Neue Rechtsprechungstendenz zur Bankenhaftung wegen verschwiegener Kickbacks zugunsten geschädigter Kapitalanleger

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Bekanntermaßen kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes das Verschweigen von so genannten „Kickback“-Zahlungen im Rahmen einer Kapitalanlageberatung einen Beratungsfehler darstellen und dazu führen, dass geschädigte Anleger ihre Verluste auf die beratende Bank im Rahmen eines Schadensersatzanspruches abwälzen können. Kickbacks sind in der Finanzbranche seit langem anfallende Provisionszahlungen für Anlagevermittler, welche regelmäßig durch einen Ausgabeaufschlag an den Kunden weitergereicht und im Anschluss ganz oder teilweise an den Vermittler zurückzahlt werden. Nach dem Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) sind solche Zahlungen grundsätzlich nicht erlaubt. Die Gerichte haben sich mit solchen Rückvergütungen allerdings schon längere Zeit beschäftigt, wobei seitens der Rechtsprechung stets bemängelt wurde, dass solche Provisionen regelmäßig verdeckt geflossen waren, ohne dass dies dem Anleger bewusst gemacht worden ist.

Im Rahmen der Geltendmachung entsprechender Schadensersatzansprüche ist dann oftmals die Einrede der Verjährung von Bedeutung. Die gesetzlichen Vorschriften sehen dabei zunächst grundsätzlich die Verjährung innerhalb von drei Jahren seit der Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände oder unabhängig von dieser Kenntnis eine Verjährung nach zehn Jahren vor. Im Falle einer vorsätzlichen Falschberatung gelten jedoch diese kurzen Verjährungsfristen nicht, vielmehr gilt dann sogar eine 30-jährige Frist, berechnet ab Beginn des schadensauslösenden Ereignisses, also der Falschberatung im Sinne eines Verschweigens der Kickbacks selbst. Insoweit ist für den geschädigten Anleger, welcher bereits vor langer Zeit mit dem Anlegen seiner Gelder begonnen hat, nicht selten von entscheidender Bedeutung, ob und wann seinem damaligen Anlageberater überhaupt Vorsatz vorgeworfen werden kann. Diese Frage war in der bisherigen Rechtsprechung oftmals nicht eindeutig beantwortet worden, hierzu hat aber nun jüngst das Oberlandesgericht Stuttgart mit Urteil vom 16.03.2011(Az:  9 U 129/10) erstmals eine richtungsweisende Entscheidung zugunsten geschädigter Anleger gefällt.

Bis dahin hatte der Bundsgerichtshof bereits Ende des Jahres 2000 entschieden, dass ein Vermittler von Kapitalanlagen solche Zahlungen dem Kunden stets offen legen müsse. Bei einem Aufklärungsverschulden kann der Anleger nach dem BGH nicht nur den Fondskauf, sondern auch sämtliche Wertpapiertransaktionen rückabwickeln lassen. Im Dezember 2006 bestätigte dies der BGH dann in seinem bekannten Kickback-Urteil (Entscheidung vom 19.12.2006, AZ: XI ZR 56/05) insoweit, als dass dieser entschied, dass die jeweilige Vertriebsorganisation verpflichtet ist, den Anleger über diese Kickbacks zu informieren und für den Fall, dass dies nicht erfolgt, dem Anleger ein Schadensersatzanspruch zusteht. Bereits dieses Urteil des Bundesgerichtshofs hatte in der Folge eine enorme Klageflut ausgelöst. Im Februar 2009 bestätigte dann der Bundesgerichtshof diese Rechtsprechung erneut und erweiterte außerdem die Offenlegungspflicht für Anlageberater bezüglich Kickbacks dahingehend, als dass diese nicht nur bei Aktienfonds- und anderen Wertpapiergeschäften, sondern auch bei anderen Geldanlagen Anwendung findet. In einer weiteren Entscheidung (BGH, Az. : XI ZR 586/07) vertrat der Bundesgerichtshof die Ansicht, dass der jeweilige Kunde einen für seinen konkreten Fall passenden und unabhängigen Rat erwarten dürfe und nur bei einer Aufklärung über Rückvergütungen und deren Höhe die Qualität einer Empfehlung einschätzen könne. Bei hohen Rückvergütungen liege es nach der Argumentation des BGH sogar nahe, dass die Empfehlung in erster Linie auf einem Eigeninteresse der Bank an den Kickback-Provisionen beruhe. Der Anleger müsse daher ungefragt über die Höhe geleisteter Rückvergütungen aufgeklärt werden.

