Schadensminderung und die Versicherung

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Billig ist nicht immer hilfreich

Besprechung von OLG Frankfurt, Urteil vom 01.03.2012 - 3 U 119/11

1. Das Problem

Wenn Schäden bei Versicherungen angemeldet werden, können durchaus Obliegenheiten, wirtschaftlich günstigere Wege zu gehen, die rechtlich in den Versicherungsverträgen verankert sind, eine Rolle spielen. Dies wird durch Klauseln in den Verträgen, also das Kleingedruckte, sichergestellt. Dies soll nachfolgend durch ein paar Beispiele und Gedanken erhellt werden.

So erscheint es plausibel, dass eine Klausel, die die Vermeidung unnötiger Kosten fordert, im Grundsatz möglich und wirksam ist. So heißt es etwa in der Rechtsschutzversicherung (aber vergleichbare Klauseln existieren in allen Versicherungszweigen), dass der Versicherungsnehmer nach Eintritt des Rechtsschutzfalls, soweit seine Interessen nicht unbillig beeinträchtigt werden, alles zu vermeiden hat, was eine unnötige Erhöhung der Kosten oder eine Erschwerung ihrer Erstattung durch die Gegenseite verursachen könnte", bestehen darf.

Nicht so plausibel erscheint dies jedoch, wenn man sich die zugrundeliegenden Probleme ansieht sowie zum Teil die Betrachtungen der Versicherer, was etwa unbillig ist. Meist scheint es da nur noch um das Einsparungsdiktat zu gehen und dies geht oft einseitig zu Lasten des Kunden, also zu Ihren Lasten! Dabei geht es meist um Sachverhalte, bei denen die Entstehung der Kosten mitnichten willkürlich und unnötig ist.

2. Beispiele

Müssen etwa Klagen zusammengefasst werden, oder dürfen außergerichtliche Schreiben nicht mehr von Anwälten verfasst werden (etwa im Abmahnungsbereich)? Dürfen Bewerber auf Studienplätze, die einen Studienplatz erhalten wollen, die sodann (eilige) gerichtliche Verfahren durchführen müssen, darauf verwiesen werden, dass eine „Flut" von Verfahren zu teuer sei – trotz eindeutigen Rechtsschutzzieles? Dürfen befriedende Vergleiche nicht geschlossen werden, weil Unklarheit über die Kostentragung besteht? Oder aber sind (im Haftpflichtbereich) Handlungen, die zwar den Schaden versucht haben zu verhindern, da mit der späteren Brille (wegen der Kosten) nicht billigenswert?

Eingewandt wird, dass die streitgegenständliche Klausel unwirksam sei, weil sie „sowohl intransparent als auch inhaltlich unangemessen benachteiligend sei. Die Klausel sei zu unbestimmt, da ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer aufgrund unbestimmter Begriffe wie "unnötig" und "Erschwerung verursachen könnte" nicht erkennen könne, welche Obliegenheit von ihm verlangt werde. Dem Versicherungsnehmer werde eine kostenrechtliche Prüfung und eine Prognoseentscheidung abverlangt, was mangels entsprechender Ausbildung zu weitgehend sei. (…) Die Klausel relativiere das Leistungsversprechen gem. §§ 1-6 ARB. Nach der kundenfeindlichsten Auslegung verliere der Versicherungsnehmer darüber hinaus seinen Versicherungsschutz schon bei der bloßen Gefahr der Kostenerhöhung oder einer Erschwerung der Kostenerstattung (…)."

3. Das Urteil, OLG Frankfurt/Main, Urt. v. 01.03.2012 - 3 U 119/11 

Das obige Gericht hatte sich mit einem derartigen Problem auseinanderzusetzen und stellte fest, dass die Schadensminderungsklausel eines Versicherers bei Verwendung unbestimmter Begriffe intransparent und unwirksam sein kann. Konkret machte der Senat dies an der „Kostenvermeidungs-Klausel" in den allgemeinen Rechtsschutzbedingungen fest. 

Eine Klausel in Versicherungsverträgen, wonach der Versicherungsnehmer nach Eintritt des Rechtsschutzfalls, soweit seine Interessen nicht unbillig beeinträchtigt werden, alles zu vermeiden hat, was eine unnötige Erhöhung der Kosten oder eine Erschwerung ihrer Erstattung durch die Gegenseite verursachen könnte, sei mithin intransparent und daher unwirksam. So der Senat in klarer Eindeutigkeit.  Denn der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer könne einer solchen Bestimmung nicht entnehmen, was von ihm konkret verlangt werde und er vermag deshalb auch nicht zu erkennen, ob und wann er gegen seine Obliegenheiten verstößt und dadurch seinen Versicherungsschutz ganz oder teilweise gefährdet.

4. Unsere Stellungnahme

Wir meinen außerdem, dass diese Entscheidung richtig ist. Der BGH hat die Linie des OLG bereits mehrfach bestätigt und es ist nach wie vor ein offenes Geheimnis, dass das oberste deutsche Gericht die besagte Klausel ebenso für unwirksam hält. Spätestens seit der jedenfalls in Anwaltskreisen bekannten Terminsmitteilung aus dem Jahr 2010 ist diese Linie bekannt. Da solche Mitteilungen nicht rechtskräftig und bindend sind, die Versicherer sodann durch Anerkenntnisse verbindliche Urteile verhindern, wird dies gerne ignoriert. Lassen Sie sich das nicht gefallen! Es gibt eine Reihe von Fragen dazu.

In der Regel nutzt der Versicherer (insbesondere im Bereich der Rechtsschutz) die Klausel, um unliebsame und teure Fälle im Einzelfall zu vermeiden. Wie wir aus unserer Praxis wissen, geht es dabei aber selten darum, objektiv unsinnige Kosten zu vermeiden. Meist kann man sich nur an die Stirn fassen, da ein (im Bereich der Rechtsschutzversicherung) dadurch verkürzter gerichtlicher Schutz etwa eindeutig zu Lasten der Mandanten geht. Zum Beispiel im Bereich der Berufsunfähigkeitsversicherung verlangen Rechtsschutzversicherer, dass wichtige und sinnvolle und berechtigte Anträge bei gerichtlichen Verfahren nicht gestellt werden, da sie (tatsächlich) kostenintensiv sind. Aber man gewinnt den Eindruck, dass die Versicherer dabei alleine auf die Kosten weniger auf die Bedürfnisse der Mandanten schauen. Sachargumente kommen da auf Nachfrage selten. Von daher liegt die unangemessene Benachteiligung für uns auf der Hand. Lassen Sie sich sowas nicht gefallen und suchen Sie eine versierte Kanzlei für Versicherungsrecht auf. Wir beraten Sie insoweit auch umfassend im Versicherungsrecht und noch dazu bundesweit!

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