Sexting: Nackte Tatsachen auf dem Schulhof

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Tausch von Intimfotos - erste Schulbehörden warnen vor einem neuen Trend unter Jugendlichen

Neue Medien und Technologien bringen leider auch neue Gefahren und rechtliche Probleme hervor. Bei Schülern und Jugendlichen ist es jetzt der Trend „Sexting", der ungeahnte Folgen für die Beteiligten haben kann. 123recht.de im Interview mit Rechtsanwältin Alexandra Braun zum Tausch von Intimfotos unter Jugendlichen.

123recht.de: Frau Braun, was ist Sexting?

Alexandra Braun
Partner
seit 2010
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Strafrecht
Deutschhausstraße 32
35037 Marburg
Tel: 06421-686165
Tel: 0163-2688570
Web: http://www.verteidigerin-braun.de
E-Mail:
Ordnungswidrigkeiten, Medizinrecht, Verkehrsstrafrecht

Rechtsanwältin Braun: Der Begriff "Sexting" setzt sich aus den Wörtern "Sex" und "Texting" zusammen. Er bezeichnet im Wesentlichen das Versenden bzw. den Austausch von selbst produzierten intimen Fotos. Meist sind es Jugendliche, die über ihr Smartphone derartige Bilder verschicken.

123recht.de: Welche Rechtsgebiete sind von Sexting betroffen?

Rechtsanwältin Braun: Bei den betroffenen Rechtsgebieten handelt es sich zum einen um das Strafrecht und das Internetrecht. Auch urheberrechtliche Probleme können sich ergeben. Es kommt letztlich daher auf den Einzelfall an.

Hier muss man dann sehr genau unterscheiden, was genau passiert ist. Wer unaufgefordert einer anderen Person intime Bilder zusendet, kann sich wegen Verbreitung pornografischer Schriften strafbar machen. Extrem problematisch wird es, wenn intime Bilder einer minderjährigen Person an andere Personen versendet werden. Der Verbreiter solcher Bilder kann sich wegen Verbreitung kinderpornografischer Schriften strafbar machen.

Auch Bilder vom schlafenden Partner können eine Straftat darstellen

Strafbar kann man sich aber auch machen, wenn man den schlafenden Partner fotografiert und die Bilder dann herumzeigt. So zeichnen sich Trends ab, Fotos von seinem schlafenden Partner oder seiner Partnerin nach dem Sex zu machen. Dies kann eine Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen (§ 201 a StGB) darstellen. Strafbar macht sich sowohl der Fotograf als auch derjenige, der die Bilder weiterverbreitet.

Wer Bilder einer anderen Person ohne deren Einverständnis fertig oder verbreitet, verletzt das so genannte "Recht am eigenen Bild". "Recht am eigenen Bild" bedeutet, dass ich als abgebildete Person darüber entscheiden kann, was mit diesen Fotos passiert. Es handelt sich um eine Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Eine Verletzung dieses Rechtsguts führt zum einen dazu, dass die abgebildete Person Unterlassungsansprüche und darüber hinaus auch Schadensersatz- und Schmerzensgeldanprüche geltend machen kann.

123recht.de: Kann man das zum Cybermobbing oder Stalking zählen?

Rechtsanwältin Braun: Es gibt sicher Fälle, in denen beide Bereich betroffen sind. Eine unerwünschte Kontaktaufnahme und das unverlangte Zusenden von intimen Bildern kann durchaus Stalking sein.

123recht.de: Welche Folgen kann das für Betroffene haben?

Rechtsanwältin Braun: Die Betroffenen können unter der Situation erheblich leiden, es kann zu schwerwiegenden psychischen Problemen kommen. Das gilt sowohl für Personen, die auf den Fotos zu sehen sind, als auch für Personen, die unaufgefordert Intimfotos zugesendet bekommen. Gelegentlich kommt es auch zu Mobbing durch andere oder gar zu Erpressungsversuchen. Der Verfasserin ist ein Fall bekannt, in dem es zu Schulwechsel gekommen ist. Die betroffene Jugendliche hat es an der alten Schule nicht mehr ausgehalten.

Ex-Partner müssen Nacktfotos nach Beziehungsende vernichten

123recht.de: Welche Rechte haben Betroffene?

Rechtsanwältin Braun: Das OLG Koblenz hat gerade entschieden, dass der Expartner intime Bilder nach dem Ende der Beziehung vernichten muss. Das Persönlichkeitsrecht des Abgebildeten ist hier höher zu bewerten als das Eigentumsrecht des Fotografen an den Bildern.

Unabhängig davon bestehen Beseitigungsansprüche und Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld. Löschungsansprüche können im Rahmen einer einstweiligen Verfügung geltend gemacht werden.

123recht.de: Wie sollten Betroffene vorgehen?

Rechtsanwältin Braun: Betroffene sollten sich so schnell wie möglich an einen spezialisierten Rechtsanwalt wenden. Dieser wird die notwendigen Schritte ergreifen, um die Löschungsansprüche durchzusetzen. Sinnvoll kann es auch sein, Strafanzeige gegen den Verbreiter zu erstatten.

123recht.de: Welche Konsequenzen drohen den Verbreitern?

Rechtsanwältin Braun: Hier kommt es wieder auf den konkreten Einzelfall an. Wer pornografische Bilder von sich unerwünscht an andere Personen versendet, macht sich beispielsweise wegen Verbreitung pornografischer Schriften gemäß § 184 StGB strafbar. Hier droht Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

Unter Umständen kann es zu einer Hausdurchsuchung kommen, bei der Beweismittel sichergestellt werden sollen.

Wer Bilder von unter 14-jährigen versendet, macht sich eventuell wegen Verbreitung kinderpornografischer Schriften strafbar. Hier droht Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

Zivilrechtlich drohen Unterlassungsansprüche sowie Schadensersatz- und Schmerzensgeldanprüche.

123recht.de: Wann ist Sexting erlaubt?

Rechtsanwältin Braun: Rechtlich unproblematisch ist Sexting bei Erwachsenen, die beide mit dem Austausch von intimen Bildern einverstanden sind. Natürlich darf man im Rahmen einer Beziehung in gegenseitigem Einvernehmen Bilder voneinander fertigen und mit entsprechendem Einverständnis diese auch an andere Erwachsene weitersenden.

123recht.de: Was können Schulen machen, wenn sie von Sexting ihrer Schüler erfahren?

Rechtsanwältin Braun: Sinnvoll ist es sicher, vorab im Unterricht über das Thema zu sprechen und vor den Gefahren des Sexting zu warnen. Im konkreten Fall sollte die Schule gegebenfalls den Kontakt zu den Eltern suchen und den Betroffenen Hilfsangebote aufzeigen.

123recht.de: Vielen Dank.