Notwehr - Wenn Opfer zum Täter wird

18. Mai 2016 Thema abonnieren
 Von 
rollo28
Status:
Frischling
(9 Beiträge, 2x hilfreich)
Notwehr - Wenn Opfer zum Täter wird

Hallo liebes Forum, ich wende mich an euch, weil ich gerne neben der Meinung meines Anwalts noch weitere hören möchte.

Seit dem Vorfall vor einigen Monaten kann ich kaum mehr schlafen, auch im Alltag schießen mir heute noch durchgehend die Bilder dessen durch den Kopf, was damals passierte.

Vor einiger Zeit in einer Gaststätte, feierten wir einen besonderen Anlass, bei diesem ich mich - als eigentlicher Nicht-Trinker -dazu hinreisen lies, mich ebenfalls "vollaufen" zu lassen.

Ich passierte beim Gang auf die Toilette zwei Jugendliche, die mich anpöbelten, worauf ich mir einen sicheren Stand suchte, mich an der Wand abstützte und ein Gespräch von etwa einer Minute länge begann. An den Inhalt kann ich mich leider nicht mehr erinnern, auf der Video-Überwachung ist es aber zu erkennen das ich angesprochen wurde und mich dann zu Ihnen umdrehte.

Kurz darauf ging einer der beiden auf mich los, griff mir an die Kehle und würgte mich.
Ich muss gestehen, das ich in meinen 28 Jahren noch keine derartige Situation erlebt habe, mein Sichtfeld schränkte sich schlagartig ein. Ich kann mich noch daran erinnern, wie ich meine Hand fixiert habe, mit der ich versuchte, Ihn wegzudrücken. Man spürt jeden Herzschlag durch den ganzen Körper und reagiert nur noch, kein einziger Gedanke geht mehr durch den Kopf.
In dem Gerangel stürzte ich fast, direkt hinter mir eine steile Treppe. Er befand sich etwa eine Armlänge von mir entfernt wir hielten uns gegenseitig an den Ärmeln und er Griff erneut in meine Richtung und versuchte denke ich mich Richtung Treppe zu schupsen oder mir erneut an die Kehle zu fassen, dies gelang Ihm jedoch nicht. Nach etwa einer Sekunde (wir hielten uns beide noch an den Armen Fest) erwiderte ich mit einem Faustschlag, der meinen Gegenüber direkt traf und einen Bruch des Kiefers zur Folge hatte. Die "Rangellei" dauerte insgesamt etwa 10 Sekunden.

Meine Freunde kamen mir dann zu Hilfe und hielten den nach kurzer Zeit wieder kampflustigen jungen Mann von mir weg, während er versuchte mich weiter zu attackieren. Einen Moment später kamen dann auch seine Freunde die mir drohten Sie würden mich umbringen und ich solle sofort mit nach draußen kommen. Letzten Endes war auch nach einer knappen Stunde die Situation immer noch so hitzig, das ich es für richtig hielt, die Polizei zu rufen, mein Kontrahent blutete stark an der Lippe weshalb ich auch gleich einen Krankenwagen mit geordert habe, während meine Freunde alle Hände voll zu tun hatten Ihn und seine Truppe von mir fern zu halten.

Die Polizei kam, die Personalien aller wurden festgestellt und ich verweigerte meine Aussage.

Das alles ist auch genau so auf den Überwachungsvideos aus mehreren Winkeln zu sehen.

Die Sache hat mich sehr mitgenommen, in der Hoffnung etwas Beruhigung zu finden, suchte ich baldmöglichst einen Anwalt auf, welcher mich erstmal über ein paar Dinge aufklärte die leider genau das Gegenteil bewirkt haben.

Kurze Zeit später flattert auch schon ein Strafbefehl ins Haus, der mir vorsätzliche Körperverletzung aufbindet und mich zu einer Zahlung von 80 Tagessätzen auffordert. Selbst wenn ich gewollt hätte, könnte ich das niemals bezahlen, aber wie Ihr sicher wisst, wäre das ja nicht das Ende vom Lied gewesen.
Es kommen ja noch die zivilrechtlichen Forderungen, die die Strafe vermutlich nochmal weit in den Schatten stellen. Es folgt der Widerspruch und eine Hauptverhandlung wird anberaumt. Mein Anwalt sieht durchaus die Möglichkeit das mein Handeln von Notwehr gedeckt sein könnte, wenn der Richter hier jedoch zu dem Ergebnis wie die StA kommt "Der Angriff sei zu meinem Schlag nicht mehr gegenwärtig" gewesen, ist eine Verurteilung wegen vorsätzlicher KV möglich.

In meiner Verzweiflung habe ich bereits einiges an Material zu dem Thema gelesen und komme zu folgenden Schlussfolgerungen:

Ein grundsätzliche notwehrfähiger Angriff auf mich ist erfolgt.
Das Würgen wurde zwar beendet, nachdem ich Ihn weggedrückt habe, dabei stürzte ich aber fast was den Angreifer wieder näher an mich heran lies. Er versuchte mich zu Schupsen bzw. erneut zu würgen was nicht gelang und wir hielten uns noch einander fest, Abstand etwa eine Armlänge.

