf der Festsetzungsfrist,

  • dass eine von ihm oder für ihn abgegebene Erklärung unrichtig oder unvollständig ist und dass es dadurch zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann oder bereits gekommen ist oder
  • dass eine durch Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern zu entrichtende Steuer nicht in richtiger Höhe entrichtet worden ist,

so ist er verpflichtet, dies unverzüglich anzuzeigen und die erforderliche Richtigstellung vorzunehmen. [10]

Nach § 370 IV 3 AO ist eine Steuerverkürzung und ein ungerechtfertigter Steuervorteil auch dann gegeben, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können. [11]

Jeder Steuerhinterziehung kann zudem nur dann bestraft werden, wenn er die Tat schuldhaft begangen hat. Der Gesetzgeber hat jedoch nur die vorsätzliche, das heißt wissentliche und willentliche, Steuerhinterziehung gem. § 15 StGB unter Strafe gestellt. [12] Die fahrlässige Steuerhinterziehung hingegen kann unter Umständen in Form der so genannten leichtfertigen Steuerverkürzung als Ordnungswidrigkeit gem. § 378 AO mit Geldbuße bedroht sein. [13]

Vorsatz hingegen muss sich auf die Merkmale des oben genannten Tatbestandes beziehen. Neben der Verwirklichung dieser Merkmale durch den Täter, kommt auch die Begehung der Steuerhinterziehung durch den bedingten Vorsatz in Betracht. Hierbei genügt es, wenn der Täter billigend in Kauf nimmt, dass es sich bei seinem Verhalten um eine Steuerhinterziehung handeln könnte. [14]

Das vom Bundesgerichtshof entworfene grobe Gerüst von Straftarifen sieht sowohl für die Steuerhinterziehung durch aktives Tun, als auch für die Steuerhinterziehung durch Unterlassen gem. § 370 I AO folgende Strafzumessungsregelungen vor:

  • Hinterziehungsbetrag bis 50.000 €: Geldstrafe
  • Hinterziehungsbetrag zwischen 50.000 € und 100.000 €: Geldstrafe bzw. Haftstrafe auf Bewährung
  • Hinterziehungsbetrag ab 100.000 €: Haftstrafe, ggf. zur Bewährung ausgesetzt
  • Hinterziehungsbetrag ab 1.000.000 €: Haftstrafe von mehr als 2 Jahren ohne Bewährung. [15]

Zu beachten ist, dass eine Geldstrafe in so genannten Tagessätzen verhängt wird (mindestens fünf und bei einer Steuerhinterziehung höchstens dreihundertsechzig Tagessätze). Die Höhe des jeweiligen Tagessatzes hat das Gericht unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters zu bestimmen. [16] Dabei wird die Höhe des Tagessatzes an Hand des Nettoeinkommens berechnet. Dieser beträgt gem. § 40 StGB jedoch mindestens ein Euro und höchstens fünftausend Euro. Weiterhin ist darauf hinzuweisen, dass eine Verurteilung auf Geldstrafe von nicht mehr als neunzig Tagessätzen oder auf Freiheitsstrafe oder Strafarrest von nicht mehr als drei Monaten nicht in das polizeiliche Führungszeugnis aufgenommen werden. Dies führt dazu, dass sich der Verurteilte gem. §§ 53, 32 II Nr. 5 BZRG als unbestraft bezeichnen kann.

Ferner kann das Gericht die Vollstreckung von Freiheitsstrafen von nicht mehr als einem Jahr zur Bewährung ausgesetzt werden. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn zu erwarten ist, dass der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzuges keine Straftaten mehr begehen wird.

Zudem sind die hinterzogenen Steuern zu verzinsen. Die Verzinsung beginnt ab dem fiktiven Zeitpunkt, zu dem die hinterzogenen Steuern hätten bezahlt werden müssen (§ 235 I und II AO). [17] Die Zinshöhe beträgt pro Monat 0,5 %, das heißt also 6 % im Jahr.

