Rechtsrat bei sexuellem Missbrauch von Kindern nach § 176 StGB

Mehr zum Thema: Strafrecht, sexueller Missbrauch, Kinder, Handlungen, Strafen, Tat, Täter, Entwicklung
4,5 von 5 Sterne
Bewerten mit: 5 Sterne 4 Sterne 3 Sterne 2 Sterne 1 Stern
2

Die verschiedene strafbaren Handlungen und Strafen abhängig von der Schwere der Tat

Rechtsrat bei sexuellem Missbrauch von Kindern nach § 176 StGB

Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern, § 176a StGB

Sinn und Zweck der Strafbarkeit des sexuellen Missbrauchs von Kindern ist die ungestörte sexuelle Entwicklung von Personen unter 14 Jahren, also 13 Jahre und jünger. Bei Taten am 14. Geburtstag ist die Vorschrift nicht mehr einschlägig. Allerdings kommt bei Personen, die 14 Jahre und älter sind ggf. eine Strafbarkeit wegen sexuellen Missbrauchs Jugendlicher in Betracht. Täter kann ein Mann oder eine Frau sein, ebenso ist das Geschlecht des Kindes ohne Bedeutung. Erfasst sind sowohl hetero- als auch homosexuelle Handlungen.

Der sexuelle Missbrauch von Kindern gliedert sich in verschiedene strafbare Handlungen

Strafbar ist,

  1. wer sexuelle Handlungen an Kindern vornimmt
  2. wer sexuelle Handlungen an sich von einem Kind vornehmen lässt
  3. wer ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einem Dritten vornimmt (oder von einem Dritten an sich vornehmen lässt).
  4. wer sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt,
  5. wer ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen (an sich) vornimmt,
  6. wer auf ein Kind durch Schriften einwirkt, um es zu sexuellen Handlungen zu bringen
  7. wer auf ein Kind durch Vorzeigen pornographischer Abbildungen oder Darstellungen, durch Abspielen von Tonträgern pornographischen Inhalts oder durch entsprechende Reden einwirkt
  8. wer ein Kind für eine der o.g. Taten anbietet oder wer sich mit einem anderen zu einer solchen Tat verabredet.
  1. Strafbar (mit Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis 10 Jahren) ist zunächst die Vornahme sexueller Handlungen „an" einem Kind. Der Täter muss also eine sexuelle Handlung mit unmittelbarem Körperkontakt an einem Kind vornehmen, es also selbst körperlich berühren. (Wobei dies auch dann gegeben ist, wenn der Täter auf den nackten Körper des Kindes ejakuliert).

Beispiel: Streicheln der Genitalien eines Kindes, Küssen mit der Zunge

  1. Strafbar (mit Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis 10 Jahren) ist es auch, wenn der Täter sexuelle Handlungen von einem Kind „an" sich vornehmen lässt. Hier muss die Handlung des Kindes die Merkmale einer sexuellen Handlung erfüllen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Kind die Sexualbezogenheit erkennt. Diese Variante trifft aber nur auf den Fall zu, dass der Täter weitgehend bewegungslos die sexuelle Berührung des Kindes an sich hinnimmt (Ansonsten ist es bereits sexueller Missbrauch wegen sexueller Handlungen an einem Kind). Allerdings reicht eine rein passive Duldung nicht aus. Selbst wenn die Initiative zum Sexualkontakt vom Kind ausgeht, ist dies strafbar. Das Kind braucht sich aber auch hier der sexuellen Bedeutung seines Handelns nicht bewusst zu sein.

Beispiel: Das Kind soll den Täter im Intimbereich streicheln

  1. Die dritte Variante und zugleich eine (in Deutschland) eher seltene Form des sexuellen Missbrauchs von Kindern betrifft die Fälle, in denen der Täter das Kind z.B. durch Überredung, Versprechen von Geschenken, Drohung, Täuschung, Wecken von Neugier zu sexuellen Handlungen mit Körperkontakt zu Dritten bestimmt.