Nun muss ich doch selbst als außenstehender in dieser Situation davon ausgehen, das ein weiterer Angriff unmittelbar bevor steht, wie kann man denn da behaupten der Angriff sei bereits "abgeschlossen" und mir dies als "Opfer" negativ auslegen?

Natürlich habe ich in diesem Moment nicht darüber nachgedacht, ob das nun wahrscheinlich ist oder nicht, wie soll man das auch in so einem Kampf? Für mich war und ist es nach wie vor extrem wahrscheinlich, das der Kampf weiter gegangen wäre und vermutlich am Ende der Treppe für mich geendet hätte. Wissen kann das keiner, woher auch?

So, wie wertet man das jetzt? Als Notwehr? Nunja, der Angriff war aus meiner Sicht durchaus noch gegenwärtig, wie beurteilt Ihr das?

Wenn er nicht MEHR Gegenwärtig war, sollte doch auch der Notwehrexzess in Frage kommen oder? Verneint man auch diesen bleibt die vorsätzliche Körperverletzung stehen..
Außer man bindet den ETBI mit ein.
Der ETBI würde Analog angewendet doch die Vorsatzschuld entfallen lassen, mein Anwalt sagt mir jedoch den ETBI solle ich ganz schnell wieder vergessen, das würde nicht in Frage kommen und ich solle mich nicht auf Internetgerüchte verlassen.

Ich habe inzwischen unzählige BGH-Urteile, Lehrblätter und Internetseiten gelesen und ich komme ohne Wenn und Aber
zu dem Schluss: Selbst wenn man die Notwehr komplett versagt, würde der ETBI doch zumindest die Vorsatzsschuld entfallen lassen? Es sollte darzulegen sein, das man in diesem Fall durchaus davon ausging in Notwehrabsicht gehandelt zu haben, auch wenn objektiv gesehen vielleicht kein gegenwärtiger Angriff mehr vorgelegen hat.

Warum soll ich nun den ETBI schnell wieder vergessen? Ist der in der Praxis denn nicht relevant?

Desweiteren kommt da noch die zivilrechtliche Seite, wie ist der Fall denn da eventuell zu werten? Ich hatte mal einen Autounfall und es war langwierig, teuer und schwer die letzten wenigen % Teilschuld weg zu bekommen, dies ist zwar gelungen, da ich definitiv keine Schuld hatte aber wie wirkt sich das denn in diesem Fall aus? Gibt es auch hier "Teilschuld"? Kann ich denn eine Rauferei beginnen und dann ernsthaft auf Schmerzensgeld und ähnliches hoffen? Ergibt für mich irgendwie keinen Sinn.


Würde mich sehr über ein paar Meinungen von euch freuen.










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4 Antworten
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#1
 Von 
Rechtschreibung
Status:
Lehrling
(1107 Beiträge, 1207x hilfreich)

Zitat:
wie kann man denn da behaupten der Angriff sei bereits "abgeschlossen" und mir dies als "Opfer" negativ auslegen?
Das kann Ihnen hier niemand sagen, da niemand die Beweggründe des Staatsanwalts und des Strafrichters kennt. Hier weiß nocht nichtmal jemand, wie genau die Akte geprüft wurde und die umfassend eine mögliche Rechtfertigung/Entschuldigung erörtert wurde. Vor allem aber weiß hier niemand, ob und was Sie bzw. Ihr Anwalt für Einlassungen zur Akte gereicht haben. Noch viel weniger natürlich, wie das "Opfer" der Tat das Geschehen geschildert hat.

Möglicherweise haben die das Video nicht berücksichtigt. Möglicherweise gab der Geschädgite an in Notwehr gehandelt zu haben (auf dem Video nicht zusehende "Zuckungen" oder vorhergehende Beleidigungen?), weshalb sein Angriff nicht rechtswidrig war. Immerhin waren es nunmal Sie, der dort hinzugekommen ist und eine Diskussion begonnen hat. Vielleicht sieht das gegenseitige "Festhalten" für einen objektiven Betrachter aber auch nach einer entschärften Situation aus (schwer vorstellbar) oder diese Situation wird Ihnen zugerechnet (schon eher).

Zitat:
der Angriff war aus meiner Sicht durchaus noch gegenwärtig, wie beurteilt Ihr das?
Ihrer Schilderung nach würde ich das erstmal auch so sehen. Zugleich will ich aber betonen, dass diese Schilderung natürlich an jeder Ecke Schwachstellen haben kann und nun schon drei Juristen sich dieses Video angesehen haben (könnten), aber jeweils zu einer eher unguten Einschätzung gelangt sind. Was mir zu Denken gibt: Sie sind nunmal stehen geblieben, Sie haben ihn festgehalten, Sie waren betrunken, kleinste Details sind auf dem Video vielleicht doch nicht zu sehen, insbesondere sind vermutlich keine Geräusche zu hören, der Geschädigte hatte anscheinend einen Zeugen, ...

Außerdem scheinen Sie sich selbst nicht ganz sicher zu sein. Mal war noch mit dem Treppenschubser zu rechnen (Notwehr), mal haben Sie das aus Panik nur verkannt (Exzess), mal haben Sie sich das einfach nur eingebildet (ETBI), mal haben Sie darüber gar nicht nachgedacht ("kein einziger Gedanke") und zu allem Überfluss könnte der (ungewohnte!) Alkoholkonsum dem Gedächtnis da einen Streich gespielt haben.

