Nutzungsausfall beim Verkehrsunfall

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Nutzungsausfallentschädigung statt Mietwagen

Ein unfallgeschädigter Autofahrer erhält während der Zeit, in der ihm sein Wagen unfallbedingt nicht zur Verfügung steht, eine Nutzungsausfallentschädigung (Nutzungsausfallschaden), soweit er keinen Mietwagen in Anspruch nimmt. Nutzungsausfall bedeutet, dass in diesem Zeitraum der eigene Pkw wegen des Verkehrsunfalls nicht genutzt werden kann.

Wer infolge eines Verkehrsunfalls während der Reparatur auf sein Fahrzeug verzichten muss, ist daher berechtigt, entweder die Kosten für einen Mietwagen oder eine Entschädigung wegen Nutzungsausfall zu beanspruchen. Allerdings trifft jeden Geschädigten eine Schadensminderungspflicht. So verlangt die Rechtsprechung, dass der durch einen Verkehrsunfall Geschädigte zum Beispiel die Mietwagentarife sorgfältig zu vergleichen hat.

Geld für Nutzungsausfall statt Mietwagen

Nicht nur die Rechtsprechung zur Pflicht, die Schadenshöhe gering zu halten, sollte für betroffene Unfallopfer eine Veranlassung darstellen, ob sie nicht mit einer Nutzungsausfallentschädigung besser dran sind als einen Mietwagen zu beanspruchen. Die Entschädigung wegen Nutzungsausfall (Nutzungsausfallschaden) wird - wie dargestellt - für die Dauer der Reparatur des Autos oder bei Totalschaden für die Zeit der Ersatzbeschaffung gezahlt. Nicht jeder braucht unbedingt jeden Tag einen Wagen.

Ein weiterer Grund spricht für die Nutzungsausfallentschädigung. Denn wenn die Schuldfrage nicht eindeutig geklärt ist, werden bei Feststellung eines Verschuldens oder Mitverschuldens die Kosten für den Mietwagen nicht oder nur teilweise von der gegnerischen Haftpflichtversicherung ersetzt. Bei einem Mitverschulden wir zumindest der entsprechende Anteil der Nutzungsausfallentschädigung von der Autoversicherung des Unfallgegners gezahlt.

Höhe der Entschädigung

Bei der Berechnung der Nutzungsausfallentschädigung wird das bei Haftpflichtversicherern und Gerichten anerkannte Tabellenwerk "Sanden-Danner / Küppersbusch" herangezogen. Darin sind sämtliche gängigen Fahrzeugtypen aufgelistet und in Gruppen mit unterschiedlichen Tagessätzen eingeteilt. Bei gewerblich genutzten Fahrzeugen ist der durch den Nutzungsausfall entstandene Schaden konkret nachzuweisen. Nach der Theorie handelt es sich dabei um einen Einnahmeverzicht und konkret um eine Gewinneinbuße. Sehr häufig wird es in der Praxis nicht zu einer nachweisbaren Gewinneinbuße kommen, weil der Ausfall des Fahrzeugs durch ein Ersatzfahrzeug ausgeglichen werden kann. In diesem Fall sind die so genannten Vorhaltekosten für die betriebliche Fahrzeugreserve zu erstatten. Die Vorhaltekosten für Pkw sind in den Nutzungsausfalltabellen von Sanden-Danner / Küppersbusch enthalten. Bei teilweise gewerblich genutzten Pkw erfolgt die pauschale Berechnung nur für den privaten Nutzungsanteil.

Keine Entschädigung für Wohnmobil

Der zeitweilige Verlust der Gebrauchsmöglichkeit eines reinen Freizeitzwecken dienenden Wohnmobils begründet keinen Anspruch auf abstrakte Nutzungsentschädigung. Nach der Rechtsprechung kann man als Geschädigter für den Nutzungsausfall eines Wohnmobils keine abstrakt berechnete Entschädigung verlangen, denn es handelt sich hierbei um einen immateriellen Schaden im Sinne des § 253 Abs. 1 BGB, für den eine gesetzliche Ersatzpflicht nicht bestimmt sei.

