Reingelegt - Macht Berufung Sinn?

14. April 2002 Thema abonnieren
 Von 
Thea
Status:
Frischling
(7 Beiträge, 3x hilfreich)
Reingelegt - Macht Berufung Sinn?

Guten Tag,

mein Problem ist folgendes:
Ein Unschuldiger ist wegen Fahrerflucht verurteilt worden. Er soll ein parkendes Fahrzeug beschädigt haben. Einen Zeugen für den Hergang gibt es natürlich. Tatsächlich war der Beschuldigte auch zur betreffenden Zeit am betreffenden Ort, hat aber keinen Unfall verursacht; leider aber keine Zeugen.
Der Schaden am gegnerischen PKW wurde natürlich sofort behoben, so dass davon nur die Fotos der Reparaturwerkstatt vorliegen. Die Staatsanwaltschaft gab ein Gutachten in Auftrag, ob der Schaden auf eine Kollission der beiden Fahrzeuge zurückzuführen sei bzw. ob dies auszuschließen ist. Der Gutachter bejahte nach eher oberflächlicher Betrachtung die Möglichkeit eines solchen Unfalls.
Ein Gegengutachten, das sehr gründlich und auf Basis eines nachgestellten Unfalls angefertigt wurde, schlussfolgterte das Gegenteil. Dieses Gutachten wurde nicht als Beweismittel zugelassen.
Im Ergebnis der Hauptverhandlung sah das Gericht die Zeugenaussage des Beobachters wegen mangelnden persönlichen Interesses an einer Falschbelastung als glaubwürdig an. Diese Aussage sei bestätigt durch das Kann-Gutachten des Sachverständigen.
Der Angeklagte wurde nun über seine Tat unterrichtet und zu Führerscheinentzug, Geldstrafe usw. verurteilt.
Was hätte man tun können, um die Unschuld des Angeklagten zu beweisen, ohne einen Zeugen zu erfinden?
Alles in allem wäre die Strafe gerechtfertigt, wenn man die Tat tatsächlich begangen hätte. Doch die Verletzung der menschlichen Würde, die Machtlosigkeit gegenüber der Unverfrorenheit anderer Mitmenschen ist kaum zu ertragen. Den Zeugen ging es sicher nur darum, den selbst verursachten Schaden von der Versicherung eines Unbeteiligten beheben zu lassen. Die Folgen (auch in finanzieller Hinsicht), die dies für den zu unrecht Angezeigten haben wird, sind bei solchem Eingennutz völlig irrelevant.
Eine Berufung würde aus meiner Sicht nur Sinn machen, wenn sie zur völligen Rehabilitierung des Verurteilten führen würde. Kann man darauf überhaupt hoffen, so wie sich die Lage darstellt?

Gruß Thea

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4 Antworten
Sortierung:
#1
 Von 
Scharnhorst
Status:
Praktikant
(827 Beiträge, 127x hilfreich)

Mal abgesehen davon, daß es um den oftmals wichtigen Führerschein geht, scheint mir eine Durchführung der Berufung nur sinnvoll zu sein, sofern ein neuer Gutachter zum Zuge käme oder der Zeuge in seiner Glaubwürdigkeit erschüttert werden könnte.

Wieso ist das Gegengutachten nicht berücksichtigt worden? Waren Sie anwaltlich vertreten? Ist ein entsprechender Beweisantrag gestellt worden?
Ist in Erfahrung gebracht worden, ob der "Zeuge" über ein potentiell unfallverursachendes Kfz. verfügt?

Wie hoch war der Schaden? Hätte man nicht hilfsweise argumentieren können, das der Unfall weder akustisch, noch optisch oder taktil (Bewegungsenergie) zu bemerken war?

Im Falle eines Freispruchs wäre eine vollständige Rehabilitierung gegeben. Bei einer Einstellung bliebe zumindest der Führerschein erhalten.

Mit freundlichen Grüßen

Scharnhorst
Rechtsanwalt

2x Hilfreiche Antwort

#2
 Von 
Thea
Status:
Frischling
(7 Beiträge, 3x hilfreich)

Sehr geehrter Herr Scharnhorst,

vielen Dank für Ihre Antwort. Ja wir sind anwaltlich vertreten.

Bis zu dem Berufungsverfahren würde sicher mehr Zeit vergehen, als der eigentliche Führerscheinentzug laut Strafmaß anhält bzw. ein neuer Führeschein nicht ausgestellt werden darf. Wie verhält es sich im Falle der Berufung? Bleibt der Führerschein weiter vorläufig entzogen oder wird er inzwischen wiedererteilt?

