Schweigepflicht von Ärzten???

16. Februar 2005 Thema abonnieren
 Von 
MoritzMaxe
Status:
Frischling
(3 Beiträge, 0x hilfreich)
Schweigepflicht von Ärzten???

Hallo an alle!
Ich hab eine Frage die sich mir eigentlich schon selbst beantwortet, wozu ich gern aber noch mal Besstätigung hätte.Mal angenommen, einer geht zum Psychotherapeuten, legt dort sein Leben auf den Tisch und da kommen nun Sachen ans Licht, von denen der Arzt denkt, die sind zu heiß, z.b. Gefahr für die Gesundheit anderer. Klar gibt es die Schweigepflicht, aber in wie weit ist der Arzt da gebunden wenn er Gefahr im Verzug sieht?
Wäre ja mal interessant zu wissen... :)

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14 Antworten
Sortierung:
#1
 Von 
JuR
Status:
Unparteiischer
(9878 Beiträge, 1431x hilfreich)

Guten Abend,

Als Ausfluß der strafrechtlich geschützten Schweigepflicht hat der Arzt vor Gericht ein Zeugnisverweigerungsrecht hinsichtlich der Umstände, die unter die ärztliche Schweigepflicht fallen (§ 53 StPO , § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ). Das Zeugnisverweigerungsrecht wird durch ein Beschlagnahmeverbot ergänzt (§ 97 StPO ), d.h. seine Krankenakten dürfen bei Ermittlungen gegen Patienten nicht beschlagnahmt werden. Ein Zeugnisverweigerungsrecht des Arztes besteht nicht, wenn er von der Verpflichtung zur Verschwiegenheit entbunden wird (§ 53 Abs. 2 StPO , § 385 Abs. 2 ZPO ). Dieses Vertrauensverhältnis ist gesetzlich geschützt. Die Schweigepflicht des Arztes erstreckt sich grundsätzlich auf alle Angelegenheiten, die bei der Begegnung zwischen Patient und Arzt in Erfahrung gebracht werden. Dazu zählen neben dem Gesundheitszustand auch Ihre familiären, wirtschaftlichen und beruflichen Angelegenheiten. Die Weiterleitung von personenbezogenen Informationen ist nur mit Ihrer Zustimmung oder auf der Grundlage bestimmter gesetzlicher Bestimmungen (z. B. an zum Wissen berufene Personen, wie weitere behandelnde Ärzte, oder Meldungen nach dem Bundesseuchengesetz) möglich. Die Schweigepflicht besteht auch nach dem Tod des Patienten fort.


Mit freundlichen Grüßen,

- J. Roenner -


---

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#2
 Von 
fix
Status:
Praktikant
(977 Beiträge, 334x hilfreich)

Nun ja, das Problem ist eigentlich weniger, welches Recht zur Zeugnisverweigerung vor Gericht der Arzt hat, sondern vielmehr, ob er unter allen Umständen ohne Genehmigung seines Patienten gegenüber jedermann an seine Schweigepflicht gebunden ist.

Kann die Schweigepflicht eines Arztes (§ 203 StGB ) in bestimmten Fällen - mal abgesehen von gesetzlich besonders geregelten Fällen wie dem Bundesseuchengesetz - durchbrochen werden, und wenn ja, wann?

Beispiel: darf ein Arzt hinter dem Rücken seines Patienten eine Fahrerlaubnisbehörde davon unterrichten, daß dieser aus gesundheitlichen Gründen (möglicherweise noch unter näherer Angabe der Erkrankung) nicht mehr zum Autofahren geeignet sei?

-- Editiert von fix am 16.02.2005 23:55:52

0x Hilfreiche Antwort

#3
 Von 
JuR
Status:
Unparteiischer
(9878 Beiträge, 1431x hilfreich)

Guten Abend Fix,

das ist ein komplexes Thema. Aber nun gut.

