SGB XI - Ansprüche auf häusliche Pflegehilfe oder Pflegegeld

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SGB XI - Ansprüche auf häusliche Pflegehilfe oder Pflegegeld

Die Bevölkerung in Deutschland wird immer älter. Immer mehr alte Menschen werden gebrechlich und können gewöhnliche tägliche Verrichtungen der Grundpflege und  Hauswirtschaft für sich selbst nicht mehr wahrnehmen. Hilfe bietet die Pflegeversicherung, die als wichtigste Ansprüche Pflegesachleistungen in Form von häuslicher Pflegehilfe gemäß § 36 SGB XI und Pflegegeld gemäß § 37 SGB XI bereitstellt. Die Leistungen werden nur auf  einen bei den Pflegekassen zu stellenden Antrag gewährt. Wird ein Antrag gestellt, dann beauftragt die Pflegekasse den Medizinischen Dienst der Krankenkasse. Dieser begutachtet den Pflegebedürftigen, stuft ihn in eine Pflegestufe ein. Die Pflegestufe bestimmt den Umfang der Leistungen. Dieser Artikel zeigt die Voraussetzungen der gesetzlich geregelten Pflegestufen, wie diese festgestellt werden, und welche Leistungen daraus erwachsen.

 

Patrick Inhestern
Partner
seit 2005
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Sozialrecht, Fachanwalt für Familienrecht
Köbelinger Str.1
30159 Hannover
Tel: 0511 330893 80
Web: http://www.pi-kanzlei.de
E-Mail:
Sozialversicherungsrecht, Arbeitsrecht, Arbeitsrecht

1. Pflegebedürftigkeit und Pflegestufen

Nach § 14 I SGB XI sind Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, der Hilfe bedürfen, in erheblichem oder höherem Maße pflegebedürftig.

Das Maß der Pflegebedürftigkeit regelt 15 I SGB XI. Die Vorschrift nimmt eine Einteilung der Pflegebedürftigkeit in drei Pflegestufen vor.

Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) sind nach § 15 I Nr. 1 SGB  XI Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. In zeitlicher Hinsicht ist für das Vorliegen der Pflegestufe I nach § 15 III Nr. 1 SGB  XI erforderlich, dass der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, wöchentlich im Tagesdurchschnitt mindestens 90 Minuten beträgt,  wobei auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen müssen.

Pflegebedürftige der Pflegestufe II (Schwerpflegebedürftige) sind gemäß § 15 I Nr. 2 SGB XI Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der zeitliche Aufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt,  muss nach § 15 III Nr. 2 in der Pflegestufe II mindestens drei Stunden betragen, wobei auf die Grundpflege mindestens zwei Stunden entfallen müssen.

Pflegebedürftige der Pflegestufe III (Schwerstpflegebedürftige) sind Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität täglich rund um die Uhr, auch nachts, der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe III mindestens fünf Stunden betragen; es müssen auf die Grundpflege mindestens vier Stunden entfallen.

Für Kinder bestimmt § 15 II SGB XI, dass die Pflegestufeneinordnung anhand der Ermittlung des zusätzlichen Bedarfs im Vergleich zu seinem gesunden Kind zu bestimmen ist.

 

2. Die Ermittlung des zeitlichen  Bedarfs

Der zeitliche Bedarf für einzelne Verrichtungen ist oft stark subjektiv geprägt. Bei gleichen Beeinträchtigungen braucht eine Person zum Duschen 10 Minuten, eine andere 30. Um insoweit Ungerechtigkeiten bei der Leistungsgewährung aufgrund solcher Umstände zu vermeiden, enthalten die Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem XI. Buch des Sozialgesetzbuches für die Verrichtungen im Bereich der Grundpflege Zeitrahmen, die für einzelne Verrichtungen anzusetzen sind:

Im  Bereich des Waschens gelten folgende Vorgaben: Eine  Ganzkörperwäsche kann 20 bis 25 Minuten, das Waschen  des Oberkörpers 8 bis 10 Minuten. das Waschen des  Unterkörper 12 bis 15 Minuten, das Waschen von Händen/Gesicht  1 bis 2 Minuten dauern, für Duschen sind  15 bis 20 Min vorgesehen, Baden soll in 20 bis 25 Minuten zu bewältigen sein, die Zahnpflege kann 5 Minuten, Kämmen 1 bis 3 Minuten,  Rasieren von 5 bis 10 Minuten erfordern. Hinsichtlich    Darm- und Blasenentleerung wird wie folgt differenziert: Wasserlassen  soll 2 bis 3 Minuten dauern, ein Stuhlgang benötigt  3 bis 6 Minuten, das Richten der Bekleidung soll insgesamt 2 Minuten erfordern. Andere Werte kommen bei der Anwendung von Inkontinenzprodukten zum Tragen.

Im Bereich der Ernährung gelten nach den genannten Richtlinien folgende Werte: Für mundgerechte Zubereitung einer Hauptmahlzeit werden  2 bis 3 Minuten veranschlagt, für das Essen von Hauptmahlzeiten einschließlich Trinken bei maximal  3 Hauptmahlzeiten pro Tag werden  je Mahlzeit  15 bis 20 Minuten berücksichtigt, bei Verabreichung von Sondenkost 15 bis 20 Minuten  pro Tag, da hier nicht portionsweise verabreicht wird hinzugerechnet.