Dieses grobe Gerüst ist jedoch nicht abschließend zu bewerten, sondern kann durch besondere Merkmale auf den jeweiligen Einzelfall abgestuft angewendet werden. Zum einen ist hierbei das Merkmal des „großen Ausmaßes" zu beachten. Dieses, durch § 370 AO benannte Kriterium, ist nach objektiven Kriterien zu beurteilen. [18] Die Schwelle des „großen Ausmaßes" ist für jede einzelne Tat im materiellen Sinne gesondert zu bestimmen. Hinsichtlich des Kriteriums des „großen Ausmaßes" wurden verschiedene Alternativen diskutiert. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfüllt ein Vermögensverlust von mehr als 50.000 € das Merkmal des „großen Ausmaßes". [19] Die Literatur hingegen vertritt die Auffassung, dass das Kriterium des „großen Ausmaßes" bereits ab einem Mindestbetrag von 50.000 € erfüllt ist. [20] Andere Autoren sehen das Merkmal erst bei einem Betrag von 500.000 € oder einer Hinterziehung in Millionenhöhe als erfüllt an. [21] Vorrangig wird der Auffassung des Bundesgerichtshofs gefolgt, wonach das Kriterium des „großen Ausmaßes" gegeben ist, wenn der Hinterziehungsbetrag von 50.000 € überstiegen wird.

Diese hier gezogene Betragsgrenze kommt vor allem dann zur Anwendung, wenn der Täter ungerechtfertigte Zahlungen von einer Finanzbehörde erlangt, also aktiv i.S.d. § 370 I Nr. 1 AO gehandelt hat. Beschränkt sich das Verhalten des Täters jedoch auf ein Unterlassen i.S.d. § 370 I Nr. 2 AO, so sieht der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs eine Wertgrenze von 100.000 € zur Erfüllung des Kriteriums des „großen Ausmaßes" als angemessen an.

Neben den bereits genannten Aspekten ist der Senat zudem der Ansicht, dass bei einer mehrfachen tateinheitlichen Verwirklichung des Tatbestandes der Steuerhinterziehung das Kriterium des „großen Ausmaßes" des jeweiligen Taterfolges i.S.d. § 52 StGB zu addieren ist.

Ferner ist auch die Milderung bzw. Schärfung der durch das Gerüst von Straftarifen genannten Strafen möglich. Als Milderungsgründe sind vor allem folgende Gründe zu betrachten:

  • wesentlich steuerehrliches Verhalten des Täters im Tatzeitraum
  • die Tat betrifft nur einen verhältnismäßig geringen Teil der steuerlich relevanten Betätigung des Täters
  • kein Verhältnis zwischen verkürzten und gezahlten Steuern
  • eine rasche Nachzahlung verkürzter Steuern. [22]

Strafschärfend hingegen wirken sich vor allem aus:

  • Aktivitäten des Täters, welche von vornherein auf die Schädigung des Steueraufkommens im großen Umfang ausgerichtet waren,
  • der Täter besondere Unternehmensstrukturen aufgebaut hat, die der Steuerhinterziehung dienten,
  • der Täter das Ziel verfolgt hat, das Steueraufkommen durch wiederholte Tatbegehung über einen längeren Zeitraum nachhaltig zu schädigen,
  • die Verstrickung anderer Personen in die Tätigung von Scheingeschäften sowie die Schaffung schwer aufklärbarer Sachverhalte durch die Einschaltung von Domizilfirmen oder der Gewinnverlagerung ins Ausland. [23]

Hinsichtlich der Verjährung sind zwei verschiedene Aspekte zu betrachten. Zum einen die Strafverfolgungsverjährung gem. § 78 I StGB, welche dazu führt, dass eine Bestrafung wegen Steuerhinterziehung nicht mehr möglich ist. [24] Die Verjährungsfrist beträgt gem. § 78 III Nr. 4 StGB hierbei fünf Jahre. [25] Sie beginnt mit der Beendigung der Steuerhinterziehung, das heißt regelmäßig mit der Bekanntgabe des Bescheids bzw. mit Abschluss der Veranlagungstätigkeit.