Zitat:
Wenn er nicht MEHR Gegenwärtig war, sollte doch auch der Notwehrexzess in Frage kommen oder?
Dazu meinte der BGH im Jahr 2001:
§ 33 StGB kommt dem Täter, der aus einem der dort genannten asthenischen Affekten handelt, nur so lange zugute, bis die Notwehrlage und Angriffsgefahr endgültig beseitigt sind (RGSt 21, 189 ff.; 54, 36 , 37; 62, 76 , 77; BGH NJW 1968, 1885 ; BGH NStZ 1987, 20 ; BGH NStE Nr. 3 zu § 33 StGB ).

Zitat:
Warum soll ich nun den ETBI schnell wieder vergessen?
Nun, eine gewisse Praxisrelevanz hat er ganz offensichtlich, sonst hätten Sie keine BGH-Urteile dazu gefunden. Wie Sie aber bei einem Blick ins Gesetz feststellen müssen, finden sich dort nicht die Begriffe "ETBI" und "Vorsatzschuld" schon gar nicht. Letzterer ist vor einigen Jahren in einem BGH-Urteil aufgetaucht, ohne dass das zu erwarten gewesen wäre oder genauer erklärt wurde. Das ist auch ganz einfach völliger Käse.
Zweifellos würde der BGH (bzw. das OLG) sich auch in Ihrem Fall etwas zu ETBI einfallen lassen, wenn denn einer vorläge. Allerdings behaupten bisher nur Sie, dass das so gewesen wäre, während Sie zugleich noch andere Verteidigungsstrategien präsentieren. Damit Sie hier in diese Richtung argumentieren können, müsste (mindestens!) folgende Voraussetzung gegeben sein (siehe wikipedia): Der Täter muss sich solche Umstände vorstellen, die – lägen sie tatsächlich vor – einen anerkannten Rechtfertigungsgrund vollständig ausfüllen würden.

War das bei Ihnen der Fall? SIe argumentieren zunächst selber dagegen. Sie geben zunächst an, überhaupt keinen gedanken gehabt zu haben. Kann denn jemand, der keinen Gedanken hat, einen falschen Gedanken haben? Da kommt es meiner Meinung nach genauer darauf an, was Sie mit "keinen Gedanken" denn sagen wollten.
Dann behaupten Sie weiter, dass sich aus der objektiv bestehenden (und auf dem Video erkennbaren) Situation bereits das Vorliegen eines Angriffs ergibt. Dieses auf dem Video erkennbare Geschehen wollen Sie trotz allem erkannt haben. Aber dann wären Ihre Vorstellungen genau mit dem objektiven Geschehen übereinstimmend und Sie stellen sich gerade nichts vor, was darüber hinausgeht (namentlich dem befürchteten Treppenschubser) und als Angriff zu werten sein könnte. Sie werten nur das tatsächliche Geschehen anders und wollen das irgendwie noch als "gegenwärtiger Angriff" bezeichnet wissen, also bereits mit einer bestimmten juristischen Würdigung überziehen! Damit vertuen Sie sich nicht bei den tatsächlichen Vorsaussetzungen der Notwehr, sondern nur bei den rechtlichen. Und das auch nur jetzt im Nachhinein, nicht während der Tat.

Schließlich aber kommt es bei dieser ganzen ETBI-Geschichte entscheidend auf Ihre (falschen!) Vorstellungen an. Und wer sagt nun, dass Sie diese Vorstellungen hatten? Sie würden das tun, keine Frage. Aber ein Gericht muss einem Angeklagten nicht alles glauben. Ihre subjektiven Vorstellungen können nur anhand der objektiven WIrklichkeit als mehr oder weniger naheliegend bewertet werden, werden von dieser aber nicht als wahr oder falsch vorgegeben. Damit ist es weitestgehend allein dem Gericht überlassen, was es Ihnen in Bezug auf Ihre (falschen) Vorstellungen glaubt. Daher bleibt bei solchen Geschichten nunmal zumindest ein Risiko.

Zitat:
ich solle mich nicht auf Internetgerüchte verlassen.
Dem kann man nur zustimmen. Das Thema "Notwehr" ist mehr oder weniger das, wozu sich im Internet (oder auch sonstigen Medien) die absurdesten Fehlvorstellungen finden lassen. Auch hier im Forum werden dazu regelmäßig Einschätzungen abgegeben, die man am liebsten als üblen Scherz ansehen würde. Erfahrungsgemäß ist mit Antworten dieser Art auch in Ihrem Thread zu rechnen, weshalb ich Sie vorwarnen möchte.
Arbeiten Sie lieber mit dem Strafverteidiger zusammen. Der kann es wenigstens, kann Theorie von Praxis unterscheiden und kennt vor allem Ihre Akte. Ohne diese Akte zu kennen kann einfach niemand eine seriöse Einschätzung abgeben. Es hängt sowieso krass von Details ab, die im Einzelnen sowieso der Überzeugung des Strafrichters (oder wenn Sie wollen: der Berufungskammer) überlassen sind.