Im Bereich der Mobilität sind folgende zeitliche Vorgaben zu beachten: Einfache Hilfe zum Aufstehen/zu Bett gehen ist je  Vorgang  mit 1 bis 2 Minuten, Umlagern ist mit  2 bis 3 Minuten  zu berücksichtigen, Ankleiden gesamt soll  8 bis 10 Min,  Ankleiden des Oberkörpers oder Unterkörpers soll  5 bis 6 Minuten erfordern, für das Entkleiden gesamt sind 4 bis 6 Min., für das Entkleiden des Oberkörpers oder Unterkörpers sind  2 bis 3 Minuten vorgesehen, für den Transfer auf den bzw. vom Rollstuhl/Toilettenstuhl/Toilette in die bzw. aus der Badewanne/Duschtasse reicht  je 1 Minute. Für Hilfestellungen im Bereich Stehen, Gehen, Treppensteigen sowie Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung fehlen zeitliche Vorgaben. Dies sind aber zweifellos zeitlich zu berücksichtigende Verrichtungen.

Im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung  fehlen zeitliche Vorgaben durch die Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem XI. Buch des Sozialgesetzbuches.

Der MDK hat tabellenartige Formulare, in denen die einzelnen Verrichtungen aufgeführt werden. In diese Formulare trägt er nach Begutachtung des potentiell Pflegebedürftigen zu den einzelnen Verrichtungen jeweils Zeitwerte ein, aus deren Addition dann die Pflegestufe ermittelt wird.

 

3. Pflegesachleistungen und Pflegegeld

Pflegebedürftige haben entsprechend ihrer Pflegestufe entsprechend Anspruch auf Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung als Sachleistung, also  auf häusliche Pflegehilfe.

Nach § 36 I SGB XI wird häusliche Pflegehilfe wird durch geeignete Pflegekräfte erbracht, die entweder von der Pflegekasse oder bei ambulanten Pflegeeinrichtungen, mit denen die Pflegekasse einen Versorgungsvertrag abgeschlossen hat, angestellt sind.

Die Leistungssätze der Pflegeversicherung sind § 36 III SGB XI zu entnehmen. Für Pflegebedürftige der Pflegestufe I umfasst der Anspruch auf häusliche Pflegehilfe Pflegeeinsätze bis zu einem Gesamtwert von 420 Euro ab 1. Juli 2008, 440 Euro ab 1. Januar 2010 und 450 Euro ab 1. Januar 2012.

Für Pflegebedürftige der Pflegestufe II umfasst der Anspruch auf häusliche Pflegehilfe Pflegeeinsätze bis zu einem Gesamtwert von 980 Euro ab 1. Juli 2008,1040 Euro ab 1. Januar 2010, 1100 Euro ab 1. Januar 2012.

Für Pflegebedürftige der Pflegestufe III umfasst der Anspruch auf häusliche Pflegehilfe Pflegeeinsätze bis zu einem Gesamtwert von 1470 Euro ab 1. Juli 2008, 1510 Euro ab 1. Januar 2010 und 1.550 Euro ab 1. Januar 2012.

Beschafft sich der Pflegebedürftige eine Pflegehilfe selbst, so kann er die Zahlung von Pflegegeld ver anstelle der Erbringung häuslicher Pflegehilfe. Dies ist in § 36 I SGB XI geregelt. Die Pflegegeldsätze sind nach Pflegestufe eingeteilt und ebenfalls  § 36 I SGB XI zu entnehmen.

Das Pflegegeld beträgt je Kalendermonat für Pflegebedürftige der Pflegestufe I 215 Euro ab 1. Juli 2008, 225 Euro ab 1. Januar 2010, 235 Euro ab 1. Januar 2012.

Für Pflegebedürftige der Pflegestufe II beträgt das Pflegegeld je Kalendermonat 420 Euro ab 1. Juli 2008, 430 Euro ab 1. Januar 2010, 440 Euro ab 1. Januar 2012.

Für Pflegebedürftige der Pflegestufe III beträgt das Pflegegeld je Kalendermonat 675 Euro ab 1. Juli 2008, 685 Euro ab 1. Januar 2010 und 700 Euro ab 1. Januar 2012.

Das Pflegegeld kann  pflegenden Angehörigen helfen und ist anrechnungsfrei in Bezug auf deren Sozialleistungen z.B. ALG II.

 

4. Fazit:

Die Ansprüche auf häusliche Pflegehilfe und der Anspruch auf Pflegegeld sind ihrem sachlichen und finanziellen Umfang nach enorm. Soweit Sie Anhaltspunkte für eigene Pflegebedürftigkeit haben, weil Ihnen die täglichen Verrichtungen schwer fallen oder nicht mehr gelingen, sollten Sie schleunigst einen Antrag stellen. Gleiches gilt, wenn Sie als pflegender Angehöriger derzeit gratis Leistung im Rahmen des Familienverhältnisses erbringen. Auch dann sollte sofort ein Antrag für den Pflegebedürftigen gestellt werden. Gegen ablehnende oder ungünstige Bescheide können Sie Widerspruch einlegen, oder gegebenenfalls Klage erheben. Die Fehlerquellen im Bereich der zeitlichen Ermittlung des Pflegebedarfs sind grenzenlos. Deswegen sollte die Einlegung von Rechtsmitteln in diesem Bereich stets geprüft werden. Hierfür stehe ich Ihnen als Fachanwalt für Sozialrecht gern zur Verfügung.

Patrick Inhestern
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Sozialrecht

Rechtsanwaltskanzlei Tarneden & Inhestern
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