Sind an die Wiedererlangung des Führerscheins Bedingungen geknüpft?

Da der Führerschein bereits im Vorfeld wegen dringendem Verdacht entzogen worden war, wurde das Gegengutachten im Rahmen einer Beschwerde (zur Wiedererteilung des Führerscheins) eingebracht. Die Beschwerde wurde vom Landgericht abgelehnt mit der Begründung, dass es allein nicht die Unschuld des Angeklagten beweisen könne.

Der Beweisantrag wurde gestellt und wurde bis zur Verhandlung nicht beantwortet. Einem Befangenheitsantrag gegen den bisherigen Gutachter wurde nicht entsprochen.

Der Schaden wurde als erheblich eingestuft (ca. 1750€)

Der Zeuge sagte aus, dass er den Unfall nicht hörte, sondern zufällig sah, wie das gegnerische Kfz "wackelte". Sein eigenes Kfz ist nicht bekannt. Der Schaden stammt laut Gegengutachten wahrscheinlich auch nicht von einem Kfz.

Hat man denn überhaupt eine Chance, dass ein neuer Gutachter zum Zuge kommt? Müsste das dann ein dritter sein oder könnte man das schon erstellte Gutachten verwenden?

Mit freundlichen Grüßen
Thea

1x Hilfreiche Antwort

#3
 Von 
Scharnhorst
Status:
Praktikant
(827 Beiträge, 127x hilfreich)

Na ja. daß hört sich jedenfalls nicht so an, als wenn der Kollege völlig untätig war.

Das mit der Verfahrensdauer ist sicherlich nicht von der Hand zu weisen, wobei sich die Berufungskammern schon um zeitnahe Termine bemühen. Faktisch jedoch ist zumindest eine Verlängerung der erstinstanzlichen Sperfrist auf diesem Wege denkbar. Der Führerschein jedenfalls bleibt vorläufig beschlagnahmt.
Ob an die Wiedererteilung Bedingungen geknüpft sind, hängt von der gesamten Entzugsdauer ab. Der Führerschein muß jedenfalls neu beantragt werden mit Sehtest, Erste Hilfe und neuem Foto. Nach einer Sperrfrist von 2 Jahren muß sogar erneut die Fahrschule besucht werden. Frühestens drei Monate vor Ablauf der Sperrfrist kann bei der Führerscheinstelle eine Neuerteilung beantragt werden.

Das mit dem Beweisantrag klingt merkwürdig. Normalerweise muß vor Ende der Beweisaufnahme (vor den Plädoyers) über Beweisanträge entschieden werden, es sei denn es handelt sich um sogenannte Hilfsbeweisanträge, über letzgenannte wird gegebenenfalls im Urteil befunden.

Generell kann man dem Gericht nicht vorgeben, ob ein erneutes Gutachten einzuholen ist. Allerdings kann man die Begründung des Beweisantrags so halten, daß es dem Gericht zumindest sehr schwer fallen dürfte. diesem nicht nachzugehen.

Mit freundlichen Grüßen

Scharnhorst
Rechtsanwalt

1x Hilfreiche Antwort

#4
 Von 
Thea
Status:
Frischling
(7 Beiträge, 3x hilfreich)

Nochmals Danke für Ihre Antwort.

Nein, völlig untätig war der Kollege wirklich nicht..

Die Information mit der Wiedererlangung des Führerscheins ist sehr wichtig für die Entscheidung, ob Berufung oder nicht. Das Gericht verhängte eine eher kurze Sperrfrist, so dass das Berufungsverfahren nach
Aussage des Anwalts auf alle Fälle später stattfinden würde. Man würde sich also mit der Berufung noch länger von seinem Führerschein trennen und könnte dann doch noch verlieren.

Das mit dem Beweisantrag habe ich auch nicht ganz verstanden. So wie ich das beobachtet habe, lag das Gegengutachten zwar dem Gericht, nicht aber dem Staatsanwalt vor. Ich glaube der Verteidiger hat zum Schluss (in erster Instanz) verzichtet, weil der gegn. Sachverständige nur seine Kannaussage bestätigte und die Zeugen sich genügend wiedersprochen hatten. Von einem Hilfsantrag habe ich nichts gehört.

Das Urteil zur Fahrerflucht, die Geldstrafe und die mit der ganzen Sache verbundenen Kosten tun ungemein weh, aber ich denke, das Risiko, noch einen Prozess zu verlieren und damit trotzdem den gleichen Status zu behalten, ist da und würde dies alles nur noch verschlimmern.

Gruß Thea

1x Hilfreiche Antwort

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