Zitat:
Desweiteren kommt da noch die zivilrechtliche Seite, wie ist der Fall denn da eventuell zu werten?
Sehr ähnlich. Darauf würde ich mich erstmal nicht konzentrieren und das nun anstehende Strafurteil könnte für das Zivilurteil der erste Wegweiser sein, ist aber theoretisch davon unabhängig. Denkbar wäre auch gewesen, dass der Geschädigte als Nebenkläger auftritt oder beim Strafgericht zugleich die Festsetzung von Schadenersatz beantragt. War hier aber anscheinend nicht der Fall.
Im Zivilrecht gibt es dann tatsächlich (und auch hier) sowas wie ein "Mitverschulden". Ob das aber vorliegt ist wiederum weitestgehend dem Gericht überlassen. Sollte hier aber (zweifach) festgestellt werden, dass Sie rechtswidrig zugeschlagen haben, dann würde ich jedenfalls nicht damit rechnen, dass der Geschädigte überhaupt kein Schmerzensgeld erhält.

Im Übrigen sollte Ihr Strafverteidiger aber die zivilrechtlichen Fragen (besser) benatworten können.

3x Hilfreiche Antwort

#2
 Von 
rollo28
Status:
Frischling
(9 Beiträge, 2x hilfreich)

Hallo,

erstmal vielen Dank für die ausführliche Antwort! Diese enthält viele Erläuterungen die mich schon etwas besser verstehen lassen.

Für mich war der Angriff ganz klar gegenwärtig. Die erlebte Situation, sowie das gesehene auf dem Video, lassen für mich persönlich nur eine gerechtfertigte Notwehr zu. Die war es auch Punkt Mit meinem Verteidiger arbeite ich zusammen und habe da auch vertrauen einen "guten Partner" in dieser Sache gefunden zu haben. Trotzdem möchte ich die Thematik tiefgreifender Verstehen und vorallem auch verstehen welchen Grund es hat, dass der ETBI nicht das zu sein scheint was ich glaubte bzw. nicht diese Relevanz hat wie gedacht, das konnten Sie mir ja bereits treffend erklären.

Alle beteiligten Personen waren stark betrunken, Blutentnahme ergab Werte zwischen 1,5 - 2 Promille, die getätigten Aussagen der gegnerischen Gruppe sind sehr interessant zu lesen und sagen in der Tat aus, das ich die tätliche Auseinandersetzung grundlos mit einem Faustschlag begonnen hätte. Man sieht aber auf dem Video, das ich angesprochen wurde, daraufhin stehen blieb, mich an der nächsten Wand etwa 1,5m entfernt anlehnte, der Angreifer auf mich zu ging und mich würgte. Meine Stellungnahme ist nicht sehr umfassend aber widerspricht zumindest dem Video nicht. Der Angreifer tritt übrigens durchaus als Nebenkläger auf.

Wie Sie richtig erläutern, ist es natürlich nicht sicher, das andere den Fall ebenfalls so sehen.

Daran wollte ich mit meinen verschiedenen Interpretations-Szenarien und Schlussfolgerungen anknüpfen. Natürlich kann ich das Video und viele Einzelheiten nicht posten und erwarte selbstverständlich auch keine all umfassende Rechtsberatung, sondern nur eine kritische Betrachtung dessen, was ich hier ausgeführt habe. Es geht mir nicht nur speziell um meinen Fall, auch generell finde ich das Thema sehr interessant und möchte die Thematik auch für mich selbst besser verstehen lernen.
Als Laie gibt es eigentlich nur schwarz/weiß, durch die Beschäftigung mit dem Thema Juristik habe ich aber schnell festgestellt, dass in Wahrheit viele Dinge etwas anders Ablaufen, als man sich das immer so vorgestellt hat.

Etwas nachhaken würde ich trotzdem gerne noch bei Ihnen. Ich verstehe es so - und interpretiere das auch aus vielen öffentlich zugänglichen Urteilen - das die Schuld erstmal bewiesen werden muss.

Die Beweiswürdigung obliegt dem Richter, welcher seine Beweggründe für eine Entscheidung ziemlich eindeutig und nachvollziehbar begründen soll/muss. Die von mir gelesenen Urteile befassen sich teils sehr intensiv damit und heben die Urteile oft wieder auf, weil z. B. nicht nachgewiesen werden konnte, das der Täter nicht von einer Notwehrlage ausging oder nicht zweifelsfrei festgestellt werden konnte, ob der Angeklagte keinen weiteren Angriff mehr befürchten musste.

Aus der Lebenserfahrung heraus halte ich - und vermutlich die meisten anderen Menschen auch - es für absolut nachvollziehbar und am wahrscheinlichsten, das in einem Gerangel der zuerst tätlich angegriffene davon ausgeht, in Notwehr zu handeln bzw. solange von einem Angriff ausgeht, bis er sich wesentlich vom Angreifer entfernen konnte oder dieser kampfunfähig ist. Beweisen lässt sich das Gegenteil so oder so praktisch kaum. Das ich von einem weiteren Angriff ausging, kann nur ich behaupten und niemals jemand anders bestätigen, was ich dachte und was nicht, kann sonst keiner wissen. Wenn ich mich hierbei geirrt hätte, dies aber erkennen hätte können/müssen, wäre ich dem BGH nach nur wegen fahrlässiger KV zu verurteilen. Das habe ich richtig verstanden oder?

