Risiko Weidehaltung: Wer haftet wann bei Pferdeverletzungen?

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Ein Pferd hat eine Haftungsquote – was bedeutet das?

Weidegang ist die natürlichste Haltungsform für ein Pferd — es kann fressen, sich frei bewegen und allein oder in der Herdenhaltung herumtollen. Doch mit dem alljährlichen Beginn der Weidesaison entsteht immer wieder eine Vielzahl von Problemen: Schon die Zusammenstellung der Herdengruppen wie Absetzer, Jährlinge, Stuten oder "Rentner" lösen bei Pferdehalter und Weide-Eigentümer stets die gleichen Ängste aus: Ob auch in diesem Jahr alles gut gehen wird?

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat im Jahr 1998 über einen Fall entschieden, in dem der Kläger seinen Jährling zu dem Beklagten, einem landwirtschaftlichen Betrieb mit eigener Fohlenaufzucht, zur Weidehaltung gebracht hat. Der Youngster des Klägers kam wie bereits im Vorjahr zusammen mit den Jährlingen des Beklagten auf die Weide. Nach der dritten Nacht in Weidehaltung wurde das Pferd des Klägers mit Bruch eines Hinterbeines gefunden. Festgestellt wurde eine Schlagverletzung als offenkundige Ursache. Der Jährling des Klägers musste noch vor Ort eingeschläfert werden.

Es steht außer Frage, dass der Beklagte für die von seinen Pferden ausgehende Tiergefahr gemäß § 833 Abs. 1 BGB haftet. Denn mit dem Ausschlagen eines Pferdes entsteht eine so genannte spezifische Tiergefahr, die sich ob der Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens verwirklicht. Das Düsseldorfer OLG hat dem Kläger jedoch keinen vollen Schadensersatz zugesprochen: Das Gericht hat dem Kläger die Anwendung des § 254 Abs. 1 BGB, der das Mitverschulden regelt, die mitwirkende Tiergefahr seines Pferdes zur Hälfte angerechnet. Das Oberlandesgericht Düsseldorf begründete seine Entscheidung damit, dass die spezifische Tiergefahr des verletzten Tieres als mit verursachender Umstand bei der vorangegangenen Rangelei der Jährlinge auch Einfluss gehabt haben muss. Diese Gefahr sei auch nicht auszuschließen, wenn vor Beginn der Weidehaltung eine Gewöhnungsphase der Tiere aneinander durchgeführt wurde. Das erste Fazit heißt also, dass im Verletzungsfall eine 100 %-ige Haftung des Weide-Eigentümers nur in Ausnahmefällen möglich ist und — für den Halter zum Schaden am eigenen Pferd meist auch noch eine Haftungsquote hinzukommt.

Wenn Pferde miteinander rangeln, ihre Rangordnung herstellen und toben und dabei ein Pferd verletzt wird, gilt zunächst der Grundsatz, dass das verletzte Pferd nur auf das Verhalten eines anderen Pferdes reagiert hat. Das kann sogar so weit gehen, dass das später verletzte Pferd sich ursprünglich passiv verhielt und vielleicht im Versehen die Individualdistanz eines anderen Pferdes unterschritt, das daraufhin instinktiv reagierte. Damit bleibt im Regelfall eine Mithaftung immer auch beim Halter des verletzten Pferdes.

Ist das immer so?

Nein! Andere Regelungen gelten beispielsweise für einen Fall, in dem ein Pferd scheinbar grundlos und aus reiner Bösartigkeit auf ein anderes Pferd losgeht, ohne dass dies den Angriff in irgendeiner Weise provoziert hat. Die Beweispflicht dafür obliegt hierbei beim Halter des verletzten Pferdes.Problematisch sind im Verletzungsfall also immer die Fälle, in denen mehr als zwei Pferde auf einer Weide gehalten werden. Wird hier ein Pferd verletzt aufgefunden, muss der Halter des verletzten Pferdes beweisen, welches andere Pferd die Verletzung verursacht hat. Wenn aber niemand den genauen Vorgang beobachtete, sind erhebliche Probleme bei der Klärung des Falles zu erwarten.

Gibt es auch ein Mitverschulden des Pferdehalters?