Beispiel: Der Täter weist das Kind an, eine dritte Person im Intimbereich zu streicheln

  1. Bestraft – wenn auch nach einem gegenüber den o.g. Varianten milderen Strafrahmen mit 3 Monaten bis zu 5 Jahren – werden sexuelle Handlungen, die zwar nicht zu einem unmittelbaren Körperkontakt mit dem Kind führen, aber „vor" dem Kind, d.h. an dem Täter selbst oder an einem Dritten vorgenommen werden. Dabei genügt es, dass das Kind den äußeren Geschehensablauf sinnlich wahrnimmt, ohne dass eine Vorstellung von der sexuellen Bedeutung hinzukommen muss. Wichtig zu wissen ist hierbei, dass es keiner räumlichen Nähe des Kindes zum Täter bedarf, so dass die Wahrnehmung im Rahmen von Simultanübertragungen per Internet oder sogar via Telefon genügt. Erfasst werden ferner durch den Täter veranlasste akustische oder optische Aufzeichnungen (etwa auf Ton- oder Videoband) sowie Internetübertragungen der sexuellen Handlungen, einschließlich des Posierens. Nach der jetzigen Gesetzesfassung erfüllt jedwede sexuelle Handlung, die jemand an sich oder Dritten vornimmt und die ein Kind beobachtet, den Tatbestand. Die Absicht, sich sexuell zu erregen, muss der Täter nicht mehr haben. Doch ist es erforderlich, dass der Täter das Kind in der Weise in das sexuelle Geschehen einbezieht, dass für ihn gerade die Wahrnehmung durch das Kind von Bedeutung ist. Auch exhibitionistische Handlungen, die das Kind lediglich wahrnimmt, fallen daher unter den Tatbestand. Die bloß gleichgültige Hinnahme der – möglicherweise unerwünschten – Anwesenheit des Kindes genügt nicht. Auch macht sich nicht strafbar, wer – ohne selbst aktiv zu sein – sexuelle Handlungen eines Dritten passiv an sich vor einem Kind vornehmen lässt, selbst wenn ihn die Anwesenheit des Kindes zusätzlich sexuell erregt. Zur Vermeidung von Überkriminalisierungen und Erfassung sozialadäquater Handlungen fordert die höchstrichterliche Rechtsprechung jedoch eine einschränkende Auslegung.

Beispiel: Zeigen der Geschlechtsteile im öffentlichen Park vor einem Kind, Onanieren im Schwimmbad vor Kindern

  1. Unter Strafe (3 Monate bis zu 5 Jahre Freiheitsstrafe) steht auch das Bestimmen eines Kindes, sexuelle Handlungen an sich vorzunehmen (also ohne dass es zu einer körperlichen Berührungen am Täter oder an einem Dritten kommt, da sonst schon oben unter Strafe). Allerdings muss das Kind die sexuelle Handlung nicht mit Berühren des eigenen Körpers vollziehen. Erfasst wird demnach auch der Fall, dass ein Kind veranlasst wird, eine obszöne Stellung einzunehmen oder das Geschlechtsteil zu entblößen. Auch hier muss das Kind die sexuelle Handlung als solche aber nicht für sich (geistig) erfassen. Wie oben gezeigt gilt jedoch auch hier: Sind die Handlungen – wie z.B. Baden oder Duschen – objektiv nicht sexualbezogen, sondern werden vom Täter nur als solche verstanden, so genügt dies nicht. Aber Achtung: Nicht vorausgesetzt ist, dass der Täter oder ein Dritter die sexuelle Handlung wahrnimmt. Der Gesetzgeber wollte damit auch Fälle erfassen, in denen der Täter sich nicht in räumlicher Nähe zu dem Kind befindet, sondern dieses z.B. über Telefon zur sexuellen Handlung veranlasst!