Ich verstehe den ETBI nämlich nicht so, das der Täter vorher eine Überlegung angestellt haben muss, in der er bewusst zu der Entscheidung gelangt "Aha, ich handle jetzt in Notwehr, da..." sondern eher so, dass der Täter eine Situation annimmt, das wenn diese wirklich vorgelegen hätte, eine Notwehrsituation gegeben wäre.

Beispiel:

A sieht B schreiend mit erhobener Faust auf sich zulaufen, denkt er wird angegriffen und streckt B mit einem Schlag nieder. B wollte aber A nur begrüßen. Das wäre für mich ein ETBI. Hätte B Ihn wirklich angreifen wollen, wie A sich es vorgestellt hat, wäre A durch Notwehr gerechtfertigt gewesen. Zugegeben ein sehr vereinfachtes Beispiel aber ich denke es verdeutlicht, was ich damit meine.

Aus Ihrem Text lese ich heraus, dass es wohl in der Praxis nicht so ist, das eine Schuld erwiesen sein muss bzw. die Schuld gilt als erwiesen sobald der Richter glaubt der Angeklagte sei schuldig. AG Urteile finde ich leider nicht öffentlich, ich interpretiere nun einfach mal, das Richter am Amtsgericht teilweise eher "schwammige" Bauchentscheidungen treffen und die Richter der höheren Gerichte da vermehrt eine höhere Schwelle für eine bewiesene Schuld haben.

Vor allem die Urteile des BGH lesen sich da teilweise sehr interessant, z. B. der Fall mit dem Rocker der durch geschlossene Türe einen Polizisten erschoss (Urteil des 2. Strafsenats vom 2.11.2011 - 2 StR 375/11 ). Dem Beklagten hält man zugute, es "könnte" ja sein, das er davon ausging, er werde angegriffen. Im Grunde die richtige Entscheidung. Wenn er wirklich dachte jemand würde jetzt einbrechen und Ihn töten wollen, ist die Schuld eine andere als hätte er grundlos auf jemanden geschossen. Freispruch finde ich aber dann doch etwas krass. Das Gegenteil zweifelsfrei beweisen, kann man aber auch schlichtweg nicht.


-- Editiert von rollo28 am 19.05.2016 19:23

-- Editiert von rollo28 am 19.05.2016 19:25

-- Editiert von rollo28 am 19.05.2016 19:27

-- Editiert von rollo28 am 19.05.2016 19:31

-- Editiert von rollo28 am 19.05.2016 19:40

1x Hilfreiche Antwort

#3
 Von 
rollo28
Status:
Frischling
(9 Beiträge, 2x hilfreich)

Was das Schmerzensgeld betrifft ist meine Sorge nicht ganz so groß. Mir bereiten eher die (vermutlich folgenden) Regressforderungen der Krankenkassen erhebliches Unbehagen.

-- Editiert von rollo28 am 19.05.2016 19:45

1x Hilfreiche Antwort

#4
 Von 
Rechtschreibung
Status:
Lehrling
(1107 Beiträge, 1207x hilfreich)

Zitat:
Für mich war der Angriff ganz klar gegenwärtig.
Das will ich nicht bestreiten, aber auch nicht bejahen. Ihre Schilderung klingt (wie glaube ich schon von mir gesagt) zunächst nach dieser Gegenwärtigkeit. Ganz einfach weil diese (circa) 10 Sekunden nach einem einheitlichen und durchgehend auf Ihre Verletzung gerichtetem Tatgeschehn klingen. Damit bewerte ich aber nur Ihre Schilderung und nur so, wie ich diese interpretiere. Seriös kann man das nur bewerten, wennman das Video selber sieht. Und dann istr es noch immer die Anfälligkeit für Details.
Sie schreiben davon, dass SIe sich zuletzt an den Armen (oder "Ärmeln") festhielten. Das kann eigentlich alles bedeuten. Vielleicht haben Sie da noch Ihre Kräfte gemessen und gegenseitig versucht sich zu Boden zu reißen. Aber auch verliebte Pärchen können sich "an den Armen halten" und dann ist bestimmt keine Notwehrlage gegeben. Sie werden es nicht schaffen mit Worten hier bei jedem Leser das exakte Bild im Kopf zu kreieren. Gleiches gilt für Angaben wie "nahe an einer steilen Treppe" und ähnliches. Sowas muss man selber gesehen haben. Könnte sein, dass ich Angst um Sie bekommen würde, wenn ich das Video sehe, weil Sie wirklich knapp dem Tod entkommen sind. Könnte aber auch sein, dass ich Sie dann auslache, weil sich da nur zwei Besoffene in den Armen halten und kaum stehen können, bis der eine dem anderen den Kiefer bricht. Wer weiß...

Zitat:
Man sieht aber auf dem Video, das ich angesprochen wurde, daraufhin stehen blieb, mich an der nächsten Wand etwa 1,5m entfernt anlehnte, der Angreifer auf mich zu ging und mich würgte.
Tja. Und währenddessen könnten Sie dem übelste Beledigungen an den Kopf geworfen haben, die zum einen in Extremfällen selber notwehrfähig sein können, zum anderen einer eigenen Notwehr die Gebotenheit nehmen. Wer weiß...