Zur Nutzungsausfallentschädigung nach Sanden-Danner / Küppersbusch

Grundsatz: Verzichtet der Geschädigte für die Zeit der Reparatur oder bei einem Totalschaden für die Dauer der Wiederbeschaffung eines Fahrzeugs auf die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges, so erhält er von der gegnerischen Haftpflichtversicherung eine Nutzungsausfallentschädigung. Die exakte Berechnung der Vorhaltekosten für sämtliche Kfz-Typen sind in insgesamt verschiedenen Nutzungsausfallgruppen unterteilt. Die "normale" Nutzungsausfallentschädigung greift für Pkw bis zu einem Alter von 5 Jahren. Für PKW, die älter als 5 Jahre sind, werden - aus Vereinfachungsgründen - in die nächst niedrigere Ausfallgruppe eingestuft. Bei einem Fahrzeugalter ab 10 Jahren erfolgt eine Abstufung um zwei Klassen.

Demgegenüber vertritt das Oberlandesgericht Hamm in einem älteren Urteil die Auffassung, dass allein das Alter eines Fahrzeuges keine Minderung der Nutzungsausfallentschädigung rechtfertigt. Im Hinblick auf die konstruktionsbedingte Langlebigkeit heutiger Kraftfahrzeuge kann ohne das Hinzutreten besonderer Umstände (wie z. B. überdurchschnittlich hohe Laufleistung oder übermäßig hohe Beanspruchung) nicht ohne Weiteres von einem lediglich eingeschränkten Nutzungswert ausgegangen werden. Befindet sich, wie hier, ein 9 Jahre alter Pkw in einem guten Zustand, sind Vorschäden nicht vorhanden und ist die Bereifung neuwertig, kann der Unfallgeschädigte vollen Nutzungsausfall verlangen (Urteil des OLG Hamm vom 13.12.1999 - 13 U 111/99, DAR 2000, 265).

Das OLG Koblenz hat mit dem Urteil vom 13.02.2012 - Az. 12 U 1265/10 den Anspruch auf Nutzungsausfall nach der Nutzungsausfalltabelle auch dann zugesprochen, obwohl die Kfz-Versicherung dem Autofahrer einen Mietwagen zu einem darunter liegenden Preis angeboten hat.

Im Urteilsfall fuhr der Geschädigte ein Auto, das fünf Tage vor dem Unfall erstmals zum Verkehr zugelassen worden war und im Unfallzeitpunkt eine Laufleistung von 723 Kilometern aufwies. Bei dem Unfall wurde das Auto von der Ehefrau des Klägers gefahren. Der Kläger hat gegen die beklagte Kfz-Versicherung unter anderem einen Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung für einen Zeitraum von 66 Tagen zu einem Tagessatz von 50 Euro, mithin in einer Gesamthöhe von 3.300 Euro geltend gemacht. Er hat hierzu die Auffassung vertreten, dass er seinen Nutzungsausfallschaden abstrakt anhand der Tabellen von Sanden/Danner für den vollen Zeitraum von dem Unfalltag bis zur Neulieferung berechnen könne und sich nicht auf hypothetisch anfallende Mietkosten zu Langzeittarifen verweisen lassen müsse. Ein Wille zur Nutzung des Fahrzeuges, bei dem es sich um das einzige Familienfahrzeug handele, habe bestanden; insbesondere hätte es - so sein Vorbringen - während seiner - des Klägers - Kurbehandlung mitgenommen oder durch seine Ehefrau genutzt werden können.