Die Übermittlung von Patientendaten ist nur zulässig, wenn sie entweder durch eine gesetzliche Vorschrift, durch die Einwilligung des Patienten oder aber durch einen besonderen Rechtfertigungsgrund legitimiert ist; anderenfalls läuft der Arzt Gefahr, die ärztliche Schweigepflicht (§ 203 StGB i. V. m. § 3 MBO) zu verletzen und gegen datenschutzrechtliche Vorschriften zu verstoßen. Dieses gilt grundsätzlich auch bei der Übermittlung von Daten von Arzt zu Arzt. In Fällen der Mit- und Nachbehandlung (z. B. Überweisung) sind Ärzte insoweit von der Schweigepflicht befreit, als dass das Einverständnis des Patienten anzunehmen ist. Gesetzliche Übermittlungsbefugnisse finden sich insbesondere

* im Sozialgesetzbuch V (SGB V) für den Bereich der vertragsärztlichen Versorgung

* zur Übermittlung an die Kassenärztlichen Vereinigungen

* zum Zweck der Abrechnung (§ 295 SGB V ),

* zum Zweck der Wirtschaftlichkeitsprüfung (§§ 296 , 297 SGB V ),

* zum Zweck der Qualitätssicherung (§ 298 SGB V ),

* Übermittlung an die Krankenkasse,

* Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (§ 284 i. V. m. § 295 SGB V ),

* Übermittlung an den medizinischen Dienst (§§ 276 , 277 SGB V ).

Weitere gesetzliche Übermittlungsbefugnisse finden sich in

* dem Bundesseuchengesetz,

* dem Krebsregistergesetz,

* der Röntgenverordnung,

* der Strahlenschutzverordnung,

* dem Betäubungsmittelgesetz i. V. m. der BTMVV,

* der Reichsversicherungsordnung i. V. m. der Berufskrankheitenverordnung,

* im Personenstandsgesetz.


Soweit keine gesetzliche Übermittlungsbefugnis vorliegt, kann ausnahmsweise ohne Einwilligung des Patienten eine Durchbrechung der ärztlichen Schweigepflicht dann gerechtfertigt sein, wenn eine nicht anders abwendbare Gefahr für ein höherwertiges Rechtsgut, wie Leben, Gesundheit und Freiheit, abgewehrt werden soll (§ 34 StGB ).

Darüber hinaus kann der Arzt im Einzelfall im Rahmen der Wahrnehmung berechtigter Interessen, etwa bei strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, gegen ihn selbst oder aber auch im Rahmen der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche gegen den Patienten befugt und berechtigt sein, die ihm anvertrauten Patientendaten zu offenbaren.

Soweit weder eine gesetzliche Offenbarungsbefugnis besteht, noch darüber hinaus ein besonderer Rechtfertigungsgrund vorliegt, darf eine Übermittlung personenbezogener Patientendaten nur dann erfolgen, wenn eine Einwilligung des Patienten vorliegt; allerdings muss diese Einwilligung nicht in allen Fällen ausdrücklich erklärt werden.

So, nun haben Sie es ganz genau. Ich hoffe Ihre Frage beantwortet zu haben.


Mit freundlichen Grüßen,

- J. Roenner -


---

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#4
 Von 
fix
Status:
Praktikant
(977 Beiträge, 334x hilfreich)

Hallo Herr Roenner,

danke für die ausführliche Antwort.

Abgesehen von den oben explizit genannten Fällen (die sich im wesentlichen auf den Bereich andere Ärzte, Krankenkassen und Rentenversicherung beziehen) heißt das doch zusammengefaßt, daß der Arzt einen nach den Einzelfallumständen zu bewertenden wichtigen Grund braucht, der höher zu bewerten sein muß als die Einhaltung der Schweigepflicht.

Beispiele: Arzt hat bei einem seiner Patienten den Eindruck, daß er altersbedingt nicht mehr für das Autofahren geeignet ist; gleichzeitig ist er aber in dieser Hinsicht völlig uneinsichtig. Eine Art "routinemäßige" Meldung an die Führerscheinstelle wäre aber auch hier unzulässig, da der Arzt zunächst versuchen müßte, dem Patienten diese Gefahr im vertraulichen Gespräch klarzumachen.