Beispiel: Der Täter bittet das Kind, die Beine zu spreizen

  1. Ebenfalls als Straftat erfasst ist das Einwirken auf ein Kind durch Schriften. Gemeint ist z.B. durch E-Mails oder SMS das Kind dazu zu bringen sexuellen Handlungen, (in der Zukunft irgendwann) an oder vor dem Täter oder einem Dritten vorzunehmen oder von dem Täter oder einem Dritten an sich vornehmen zulassen. Tatsächliche sexuelle Handlungen sind nicht erforderlich. Das bedeutet, bereits die bloße Vorbereitungshandlung eines sexuellen Missbrauchs ist strafbar. Es ist nicht notwendig, dass es bereits zu irgendeiner sexuellen Handlung gekommen ist und völlig unabhängig davon, ob es in der Folge dann auch wirklich zu irgendwelchen sexuellen Handlungen kommt! Der Gesetzgeber sah sich hierzu durch die Verabredungen von Internetnutzern mit Kindern zu sexuellen Begegnungen in so genannten Chatrooms veranlasst. Er geht davon aus, dass Chatrooms und ähnliche Einrichtungen (z.B. WhatsApp) für interessierte Personen ein weltweites Forum zur Planung und Verabredung einschlägiger Straftaten bilden. Zudem wird auf die kriminalpolizeiliche Praxis verwiesen, die die Auffassung vertrete, solche Vorbereitungshandlungen, bei denen pädophile Personen Kontakte für sexuellen Missbrauch von Kindern knüpften, strafrechtlich nicht hinreichend erfasst werden könnten.

    Erforderlich ist zunächst, dass der Täter mit einer Schrift auf ein Kind einwirkt. Erfasst werden sollen alle Schriften, also auch Ton- und Bildträger, Datenspeicher und andere Darstellungen – wie etwa CD-R oder DVD. Den Tatbestand verwirklicht demnach auch, wer unter Verwendung des Arbeitsspeichers des Rechners in Chatrooms verkehrt oder E-mails versendet. Im Gegensatz zu den oben genannten Fällen müssen die Schriften weder einen pornografischen Inhalt noch überhaupt einen Sexualbezug aufweisen; auch Comics, Krimis, Starschnitte von Schauspielern oder Popstars, Hörspiele usw. fallen unter die Vorschrift. Erfasst werden soll auch das Einwirken mithilfe von Schriften, bei denen Kinder durch „Tricks" oder „Verführungskünste" zu Treffen verleitet werden. Der Täter muss dabei auf ein „konkretes" Kind einwirken. Bloß verbale Überredungen oder Verabredungen genügen hingegen selbst dann nicht, wenn diese besonders intensiv sind und einen eindeutigen Sexualbezug aufweisen.

    Die Vorschrift ist insoweit sehr kritisch zu hinterfragen und daher eng auszulegen. Selbst entsprechende Vorbereitungshandlungen eines Einzeltäters zu schwereren Straftaten, etwa einem Mord, sind straflos, genauso wie die intensive Einwirkungen auf das Kind durch Geschenke straflos ist.

    Das Einwirken setzt daher eine Handlung voraus, die zur Wahrnehmung der Schrift durch das Kind führt. Das Einwirken muss dabei subjektiv in der Absicht geschehen, das Kind zu sexuellen Handlungen zu bringen, die es

    • an dem Täter
    • vor dem Täter
    • vor einem Dritten

    vornimmt oder

    • von dem Täter
    • von einem Dritten

    an sich vornehmen lässt.

    Für die Absicht des Dazu-Bringens genügt es, dass es Ziel des Täters ist, die sexuellen Handlungen in irgendeiner Art und Weise später herbeizuführen. Nicht erforderlich ist, dass dies durch Überredung, Täuschung oder Drohung geschehen soll.

    Nach Vorstellung des Gesetzgebers muss der Täter an den sexuellen Handlungen ferner ein Interesse haben. Nicht erfasst werden sollen demnach Fälle, in denen in Büchern, im Internet oder in Chatrooms auf Kinder eingegangen wird, „um sie darin zu unterstützen, ein positives Gefühl zu ihrem Körper und zu ihrer Sexualität zu entwickeln". Wie der Gesetzgeber damit eine praktikable Ausklammerung sozialadäquater Verhaltensweisen aus dem Tatbestand erreichen wollte, bleibt völlig unklar.

Beispiel: Schreiben über WhatsApp, Facebook oder andere Chaträume mit Kindern, um sie zu sexuellen Handlungen zu bringen (die aber nicht stattfinden müssen – allein der Versuch hierzu reicht bereits aus!)