Zitat:
Meine Stellungnahme ist nicht sehr umfassend aber widerspricht zumindest dem Video nicht.
Klingt irgendwie nicht so, als wäre da selber (durch den Anwalt) konstruktiv mit Notwewhr argumentiert worden, bevor der Richter die Akte auf den Tisch bekommen hat.

Zitat:
Daran wollte ich mit meinen verschiedenen Interpretations-Szenarien und Schlussfolgerungen anknüpfen.
Zweifellos kann (und sollte) man das tun, soweit es um die rechtliche Bewertung geht. Aber meiner Meinung nach sollte man sich vorher festlegen, welche Erinnerung man dem Richter an den Tatsachenhergang im Rahmen der Einlassung präsentiert. Entweder hat man nichts gedacht oder an einen Angriff gedacht, entweder sah man die Situation genau wie auf dem Video oder hat sie darüber hinausgehend in Erinnerung (bzw. nahm sie damals so war), entweder sah man einen weiteren Schlag konkret kommen oder hielt diesen nur für möglich/wahrscheinlich. Sie schielen auf für Sie günstige Rechtsfolgen und variieren dazu passend, was in diesem Moment durch Ihren Kopf gegangen sein könnte.

Zitat:
Ich verstehe es so - und interpretiere das auch aus vielen öffentlich zugänglichen Urteilen - das die Schuld erstmal bewiesen werden muss.
Richtig, aber: § 261 StPO
Insbesondere am Amtsgericht (Einzelrichter!) ist das ein Glücksspiel. Und gerüchteweise wird vor Erlass eines Strafbefehls manches Mal gar nicht wirklich die Akte gelesen, sondern bestenfalls überflogen. Wer weiß...

Sie haben noch das Glück, mit dem Veideo etwas Objektives in den Raum werfen zu können. Andernfalls hätte der Richter sich auch davon überzeugen lassen können, von Anfang an SIe zuerst zugeschlagen haben oder ähnliches. Aber all das was Vorgänge in Ihrem Kopf oder dem des Täters betrifft, so bleibt der Richter noch immer in der Wahrheitsfindung sehr frei. Die objektiven Umstände lassen nur auf eine bestimmte Wirklichkeit in Ihrem Inneren schließen, geben diese aber nicht zwingend und durch Naturgesetze vor! Am Ende entscheidet der Richter, was Sie gedacht und gefühlt haben!
Anhand dieser (nur schwer bis überhaupt nicht angreifbaren) Tatsachenfeststellungen des Gerichts sieht das Gesetz bestimmte Rechtsfolgen vor, die entweder Ihre Schuld oder Unschuld bedeuten. Nur wenn der Richter keine Tatsachen feststellen kann (nach seiner eigenen Überzeugung!!!) wird die Rechtsfolge aus dem Gesetz genommen, die für Sie günstiger ist. Pech für Sie, wenn der Richter glaubt sicher wissen zu können, dass die Sie belastenden Umstände (auch in Ihrem Inneren) vorgelegen haben. Dann gibt es die Sie schuldig machende Rechtsfolge, egal für wie richtig oder falsch SIE das halten. Solange der Richter dabei nicht krass gegen Denkgesetze verstößt, darf der das auch. Das bedeutet viel "Macht" ist aber nunmal sein Job. Wie sollte es anders sein?

Zitat:
Die von mir gelesenen Urteile befassen sich teils sehr intensiv damit und heben die Urteile oft wieder auf
Das Problem: Die von Ihnen gelesenen Urteile sind die bekannten BGH-Urteile, die nichtmals die Spitze des Eisbergs darstellen. Ihre Reise würde am OLG enden, was aber nichts über die Qualität der Revisionsurteile aussagt. Das so ein urteil aufgehoben wird, ist die Ausnahme. Und ohne genau zu wissen, wovon Sie gelesen und gesprochen haben, wage ich zu behaupten, dass Sie das leicht falsch verstanden haben. Da wird das Urteil nicht aufgehoben, weil nicht festgestellt werden konnte, ob der Täter von einer Notwehrlage ausging. Da wird das Urteil aufgehoben (und zurückverwiesen, kann also wieder mit einem Schuldspruch enden), weil das Revisionsgericht noch nicht feststelen konnte, ob der Täter von einer Notwehrlage ausging. Das Tatsachengericht hat sich da zu schlampig mit den Vorstellungen des Täters auseinandergesetzt. Was aber, wenn es ordentlich gearbeitet hätte und zu dem Ergebnis gekommen wäre, dass der Täter diese oder jene Vorstellungen hatte, egal wie schlecht das für den Täter war und wie falsch das eigentlich sein mag? Dann meckert auch der BGH (oder das OLG) nicht mehr. Die schauen sich höchstwahrscheinlich nichtmals das Video an, sondern untersuchen allein die Urteilsbegründung auf Vollständigkeit ("Wurde alles bedacht?") und "Stringenz" ("Ist die Begründung widersprüchlich?"). Es gibt absolute Schrotturteile, die dieser Untersuchung standhalten können. Die Revisiongerichte hinterfragen zumeist nicht mehr das, was die "unteren" Gerichte als "wahr" erachtet haben. Sie schreiben einfach das ab, was im Urteil steht. Die überdenken nur die Anwendung des Gesetzes auf diesen als wahr angenommenen Sachverhalt.