Zum anderen ist die Festsetzungsverjährung zu beachten. Danach ist eine Steuerfestsetzung nach Ablauf der Festsetzungsfrist gem. § 169 AO nicht mehr zulässig. Die Festsetzungsfrist beträgt grundsätzlich vier Jahre. Sie gilt insbesondere auch für die Einkommens-, Gewerbe-, Körperschafts- und Umsatzsteuer. [26]

Bei einer leichtfertigen Verkürzung von Steuern wurde die Verjährungsfrist auf fünf Jahre und bei der Steuerhinterziehung auf zehn Jahre verlängert (§ 169 AO). [27]

Abschließend wird wohl abzuwarten sein, ob und inwieweit die Untergerichte die neuen Vorgaben des Bundesgerichtshofs hinsichtlich der Strafzumessung bei Steuerhinterziehung umsetzen werden. Tatsache ist jedoch, dass die Gerichte rechtlich nicht gebunden sind(Art. 97 GG) und eine Anwendung der genannten Strafzumessung nicht erfolgen muss.



[1] BGH 1 StR 416/08 vom 02.12.2008, NJW 2009, 528.

[2] LG Landshut vom 21.04.2008, Az. 3 KLs 54 Js 18017/06.

[3] ZRP 2008, 163; BT Drs. 16 / 11389.

[4] Gesetz zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung (Steuerhinterziehungsgesetz) vom 29.07.2009, Bundesgesetzblatt 2009 Teil I Nr. 48; BT Drs. 16 / 9168; DStR 2009, 254; BB 2009, 1275.

[5] BGH 1 StR 416/08 vom 02.12.2008, NJW 2009, 528.

[6] Wulf, Handeln und Unterlassen im Steuerstrafrecht, S. 95.

[7] Lammerding / Hackenbroch / Sudau, Steuerstrafrecht, S. 27.

[8] Wulf, Handeln und Unterlassen im Steuerstrafrecht, S. 105; Lammerding / Hackenbroch / Sudau, Steuerstrafrecht, S. 27.

[9] Lammerding / Hackenbroch / Sudan, Steuerstrafrecht, S. 29 f.

[10] Lammerding / Hackenbroch / Sudau, Steuerstrafrecht, S. 30 und S. 34; Joecks, Praxis des Steuerstrafrechts, S. 54 f.; Kühn / v. Wedelstädt (Kühn), § 153 Rn. 42.

[11] Kühn / v. Wedelstädt (Blesinger), § 370 Rn. 128; Lammerding / Hackenbroch / Sudan, Steuerstrafrecht, S. 41.

[12] Lammerding / Hackenbroch / Sudan, Steuerstrafrecht, S. 33; Tröndle / Fischer, Kommentar StGB, § 15 Rn. 2.

[13] Kühn / v. Wendelstädt (Blesinger), § 378 Rn. 13.

[14] Lammerding / Hackenbroch / Sudan, Steuerstrafrecht, S. 34.

[15] DStR 2009, 122.

[16] NJW 76, 634.

[17] Lammerding / Hackenbroch / Sudan, Steuerstrafrecht, S. 63.

[18] Klein (Gast – deHaan), Kommentar Abgabenordnung, § 370 Rn. 68.

[19] BGHSt 48, 360; NJW 2004, 169; Wistra 2004, 262.

[20] Kohlmann, Steuerstrafrecht, Rn. 1099.

[21] Kühn / v. Wedelstädt (Blesinger), Kommentar Abgabenordnung, § 370 Rn. 114; Rolletschke / Kemper (Rolletschke), Steuerverfehlung, Rn. 169.

[22] DStR 2009, 122.

[23] DStR 2009, 122.

[24] Tröndle / Fischer, Kommentar StGB, § 78 Rn. 2.

[25] Tröndle / Fischer, Kommentar StGB, § 78 Rn. 6.

[26] Lammerding / Hackenbroch / Sudan, Steuerstrafrecht, S. 61 f.; BT Drs. 16 / 9836.

[27] Lammerding / Hackenbroch / Sudan, Steuerstrafrecht, S. 61 f.