  1. Auch das Einwirken auf das Kind durch Vorzeigen pornografischer Abbildungen oder Darstellungen sowie durch Abspielen von Tonträgern pornografischen Inhalts ist sexueller Missbrauch. Es genügt hier jede Art der Pornografie, nicht nur die sog. harte Pornografie. Die bloße Möglichkeit der Wahrnehmung genügt nicht. Ein flüchtiges Vorzeigen, kurzes Abspielen und kurze oberflächliche Reden genügen nicht.

Beispiel: Gemeinsames Pornofilm gucken

  1. Auch der Fall, dass jemand ein Kind für eine der o.g. Taten anbietet oder sich mit einem anderen zu einer solchen Tat verabredet, ist strafbar. Hierzu kann aber auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.

Wissen und Wollen des Täters um die sexuell erhebliche Handlung

Allerdings ist für jede Form der Strafbarkeit immer ein Vorsatz des Täters nötig. Zwar ist eine gezielte Absicht nicht erforderlich, sodass es keine Rolle spielt, ob der Täter sich durch die Handlung sexuell erregen oder befriedigen will oder ob er aus anderen Motiven handelt. Mögliche Gründe können etwa Gewinnstreben, sadistisches Vergnügen oder Demütigung einer anderen Person sein, sodass auch moralisch neutrale Beweggründe wie künstlerische Zwecke oder Scherze die Einstufung als sexuelle Handlung nicht aufheben. Allerdings muss dem Täter die sexuelle Bedeutung seines Tuns bewusst sein! Der Täter muss die sexuelle Bedeutung seines Tuns zumindest für möglich halten und in Kauf nehmen. Daher scheidet der Vorsatz nur unter ungewöhnlichen Umständen aus, etwa wenn der Täter beim Körperkontakt erkennt, um welche Körperteile es sich handelt. Nicht entscheidend ist, ob der Täter, der z.B. die Vagina einer Frau betastet, um dort verstecktes Geld zu suchen, dies selbst explizit als sexuelle Handlung einstuft.

Erforderlich ist die Kenntnis vom Alter des Kindes (also 13 Jahre und jünger). Andernfalls kann die Vorschrift des sexuellen Missbrauchs Jugendlicher anwendbar sein. Strafbar ist auch, wem das Alter unbekannt, aber auch gleichgültig war. Voraussetzung ist jedoch, dass der Täter die Möglichkeit, das Kind sei unter 14 Jahre alt, nicht ausschließt. Er muss deshalb an diese Möglichkeit gedacht haben. Hat er sich über das Alter des Kindes überhaupt keine Gedanken gemacht, so liegt auch kein bedingter Vorsatz vor. Allein aus dem Umstand, dass er das Opfer längere Zeit kennt, kann nicht auf Vorsatz geschlossen werden. Es müssen vielmehr auch körperliche Entwicklung und Erscheinungsbild zum Zeitpunkt der Tat ermittelt werden. Glaubt der Täter irrtümlich, das Kind sei noch nicht 14 Jahre alt, obwohl es schon älter ist, so liegt hierin ein strafbarer Versuch vor. Eine besondere Erregungsabsicht ist nicht erforderlich. Es kommt also nicht darauf an, ob der Täter mit seiner Tat ein bestimmtes sexuelles Interesse des Kindes auslösen wollte. Jedoch wird dadurch die Abgrenzung von sozialadäquaten zu strafbaren Verhaltensweisen erschwert.

Strafe:

Wie oben bereits geschildert, fällt die Strafzumessung der Gerichte vergleichsweise hoch aus. Dabei gilt jedoch zu beachten, bei der Strafzumessung wirkt sich ein geringer Unrechts- und Schuldgehalt strafmildernd aus. Dies ist z.B. der Fall bei Verführung durch geschlechtserfahrene Kinder, bei partnerschaftlichen Liebesbeziehungen ganz junger Menschen etc....

Ein wesentlicher Faktor bei der Strafzumessung ist das Ausmaß des Erfolgsunrechts. Maßgeblich hierfür ist vor allem das Gewicht der sexuellen Handlung (z.B. erniedrigende Sexualpraktiken) oder wenn die sexuelle Handlung für das Opfer mit Schmerzen verbunden war. So kann etwa die konkrete Gefahr psychischer oder physischer Schäden bzw. ihr Eintritt straferschwerend gewertet werden, nicht jedoch die abstrakte Möglichkeit schädlicher Folgen. Umgekehrt soll sich das Ausbleiben von Entwicklungsstörungen oder seelischen Schäden strafmildernd auswirken. Auch wenn die Tat schon lange zurückliegt, wirkt sich das strafmildernd aus.

