Online Schlichtung - Neue Informationspflichten für Webshops

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Für Online Händler drohen neue Abmahnungen, obwohl die Online-Streitschlichtung der EU-Kommission noch gar nicht in Betrieb ist

Verbraucher sollen europaweit einen besseren Zugang zu außergerichtlichen Schlichtungsstellen haben. Online-Händler sind daher seit Anfang Januar 2016 verpflichtet, Informationen zu einem europäischen Schlichtungsportal zu veröffentlichen. Was droht Händlern, die die Informationen nicht bereit halten? Was für Folgen hat es, dass das europäische Portal erhebliche Startschwierigkeiten hat? 123recht.de im Interview mit Rechtsanwalt Robert Weber.

123recht.de: Online Händler müssen ab dem 9.1.16 neue Informationspflichten zur online Streitschlichtung erfüllen. Was ist der Hintergrund?

Robert Weber
Partner
seit 2006
Rechtsanwalt
Friedrichstr 171
10117 Berlin
Tel: 03036445774
Web: http://www.rechtsanwalt-weber.eu
E-Mail:
Kaufrecht, Mietrecht, Urheberrecht, Internet und Computerrecht, Vertragsrecht, Grundstücksrecht, Medienrecht
Preis: 99 €
Antwortet: ∅ 6 Std. Stunden

Rechtsanwalt Weber: Der Hintergrund dieser neuen Pflichten ist die EU-Verordnung Nr. 524/2013 zur Verbesserung des Verbraucherschutzes. Der Gedanke ist der, gerade grenzüberschreitende Streitigkeiten zwischen Kunde und Händler einfacher zu gestalten.

Leicht zugänglicher Link zur Schlichtungsplattform und Mailadresse

123recht.de: Was genau muss auf Webseiten eingefügt werden?

Rechtsanwalt Weber: Auf den Webseiten muss ein Link auf die Streitbeilegungsplattform und die Mailadresse hinterlegt werden. Die Plattform wird unter dieser Adresse errichtet: http://ec.europa.eu/consumers/odr/

123recht.de: An welcher Stelle sollen diese Informationen stehen?

Rechtsanwalt Weber: Die konkrete Stelle ist nicht vorgeschrieben, jedoch empfiehlt es sich, den Link im Impressum einzufügen, da da bereits die Mailadresse vorhanden sein muss. In jedem Fall muss der Link und die Mailadresse leicht zugänglich sein.

Auch eine Bestellung per Mail gilt als Online-Vertrag

123recht.de: Für welche Händler genau gilt die Informationspflicht?

Rechtsanwalt Weber: Die Pflicht gilt für alle Unternehmer, die eine Webpräsenz unterhalten. In der Pflicht sind also auch klassische Offline-Kaufläden, sobald sie eine Webseite haben.

Zwar gilt die ODR-Verordnung nur für online geschlossene Verträge, aber da bereits eine Bestellung per Mail als Online-Vertrag gilt, ist die Abgrenzung eines Offline-Händlers mitunter schwierig, so dass die Einfügung des Links einfacher ist, als eine (stressige) Abmahnung zu riskieren. Zumal der Händler auf die Nicht-Verpflichtung zur Teilnahme an dem Streitbeilegungsverfahren deutlich hinweisen muss.

Ausgenommen sind so genannte B2B-Händler, also Unternehmer, die nicht an Verbraucher verkaufen. Der B2B-Händler muss deutlich machen, dass er keinesfalls an Verbraucher verkaufen will. Auch muss er auf die Nicht-Verpflichtung zur Teilnahme an dem Streitbeilegungsverfahren deutlich hinweisen.

123recht.de: Die Plattform der EU ist noch gar nicht fertig und soll erst ab Februar in Betrieb genommen werden. Muss der Link trotzdem auf Webseiten bereits eingefügt werden?

Rechtsanwalt Weber: Ja, die Pflicht zur Linksetzung besteht. Diese unsinnige Situation resultiert daraus, dass die Kommission ihren eigenen Zeitplan für die Plattform nicht einhalten konnte.

Informationspflicht besteht, obwohl die europäische Plattform noch nicht in Betrieb ist

123recht.de: Was droht, wenn man den Link nicht auf seiner Seite hat?

Rechtsanwalt Weber: Es droht eine Abmahnung von einem Konkurrenten. Ob diese Abmahnung vor der Online-Schaltung der Plattform erfolgreich ist, ist eine spannende Frage, man sollte es aber nicht riskieren.

123recht.de: Also zur Klarstellung: Die Pflicht besteht jetzt bereits. Zwar kann die Plattform noch nicht genutzt werden, aber Abmahnungen riskiert man trotzdem, wenn man die Informationen nicht auf seiner Webseite bereit hält.

Rechtsanwalt Weber: Ja.

123recht.de: Wie wird das Schlichtungsverfahren in der Praxis ablaufen?

Rechtsanwalt Weber: Das Schlichtungsverfahren wird so ablaufen, dass der Verbraucher sich an die Online-Webseite wendet, dort ein Formular ausfüllt und die Sache dann an die jeweiligen, vom Kunden auszuwählenden nationalen Schlichtungsorgane übergeben wird. Die nationalen Schlichtungsorgane laufen unter dem Kürzel ADR. Das entsprechende deutsche Gesetz heißt Verbraucherstreitbeilegungsgesetz und befindet sich derzeit im Gesetzgebungsprozess, es wird also demnächst in Kraft treten.

Das Verfahren muss binnen 90 Tagen beendet sein, es kann bei komplexen Angelegenheiten auch verlängert werden.

"Derzeit spricht nichts gegen eine sofortige Klage vor Gericht"

123recht.de: Muss der Händler bei dem Verfahren zwingend mitmachen oder kann er sich auch querstellen und z.B. direkt nationale Gerichte anrufen?

Rechtsanwalt Weber: Die Streitbeilegungsstelle kann eine Anrufung der Gerichte für die Dauer des Verfahrens untersagen, auch kann es passieren, dass die Gerichte vor Abschluss des Verfahrens keinen Grund für gerichtlichen Rechtsschutz sehen. Derzeit spricht aber nichts gegen eine sofortige Klage vor Gericht. Zudem ist das Streitbeilegungsverfahren eher ein Verfahren, das dem Verbraucher gegen den Unternehmer zur Verfügung stehen soll, nicht anders herum.

123recht.de: Was halten Sie insgesamt davon?

Rechtsanwalt Weber: Die Kommission hatte vermutlich mal wieder Langeweile. Für Verbraucher insbesondere bei internationalen Käufen mag es vorteilhaft sein, weil die Streitbeilegung dann in ihrem Land in ihrer Sprache erfolgt. Aber, ob es tatsächlich schneller und einfacher als ein Gerichtsverfahren ist, ist zu bezweifeln, zumal der Gerichtsweg weiter offen bleibt.

123recht.de: Vielen Dank Herr Weber!

Für nähere Informationen und/oder Beratung stehe ich Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Rechtsanwalt
Robert Weber
Friedrichstr 171
10117 Berlin
Tel: 030 36 44 57 74
kontakt@rechtsanwalt-weber.eu
www.rechtsanwalt-weber.eu
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