1x Hilfreiche Antwort

#5
 Von 
JuR
Status:
Unparteiischer
(9878 Beiträge, 1431x hilfreich)

Guten Morgen Fix,

quote:<hr size=1 noshade>Abgesehen von den oben explizit genannten Fällen (die sich im wesentlichen auf den Bereich andere Ärzte, Krankenkassen und Rentenversicherung beziehen) heißt das doch zusammengefaßt, daß der Arzt einen nach den Einzelfallumständen zu bewertenden wichtigen Grund braucht, der höher zu bewerten sein muß als die Einhaltung der Schweigepflicht. <hr size=1 noshade>


Ihre Annahme ist richtig. Wenn kein gesetzlicher Zwang besteht die Informationen weiterzuleiten (auch an Behörden), braucht man einen Grund, der sich zB aus den Notwehr -und Notstandsgründen (§§ 32 - 35 StGB ) ergibt.

quote:<hr size=1 noshade>Beispiele: Arzt hat bei einem seiner Patienten den Eindruck, daß er altersbedingt nicht mehr für das Autofahren geeignet ist; gleichzeitig ist er aber in dieser Hinsicht völlig uneinsichtig. Eine Art "routinemäßige" Meldung an die Führerscheinstelle wäre aber auch hier unzulässig, da der Arzt zunächst versuchen müßte, dem Patienten diese Gefahr im vertraulichen Gespräch klarzumachen. <hr size=1 noshade>


Wenn die sichere Teilnahme am Straßenverkehr nicht mehr gewährleistet ist, so handelt es sich um eine abstrakte Gefährdung. Diese rechtfertigt noch nicht die Durchbrechung der ärztlichen Schweigepflicht. Anders ist dies, wenn die jeweilige Person aktiv am Straßenverkehr teilnimmt und eine sichere Teilnahme ausgeschlossen ist. Denn dann handelt es sich schon um eine konkrete Gefährdung der anderen Verkehrsteilnehmer.

Gern geschehen.

Wenn ich fragen darf, fragen Sie aus Interesse, oder haben Sie einen derartigen Fall?


Mit freundlichen Grüßen,

- J. Roenner -


---

-- Editiert von J. Roenner (Bobo) am 17.02.2005 11:28:42

1x Hilfreiche Antwort

#6
 Von 
fix
Status:
Praktikant
(977 Beiträge, 334x hilfreich)

Hallo Herr Roenner,

die Frage beruht lediglich auf allgemeinem Interesse an dieser Problematik.

Nochmals vielen Dank für Ihre ausführlichen Erläuterungen und schönen Gruß!

1x Hilfreiche Antwort

#7
 Von 
JuR
Status:
Unparteiischer
(9878 Beiträge, 1431x hilfreich)

Hallo Fix,

gern geschehen.


Viele Grüße,

- J. Roenner -


---

1x Hilfreiche Antwort

#8
 Von 
Chipsy
Status:
Frischling
(6 Beiträge, 0x hilfreich)

Hallo,
also ich hätte dazu auch noch ein Frage .
Wie ist das mit der Schweigepflicht bei jugendlichen ?!
Ist der Arzt verpflichtet, die Eltern über eine
Krankheit des Kindes zu informieren ?!

Gruß

Chipsy

0x Hilfreiche Antwort

#9
 Von 
JuR
Status:
Unparteiischer
(9878 Beiträge, 1431x hilfreich)

Guten Tag Chipsy,

Die ärztliche Schweigepflicht gilt auch gegenüber den Eltern Minderjähriger, soweit sich der oder die Jugendliche erkennbar alleine in Behandlung gegeben hat, einsichtsfähig ist und aus den Umständen erkennbar ist, daß die Vertraulichkeit gewahrt werden soll, wie dies z. B. bei Verschreibung der „Pille" an ein 16jähriges Mädchen angenommen werden kann. Schickt der Arzt in diesen Fällen den Eltern ohne Einverständnis des Mädchens die Arztrechnung, verletzt er die ärztliche Schweigepflicht. Ist das Kind unter 14 Jahre alt oder fehlt ihm im Hinblick auf die konkrete ärztliche Handlung die Reife und Übersicht, muß die vorherige Einwilligung der Eltern eingeholt werden. Die Schweigepflicht gilt dann gegenüber den Eltern nicht.