Strafschärfend ist ferner zu berücksichtigen, wenn das Opfer infolge der Tat – nicht dagegen aufgrund des bloßen Bestreitens des Vorwurfs – in familiäre und soziale Isolation geraten ist. Das Leugnen der Tat bedeutet selbst dann keine schärfere Strafe, wenn das Opfer mehrmals vernommen werden muss und dadurch besonders belastet wird. Andererseits wird in der Praxis zu Recht ein Geständnis strafmildernd gewertet, wenn und weil es dem Opfer eine erneut traumatisierende Zeugenvernehmung vor Gericht erspart. Unbeachtlich ist dagegen, ob das Kind Opfer einer homosexuellen Handlung geworden ist. Aus der wiederholten Tatbegehung gegen dasselbe Opfer folgt nicht generell eine Strafschärfung. Diesem Umstand muss ohnehin bei der Bildung der Gesamtstrafe Rechnung getragen werden. Es ist jedoch unzutreffend, hieraus eine strafmildernde Gewöhnung des Opfers oder geringere Schuld abzuleiten. Im Übrigen setzt die Berücksichtigung weiterer sexueller Übergriffe ihre prozessordnungsgemäße und konkrete Feststellung voraus; ein bloßer Verdacht genügt – auch – im Rahmen einer Tatserie nicht. Das Alter des Kindes kann sich strafschärfend auswirken, wenn es eine besondere Belastung durch die Tat zur Folge hat. Strafschärfend ist auch, wenn der Täter eine Vertrauensstellung verletzt hat. Der Handlungsunwert ist auch erhöht, wenn der Täter Nötigungsmittel eingesetzt hat. Unzulässig ist eine Strafschärfung mit der Erwägung, dass das Kind dem Täter keinen „nachvollziehbaren Anlass" zur Tat gegeben hat, dass der Täter zu nachtschlafender Zeit eine Befriedigung seiner egoistischen sexuellen Bedürfnisse gesucht hat, dass die Sicherheit der Allgemeinheit oder die hohe Dunkelziffer aus generalpräventiven Gründen eine höhere Strafe erfordern.

Strafmildernd wirkt sich aus, wenn die sexuelle Handlung die Erheblichkeitsschwelle nur geringfügig überschreitet. Irrelevant ist es dagegen, dass der Täter keine Gewalt angewendet hat. Unrecht und Schuld wiegen ferner geringer in der Konstellation eines verminderten psychosozialen Gefälles zwischen Opfer und Täter. So kann es sich zwar grundsätzlich nicht auf die Strafhöhe auswirken, wenn die Initiative zum Sexualkontakt vom Kind ausgeht, denn darin liegt gerade kein Ausdruck rechtlich relevanter Selbstbestimmung. Anders ist es dann, wenn ein kurz vor Vollendung des 14. Lebensjahres stehendes, bereits sexuell erfahrenes Opfer einem wenig älteren Täter entgegenkommt. Aus demselben Grund rechtfertigt eine partnerschaftliche Liebesbeziehung eines Kindes knapp unterhalb der Schutzaltersgrenze mit einem heranwachsenden Täter regelmäßig eine mildere Strafe. Daneben berücksichtigt die Praxis einschlägige sexuelle Erfahrungen bei älteren Kindern als strafmildernd.

Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern

Der schwere sexuelle Missbrauch von Kindern wird mit Freiheitsstrafe von bis zu 15 Jahren bestraft. Diese können in den seltensten Fällen noch zur Bewährung ausgesetzt werden (Mindestmaß der Freiheitsstrafe liegt im Regelfall über der Möglichkeit überhaupt zur Bewährung aussetzen zu können) und richtet sich zum einen an Wiederholungstäter und zum anderen an Sexualhandlungen die mit dem Eindringen in den Körper des Kindes oder einer schweren Gesundheitsschädigung (auch psychischer) Art verbunden sind.