Die Tabelle zur Nutzungsausfallentschädigung ist nicht an die gesunkenen Mietwagenpreise angepasst worden. Dies ist nach Ansicht der Autoren auch nicht gewollt. Die Richter am OLG Koblenz sagen trotzdem: Der Geschädigte habe die freie Wahl, ob er seinen Ausfallschaden konkret durch Vorlage einer Mietwagenrechnung geltend mache oder durch die gewohnheitsrechtlich anerkannte Nutzungsausfallentschädigung nach Tabelle. Und weil die Nutzungsausfallentschädigung ein abstrakter Schaden sei, der einer rechtlich unterschiedlichen Anknüpfung unterliege, werde sie nicht durch konkrete Mietwagenkosten begrenzt. Das müsse auch im Interesse der Gleichmäßigkeit des Anspruchs auf Nutzungsausfallentschädigung so bleiben. Hinzu komme, dass es sich bei dem angebotenen Mietwagen um einen Sonderpreis für die Kfz-Versicherung handelt, dessen Bedingungen unklar sind.

Autoschutzbrief als Pflicht zur Schadensminderung

Das Landgericht Dresden geht in seinem Urteil v. 15.01.2010 - 7 S 189/09 noch weiter und fordert zur Minderung der Schadenshöhe sogar die Nutzung eines bestehenden Autoschutzbriefes (z.B: ADAC Schutzbrief), wonach der Unfallgeschädigte einen Mietwagen (zum Beispiel für die ersten sieben Tage) kostenlos erhalten kann. Das Urteil des LG Dresden zum Schadensersatzrecht wird von Juristen stark kritisiert. Denn ob ein Verkehrsteilnehmer von seinem Autoschutzbrief Gebrauch macht oder nicht, sollte allein in seinem Ermessen stehen. Andernfalls könnte man sogar auf die Idee kommen, dass der Geschädigte die eigene Vollkaskoversicherung einzusetzen hätte und lediglich die daraus resultierenden Mehrkosten ihm zu erstatten wären. Ob andere Richter bezüglich des Einsatzes von privaten Autoschutzbriefen ähnlich entscheiden würden, ist daher stark zu bezweifeln. Die Vorinstanz (AG Meißen Az.: 104 C 102/08 vom 16. 04.2009) hatte auch eine andere Auffassung als das Landgericht Dresden.

Entschädigung bei Verletzung des Unfallopfers

Mangels Nutzungsmöglichkeit steht dem Unfallgeschädigten jedoch für die Zeit kein Entschädigungsanspruch zu, während der er wegen der bei dem Unfall erlittenen Verletzungen nicht in der Lage gewesen wäre, sein Fahrzeug (Kfz, Auto) zu nutzen. Ein Anspruch auf Nutzungsausfall besteht allerdings dann, wenn der Geschädigte sein Fahrzeug aufgrund einer vor dem Unfall getroffenen Vereinbarung (auch stillschweigend möglich) einem Familienangehörigen oder Verlobten unentgeltlich überlassen hätte. Diese Rechtsauffassung hat das Kammergericht Berlin vertreten (KG Berlin vom 29.09.2005 - 12 U 235/04, DAR 2005, 151, KGR Berlin 2006, 127). Eine grundsätzliche Voraussetzung für eine Entschädigung sind daher Nutzungswille und Nutzungsmöglichkeit. Diese Anforderungen sind manchmal unfallbedingt (z. B. Verletzung) oder aus sonstigen Gründen (z. B. Krankheit, Reise) nicht gegeben. Es genügt in diesen Fällen, wenn die Fahrzeugbenutzung anderen Personen (z.B. Familienangehörigen) zugesagt war.

Fazit: In vielen Fällen ist die Inanspruchnahme einer Nutzungsausfallentschädigung im Vergleich zur Anmietung eines Ersatzwagens günstiger und daher zu empfehlen. Bei einem Mietwagen muss der Geschädigte in der Regel 10-15 Prozent des Betrages wegen ersparter Eigenkosten selbst zahlen. Außerdem darf der Unfallgeschädigte nicht einfach irgendeinen (teuren) Mietwagen nehmen, sondern muss praktisch einen Preisvergleich für Mietwagen durchführen, um so einen günstigen Autoverleiher zu finden. Sofern die Schuldfrage noch nicht eindeutig geklärt ist, hat der Geschädigte bei einem Mitverschulden anteilig die Kosten für den Mietwagen selbst zu tragen. Bei einer Entscheidung für den Nutzungsausfall erhält der Geschädigte zumindest die anteilige Entschädigung.

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