Zitat:
Dem Beklagten hält man zugute, es "könnte" ja sein, das er davon ausging, er werde angegriffen.
Nein! Das stimmt nicht. Sort war nicht zweifelhaft, was der Angeklagte gedacht hat. Dort ist schon das (verurteilende) Landgericht zu dem Ergbenis gekommen, dass der Angeklagte ganz sicher mit einem Überfall auf sein Leben durch verfeindete Rocker rechnete. Der BGH hat diese Feststellung dann als "lückenlos und rechtfehlerfrei" bereichnet und konnte daher nicht anders, als Sie "blind" abzuschreiben. Beide schrieben sowas wie:
"Er nahm an, dass er das Opfer des angekündigten Überfalls von "Bandidos" werden sollte.
...
Aus der Fortsetzung der Aufbruchtätigkeiten an der Haustür trotz Einschaltung der Beleuchtung im Hause schloss der Angeklagte, dass es sich nicht um normale Einbrecher handelte, sondern um den befürchteten, gegen sein Leben und das seiner Verlobten gerichteten Angriff von "Bandidos".
"

LG und BGH haben hier nur über die rechtliche Bewertung gestritten. Das LG kam zu dem Ergebnis, das Notwehrrecht erfordere zunächst einen Warnschuss. Der BGH sah es so, dass (hier) kein Warnschuss erforderlich ist. An den Überzeugungen des Tatsachengerichts (= LG) wurde da nicht gerüttelt. Wäre das LG zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich um eine bloße Schutzbehauptung handelte und der Angeklagte von dem Polizeieinsatz wusste, dann ist jedenfalls nicht völlig ausgeschlossen, dass ebenso das "rechtsfehlerfrei und lückenlos" begründet werden könnte und der BGH am Ende nichts anderes tun kann, als wiederum diesen Sachverhalt abzuschreiben und dann rechtlich zu bewerten.
Was im Kopf des Angeklagten abging oder hätte abgehen können war also nicht wirklich relevant.
Aber in Ihrem Fall wäre (wenn Sie denn wirklich auf einen ETBI hinaus wollten) zunächst noch das Gericht davon zu überzeugen, dass Sie sich in einem Irrteum über die Situtaion befanden. Dürfte schwierig sein. Im Rocker-Fall waren die Polizisten hinter einer Tür versteckt und haben sich alle Mühe gegeben, wie verfeindete Rocker zu wirken. Da ist ein Irrtum geradezu unausweichlich. SIe hatten den anderen Kerl aber direkt vor der Nase.

Zitat:
Freispruch finde ich aber dann doch etwas krass.
Freispruch halte ich für das einzige richtige Ergebnis. Was hätte der Mann tun sollen? Sich (und seine Familie) von den vermeintlichen Rockern abknallen zu lassen? Es war nur vernünftig, da durch die Tür zu schießen. Gänzlich unvernünftig hingegen war es von der Polizei, derartig vorzugehen. Man könnte auch meinen, dass dieses Vorgehen sogar rechtswidrig war und daher auch gegen die Polizisten ein Notwehrrecht bestand und es auf den Irrtum gar nicht mehr ankam. Wenn Sie das Urteil ganz lesen, dann werden Sie auch auch lesen, dass da noch andere Begründungen für den Freispruch erwogen werden als das mit dem "ETBI".

Zitat:
Wenn ich mich hierbei geirrt hätte, dies aber erkennen hätte können/müssen, wäre ich dem BGH nach nur wegen fahrlässiger KV zu verurteilen. Das habe ich richtig verstanden oder?
Wenn Sie davon ausgegangen wären, dass der andere gerade nochmals zum Schlag ausholt, obwohl er das nicht tat: Ja

Bezieungsweise l#ge dann der Fall des "ETBI" vor. Das bedeutet nicht automatisch Fahrlässigkeit. Fahrlässigkeit ist dann gesondert festzustellen und kann ebenso wie Vorsatz (oder "Vorsatzschuld" verneint werden. Hier eine Fahrlässigkeit anzunehmen halte ich auch für das unwahrscheinlichste Ergebnis. Das bedeutet, dass Sie die Situation bei korrekter und Ihnen in diesem Szenario möglicher Sorgfalt hätten richtig beurteilen können, das aber nicht getan haben. Das wäre meines Erachtens nichts zu erklären. Alles spielte sich unmittelbar vor Ihren Augen ab. Da können Sie niemandem glaubhaft machen, dass der andere zwar nicht zum Schlag ausgeholt hat, das auch für Sie erkennbar war, Sie das aber trotzdem nicht erkannt haben. In solchen "offensichtlichen" Fällen direkter Konfronatation erkennt man meines Erachtens, was auch zu erkennen ist. Da geht es um alles oder nichts. Das mit der Fahrlässigkeit ist meines Erachtens auf andere Fälle zugeschnitten.