Als schwerer sexueller Missbrauch (mit bis zu 15 Jahren Haft) strafbar ist daher:

1. wenn der Täter innerhalb der letzten fünf Jahre wegen eines (einfachen) sexuellen Missbrauchs bereits rechtskräftig verurteilt worden ist,

2. wenn eine Person über achtzehn Jahren mit dem Kind den Beischlaf vollzieht oder ähnliche sexuelle Handlungen an ihm vornimmt oder an sich von ihm vornehmen lässt, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind,

3. die sexuelle Handlung von mehreren gemeinschaftlich begangen wird,

4. wenn das Kind durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung oder einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung gebracht wird.

Zu 1. Es handelt sich um eine Rückfallvorschrift für Täter, die innerhalb der letzten fünf Jahre schon einmal wegen eines sexuellen Missbrauchs rechtskräftig verurteilt wurden.

Diese Vorschrift ist aber nur anwendbar, wenn die frühere Verurteilung keine Warnung für den Täter dargestellt hat und ihm dies vorgeworfen werden kann. Es bedarf dazu einer Einzelfallfeststellung.

Dabei sind im Rahmen einer Gesamtwürdigung auch psychische Faktoren, charakterliche Eigenschaften des Angeklagten und dessen Lebensumstände einzubeziehen. Der Schuldvorwurf kann im konkreten Fall fehlen. Grund kann sein, weil der Täter wegen verminderter Schuldfähigkeit nicht fähig ist, die von der früheren Verurteilung ausgehende Warnung zu verstehen und sich nach ihr zu richten, oder weil sonstige Umstände einen kriminologischen Zusammenhang zwischen den Taten zweifelhaft erscheinen lassen. Im Übrigen muss die Dauer des Zeitraums sowie der Zusammenhang zwischen den Taten jeweils näher geprüft werden. Die vom Gesetzgeber vorausgesetzte erhebliche Erhöhung des Schuldgehalts muss tatsächlich vorliegen. Ist dies nicht der Fall, könnte stattdessen von einem minder schweren Fall nach Abs. 4 auszugehen sein.

Zu 2. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass der Täterkreis auf Personen über achtzehn Jahre beschränkt ist. Insbesondere jugendliche Täter mit sexuellen Beziehungen zu noch nicht Vierzehnjährigen können sich nur des einfachen sexuellen Missbrauchs strafbar machen.

Für alle über 18-Jährigen besteht die Tathandlung im Vollziehen des Beischlafs oder in ähnlichen sexuellen Handlungen, die mit dem Eindringen in den Körper verbunden sind. Auf das Geschlecht von Täter und Opfer kommt es dabei nicht an; erfasst sind heterosexuelle und homosexuelle Kontakte. Ein Beischlaf liegt allerdings noch nicht vor, wenn der Täter lediglich in den Scheidenvorhof eindringt; die Gesetzesbegründung geht insoweit nämlich davon aus, dass in solchen Fällen („bei Manipulationen im äußeren Genitalbereich, etwa am Scheidenvorhof") ein besonders schwerer Fall des einfachen sexuellen Missbrauchs verwirklicht ist.

Sonstiges Eindringen in den Körper, meint dabei insbesondere die orale und anale Penetration mit dem männlichen Geschlechtsorgan, aber auch das Eindringen mit anderen Körperteilen oder das Einführen von Gegenständen.

Auch teilweises Eindringen genügt. Ebenfalls ausreichend ist es, wenn ohne orale Penetration Sperma durch Ejakulieren in den Mund des Opfers gelangt.

Ein Handeln gegen den Willen des Opfers ist nicht erforderlich. Die sexuelle Handlung muss aber dem Vollzug des Beischlafs ähnlich sein, d.h. eine entsprechende Erheblichkeit aufweisen, was bei der Ejakulation in den Mund des Opfers der Fall ist. Ein Zungenkuss genügt dafür hingegen nicht und auch beim Einführen von Gegenständen in den Mund ist eine sorgfältige Prüfung geboten, ob diese Schwelle erreicht wird.