Mit freundlichen Grüßen,

- Roenner -

0x Hilfreiche Antwort

#10
 Von 
Don Camillo
Status:
Schüler
(278 Beiträge, 52x hilfreich)

Dazu hätte ich auch noch eine Frage bzw. Gechichte.

Eine Bekannte wurde mit starken Schmerzen vom Notarzt ins Krankenhaus gebracht. Dort wurde im PC festgestellt, dass Fr. S. bereits stationär vor einiger Zeit hier gewesen ist und es wurden keine Fragen hinsichtlich der Aktualität der vorhandenen persönlichen Daten gestellt. Auch danach wurde keine Frage hierzu gestellt.

Bei der Entlassung wurden die Berichte dann an den in der Datei gespeicherten Hausarzt geschickt.

Nur: Dieser Hausarzt war seit über einem Jahr nicht mehr der Hausarzt der Fr. S.

Vom Krankenhaus wurde dann lediglich eine Kopie der Berichte an den "richtigen" Hausarzt geschickt. Der Ex-Hausarzt verfügt aber nach wie vor unberechtigterweise über die Originalberichte.

Ist das zulässig? Wenn nein, was kann Fr. S. tun?

Das Ganze ereignete sich vor ca. 3 Wochen.

-----------------
"Friede, Freude, Eierkuchen"

0x Hilfreiche Antwort

#11
 Von 
JuR
Status:
Unparteiischer
(9878 Beiträge, 1431x hilfreich)

Guten Tag Don Camillo,

wenn der Patient die Herausgabe der Befunde, Akten, Untersuchungsergebnisse, Röntgenbilder usw. von dem jeweiligen Arzt verlangt, so ist dieser zur Herausgabe verpflichtet.

Dieses können Sie notfalls auch mit anwaltlicher Hilfe durchsetzen.


Mit freundlichen Grüßen,

- Roenner -

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#12
 Von 
Wanderer
Status:
Beginner
(118 Beiträge, 5x hilfreich)

Gilt eigentlich die Schweigepflicht der Ärzte auch für Ärzte des Gesundheitsamtes gegenüber Sozialämtern und Sozialgerichten, falls der Patient sie von der Schweigepflicht nicht oder nur partiell entbindet?

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#13
 Von 
Sunbee 1
Status:
Gelehrter
(10618 Beiträge, 2433x hilfreich)

@wanderere

ja. allerdings wird dann fehlende mitwirkung( hierüber steht eine belehrung im bescheid) vorgeworfen und mit absoluter sicherheit entschieden, dass der untersuchte gesund ist

sunbee

1x Hilfreiche Antwort

#14
 Von 
Wanderer
Status:
Beginner
(118 Beiträge, 5x hilfreich)

Das erscheint mir noch nicht schlüssig, denn die Entscheidung "gesund" wäre dann wohl falsch oder deshalb nichtig. Fraglich auch, ob er wirklich nicht mitwirkt. Schließlich wird er sich untersuchen lassen, obwohl vielleicht keine Verpflichtung dazu existiert, denn die einschlägigen SGB-Paragraphen erscheinen alle als Soll-Vorschriften.
In diesem Thread geht's mir jedoch um die Grenzen der ärztlichen Schweigepflicht. Wegen der Grenzen der Mitwirkungspflicht habe ich im Forum Sozialrecht einen anderen Thread aufgemacht, zu dem ich auch gerade Ihre Meinung begrüßen würde.

0x Hilfreiche Antwort

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