Zitat:
Ich verstehe den ETBI nämlich nicht so, das der Täter vorher eine Überlegung angestellt haben muss, in der er bewusst zu der Entscheidung gelangt "Aha, ich handle jetzt in Notwehr, da..." sondern eher so, dass der Täter eine Situation annimmt, das wenn diese wirklich vorgelegen hätte, eine Notwehrsituation gegeben wäre.
Vollkommen richtig!
ETBI = Irrtum über Tatsachen, nicht über rechtliche Bewertung

Aber was das bei Ihnen der Fall? Meinem EIndruck nach Drehen Sie sich da ein bischen im Wind. Aber vielleicht liegt das nur an meiner Lesart, meiner Vermutung nach aber eher an Ihrer "Terminologie". Sie betonen immer "für mich war das ein Angriff" oder "für mich war das gegenwärtig". Ob es ein "Angriff" war oder ob dieser "gegenwärtig" ist, ist bereits eine rechtliche Bewertung. Wörter haben jeweils bereits eine rechtliche Definition. Ein Irrtum über die Situation lautet ganz einfach: "Meinen Vorstellungen nach holte er gerade aus um ein weiteres mal zuzuschlagen, tatsächlich drehte er sich gerade um und wollte gehen."

Und war das nun der Fall? Sie haben sich gegenseitig "an den Armen festgehalten". Das hatten Sie zutreffend erkannt. Haben SIe sich darüber hinaus etwas falsche vorgestellt? Meines Erachtens ganz einfach nicht, jedenfalls lese ich das jetzt so. SIe bewerteten vielleicht die Situation als gefährlich oder einen weiteren Schlag als wahrscheinlich. Aber ginen Sie konkret von einem Schlag aus? Das lese ich nicht so.

Dafür spricht meiner Meinung nach auch folgende Überlegung. SIe selber wollen jetzt von einem Irrtum sprechen. Ein Irrtum ist eine Vorstellung, die falsch ist. Soweit Sie einen weiteren Schlag für wahrscheinlich (oder beabsichtigt) hielten, würde ein Irrtum bedeuten, dass ein weiterer Schlag nicht wahrscheinlich (oder beabsichtigt) war. Das können SIe aber gar nicht wissen. Denn wie es weiter gegangen wäre, haben SIe dann ja nicht mehr herausgefunden, weil Sie die Situation durch den Kieferbruch beendet haben.

Sie argumentieren mit der Gefährlichkeit und der Wahrscheinlichkeit, daraus wollen Sie den Angriff und die Ggeenwärtigkeit herleiten. Dabei geht es meines Erachtens aber schon um die Bewertung der Situation, nicht um die Situation selber. Damit kommen Sie im Vergleich zum Strafbefehl nur zu einem anderen Ergebnis bei der rechtlichen Bewertung, nicht bei der Frage, was dort geschehen ist und was in wessen Kopf abging. Unterstellen wir, dass das auch schon zum Tatzeitpunkt der Fall war. Wenn Sie also die Siuation auf dem Video damals genau so sehen wie der Richter, aber zu einem anderen Ergebnis bei der Frage nach einen gegenwärtigen Angriff kommen und das auch schon damals taten, dann irrten Sie (aus der Perspektive des Richters über die Rechtsfrage, nicht über die Tatsachenfrage. Sie irrten über die Reichweite des Notwehrrechts, nichts über das Vorliegen einer Situation, die das Recht als Notwehrlage bewertet. Damit kein "ETBI".

Meiner Meinung nach werden Sie sich ganz einfach entscheiden müssen. Entweder Sie haben die Situation damals genau so gesehen, wie der Richter sie jetzt auf dem Video sieht. Dann streiten Sie mit dem über die rechtliche Bewertung. Oder Sie haben sich eine andere Situation vorgestellt, dann kämpfen Sie vor Gericht um die Glaubwürdigkeit dieser Geschichte und müssen sich (eigentlich, hilfsweise natürlich schon) keine Gedanken mehr darüber machen, ob das objektive bestehende und auf dem Video zu sehende Geschehen eine Notwehrlage bedeutete, weil jedenfalls die (davon abweichende!) Situation in Ihrem Kopf eine Notwehrlage gewesen wäre. Meiner Meinung nach gab es nur keine abweichende Sitaution in Ihrem Kopf.

Deutlich vielversprechender erscheint es mir jetzt, das mit dem ETBI schnell wieder zu vergessen und darauf zu pochen, dass das, was auf die Video zu sehen ist, eine Notwehrlage bedeutet. Dazu müsste verkauft werden, dass bereits dieses "an den Armen halten", ein gegenwärtiger rechtswidriger Angriff auf Sie war. Das ist meines Erachtens denkbar. Zum einen bedeutet schon ein Festhalten einen (geringfügigen) Angriff auf Ihre Freiheit. Zum anderen klingt es nicht völlig lebensfremd, dass der andere damit beabsichtigte, Sie die Treppe runterzuwerfen oder auch nur nochmals zu schlagen. Aber ohne Sichtung des Video ist das nicht wirklich seriös einschätzbar.

Hier würde ich mich in jeder Hinsicht auf den Anwalt verlassen und ganz einfach das beste hoffen.

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