Weiterhin ist erforderlich, dass der Täter die sexuelle Handlung an dem Kind vornimmt (vgl. § 184g RN 18) oder von diesem an sich vornehmen lässt (vgl. § 184g RN 19); erfasst sind daher sowohl das Eindringen des Täters in den Körper des Kindes als auch das Eindringen des Kindes in den Körper des Täters.

Zu 3. Als schwerer sexueller Missbrauch strafbar ist auch die gemeinschaftliche Begehung eines einfachen sexuellen Missbrauchs von mehreren.

Erforderlich ist, dass mindestens zwei Personen als Mittäter zusammenwirken. Auf das Alter der Täter kommt es hierbei aber nicht an, sodass die Tat z.B. auch von einem 15-Jährigen begangen werden kann, der mit einem 13-Jährigen mittäterschaftlich zusammenwirkt.

Zu 4. Hier werden Fälle erfasst, in denen der Täter das Kind durch die Tat in die konkrete Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung oder einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung bringt.

Bei der Gefahr einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung ist zu beachten, dass die generelle Möglichkeit einer solchen Schädigung schon beim einfachen sexuellen Missbrauch vorausgesetzt wird und deshalb eine darüber hinausgehende, auf die Tatumstände, die Persönlichkeit des Kindes und seine Lebensumstände gestützte konkrete Prognose erforderlich ist. Dafür wird regelmäßig die Beiziehung eines Sachverständigen erforderlich sein, und auch dem Grundsatz in dubio pro reo - Im Zweifel für den Angeklagten - muss angesichts der erheblichen Prognoseunsicherheiten hinreichend Rechnung getragen werden. Die Gefahr muss durch die Tat herbeigeführt worden sein. Die Gefahr einer Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung wird hingegen meistens auch auf der sexuellen Handlung beruhen. Dabei reicht es aus, dass sich die geforderte Erheblichkeit der Gefährdung erst aus dem Zusammenwirken von sexueller Handlung und zusätzlich verübter Gewalt oder aus der mehrfachen Wiederholung der Tat ergibt

Strafe für schweren sexuellen Missbrauch

Für die Bemessung der Strafe gelten die im Einzelnen mehrfach abgestuften Strafrahmen:

Beim Rückfall des Wiederholungstäters, stellt es im Rahmen der Strafzumessung eine unzulässige Doppelverwertung dar, wenn zu Lasten des Täters berücksichtigt wird, dass er „einschlägig vorbestraft" ist. Zulässig soll dies jedoch sein, wenn die Warnfunktion der Vorverurteilung vom Durchschnittsfall deutlich abweicht, weil weitere Vorverurteilungen vorliegen.

Beim Beischlaf (bzw. dem Eindringen in den Körper) kann berücksichtigt werden, dass der Täter eine gravierende Form des Missbrauchs begangen hat [Analverkehr]), wobei auch jeweils Strafmilderungen für minder schwere Fälle in Betracht kommen;

Für minder schwere Fälle beträgt der Strafrahmen lediglich drei Monate bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe und liegt damit unter der Mindeststrafe des einfachen sexuellen Missbrauchs.

Ein minder schwerer Fall, der nicht auf bestimmte Fälle beschränkt und im Wege einer Gesamtwürdigung zu ermitteln ist, kann bei Tatopfern knapp unter der Altersgrenze gegeben sein. Ferner, wenn die Erheblichkeitsschwelle des § 184g Nr. 1 nur geringfügig überschritten wird [versuchter Zungenkuss], oder wenn es sich um eine Liebesbeziehung zwischen einem jungen Erwachsenen und einem weit entwickelten, knapp unter 14 Jahre alten Mädchen handelt oder das „Eindringen" die für die „Beischlafsähnlichkeit" erforderliche Intensität gerade erreicht.

Weitere aufbereitete Informationen zu den einzelnen Opfergruppen Kinder, Jugendliche und Schutzbefohlene finden Sie unter den folgenden Links:

Rechtsrat bei sexuellem Missbrauch von Kindern, Jugendlichen und Schutzbefohlenen

Rechtsrat bei sexuellem Missbrauch von Jugendlichen

Rechtsrat bei sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen

Das könnte Sie auch interessieren
Strafrecht Rechtsrat bei sexuellem Missbrauch von Kindern, Jugendlichen und Schutzbefohlenen