Ja! Neben der auch von einem verletzten Pferd ausgehenden Tiergefahr ist auch das Mitverschulden des jeweiligen Pferdehalters zu prüfen. Eine Mitschuld wird durch § 254 BGB geregelt. Hier sind viele Varianten möglich: Einige Beispiele, die Frühjahr für Frühjahr beobachtet werden können, sind solche Fälle, in denen die Pferde nicht in geeigneter Art und Weise zuvor aneinander gewöhnt wurden und unüberlegt zusammengestellte Gruppen auf eine Weide gebracht wurden. Da wird ein "stallbekannter Schlägertyp" mit einem Pferd zusammengestellt, das wegen einer Sehnenverletzung im vorangegangenen Jahr auf gar keinen Fall wild toben oder flüchten soll oder "hengstige Wallache" kommen mit anderen dominanten Herdenmitgliedern in eine Gruppe. Beobachtet wird auch, dass auf rundum beschlagene Sportpferde, die den ganzen Winter über kaum Sozialkontakte hatten, mit rangniedrigen Jungpferden zusammengestellt werden, ohne dass es die Pferdehalter kümmert. Hinzu kommt menschlichen Fehlverhalten, wie zum Beispiel das Füttern einzelner Pferde auf der Weide oder das Zurücklassen eines Tieres allein auf der Tagesweide. Es gibt die Situation, in der eine Person fünf Pferde durch ein enges Weidetor führt und die zum Stall drängenden Pferde in der Toröffnung miteinander rangeln. Verletzungen sind dabei an der Tagesordnung. Viele Pferdehalter oder Weide-Eigentümer halten es nicht für notwendig, eine erforderliche Anzahl von Führpersonen zu stellen, die die Pferde geordnet von der Weide in den Stall bringen. Hier hilft eine spezielle Weideordnung mit klarer Regulierung, die jedem Einsteller vor Beginn der Weidesaison ausgehändigt wird und deren Kenntnisnahme der Pferdehalter durch seine Unterschrift dokumentiert.

Wie ist die Rechtslage, wenn das eigene Pferd auf einer fremden Weide beispielsweise durch eine unzureichende Umzäunung verletzt wird?

Grundsätzlich haftet der Weideinhaber dafür, dass das ihm anvertraute Pferd unversehrt bleibt. Die dabei von dem Weide-Eigentümer zu beachtenden Obhut- und Sorgfaltspflichten richten sich jedoch nach den Vereinbarungen der Parteien:

  • Handelt es sich um eine Überlassung der Koppel aus Gefälligkeit und es wird hierfür vom Weide-Eigentümer kein Pensionsgeld erhoben? In diesem Fall haftet er nur im Rahmen der eigenüblichen Sorgfalt, das heißt der Eigentümer des Pferdes kann nicht erwarten, dass der Weideinhaber den fremden Pferden mehr Aufmerksamkeit widmet, als er in eigene Sachen aufwendet.

  • Besteht zwischen den Parteien ein Weidepensionsvertrag? Welche Sorgfaltspflichten für die Weideabgrenzung zu beachten sind richtet sich nach den Absprachen der Parteien sowie den Umständen des Einzelfalles.

In beiden Fällen aber gilt, dass die Einzäunung des für die Pferdehaltung vorgesehenen Weidelandes in einem ordnungsgemäßen und funktionsfähigen Zustand sein muss. Hat der Pferdehalter Mängel entdeckt, muss er Nachbesserung bis zur Wiederherstellung vereinbarten Zustandes verlangen oder aber auf die vorliegenden Umstände der Weidehaltung verzichten. Hat der Pferdehalter die ihm angebotene Art der Weidesicherung —beispielsweise durch Stacheldraht, Strohbänder, niedergetretene Zäune — zur Kenntnis genommen und ohne eine Mängelrüge akzeptiert, wird man ihm im Schadenfall ein Mitverschulden gemäß § 254 BGB anrechnen müssen, das sogar zum vollständigen Ausschluss seines Schadensersatzanspruches führen kann. Grundsätzlich gilt daher, dass ein Pferdehalter die Umzäunung der Weide, für die der Vertrag abgeschlossen werden soll, in Augenschein nehmen und überprüfen muss, ob alles intakt ist.

Kann die Haftung ausgeschlossen werden?

Oft findet sich in den Pensionsverträgen die auch den Weidegang der Pferde regeln ein Haftungsausschluss des Betreibers: Damit möchten die Stallinhaber eine weitestgehende Haftungsminderung sicherstellen. Solche Haftungsbegrenzungen aber sind, wenn sie durch Formularverträge vorgenommen werden, insbesondere durch das Gesetz zur Regelung der allgemeinen Geschäftsbedingungen nur bedingt vertretbar. Hierbei ist zu beachten, dass ein Haftungsausschluss des Stallinhabers bei vorsätzlichem oder grob fahrlässigen Verhalten nicht greift. Eine eingeschränkte Haftung kann ausschließlich für Fälle leichter und allgemeiner Fahrlässigkeit im Einstellungsvertrag vorgenommen werden.