Auf Grundlage dieser aufgezeigten Rechtsprechung begründen somit nicht offengelegte Kickback-Provisionen einen Beratungsfehler und führen dazu, dass Anleger ihre Verluste auf die beratende Bank abwälzen können. Wie eingangs bereits angedeutet, stellt sich dann aber oft für die geschädigten Anleger die entscheidende Frage, wie lange rückwirkend der entsprechende Schadensersatzanspruch gerechnet auf den Zeitpunkt der Anlageberatung überhaupt noch geltend gemacht werden kann. Die Verjährungsfrist ist somit entscheidend, welche eben in solchen Prozessen immer wieder seitens der Banken eingewandt wurde, da diese nur bei einem Vorsatz der Bank bezüglich des Verschweigens von Kickbacks 30 Jahre beträgt. Einige Klagen der betroffenen Anleger scheiterten in der Vergangenheit daher in diesem Punkt, da ein Vorsatz der Bank nicht belegt werden konnte und somit die eingangs aufgezeigten kürzeren Verjährungsfristen zur Anwendung kamen. Zwar hatte der BGH in seinem letztaufgezeigten Urteil den Verjährungseinwand auch schon erheblich geschwächt, allerdings noch nicht eindeutig dazu Stellung bezogen, wann und wie von einem Vorsatz der Bank hinsichtlich des Verschweigens von Kickbacks ausgegangen werden kann. Der BGH hatte insoweit bislang lediglich angedeutet, dass Banken zumindest bereits im Jahre 2000 in der Regel hätte bekannt sein müssen, dass über Rückvergütungen aufzuklären ist.

Aktuell ist nun bezüglich dieser aufgezeigten Vorsatzhaftung ein erstes obergerichtliches Urteil des Oberlandesgerichtes Stuttgart (Urteil vom 16.03.2011; Az. : 9 U 129/10) ergangen, mit dem eine Bank zu Schadensersatz verurteilt wurde, da sie gegenüber einem Anleger Kickback-Zahlungen vorsätzlich verheimlicht hat. Das OLG Stuttgart hat dabei den Vorsatz der Bank schon allein darin begründet gesehen, dass dieser bereits in der Entscheidung der Bank zu sehen ist, Provisionsvereinbarungen zu treffen mit dem Willen, diese vereinnahmten Provisionen nicht an die Kunden weiterzuleiten. Daher liege es nach Ansicht des Gerichts nahe, schon das Verschweigen der Bank an sich, die diese Provisionen für sich behalten will, als vorsätzlich zu bewerten. In diesem Zusammenhang hat das OLG Stuttgart dann auch erstmals damit verbundene Fragen nach einer Strafbarkeit der Organe der Bank aufgeworfen, insbesondere kämen die Tatbestände der Untreue gemäß § 266 StGB oder des Betruges nach § 263 StGB in Betracht. Im Ergebnis hat also das OLG Stuttgart als erstes Obergericht den Vorsatz der Bank aus einem naheliegenden kriminellen Verhalten abgeleitet. Die Revision zum Bundesgerichtshof wurde im Übrigen seitens des OLG nicht zugelassen.

Konsequenz dieser jüngst obergerichtlich angenommenen Vorsatzhaftung der Banken ist die Nichtgeltung der kurzen Verjährungsfristen, so dass nun Kapitalanlagen der letzten 30 Jahre betroffen sind. Insoweit können im Grunde auf Basis dieser Rechtsprechung so gut wie sämtliche Kapitalanlagegeschäfte der letzten 30 Jahre erfolgversprechend rückabgewickelt werden, bei denen Kickbacks geflossen und verschwiegen worden sind.  Vielen Anlegern, die also nach Beratung Kapital angelegt und dabei Verluste erlitten haben, ist es somit folglich jetzt ermöglicht worden, bis zu 30 Jahre lang Ansprüche auf Schadenersatz geltend zu machen.

Zu beachten ist in diesem Zusammenhang allerdings noch eine ebenfalls diesen Monat kurz zuvor ergangene weitere Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH, Urteil vom 03.03.2011, Az: III ZR 170/10), wonach die Grundsätze der Schadensersatzhaftung bei verschwiegenen Kickbacks jedoch nicht auf freie Anlageberater angewendet werden können. Denn nach Ansicht des BGH liegt es für den Anleger bei freien Anlageberatern auf der Hand, dass diese von der kapitalsuchenden Anlagegesellschaft Vertriebsprovisionen erhalten, die jedenfalls wirtschaftlich betrachtet dem vom Anleger an die Anlagegesellschaft gezahlten Betrag entnommen werden, sofern Sie als Kunden dem freien Anlageberater selbst keinerlei Entgelt oder Provision zahlen. Angesichts dieser weiteren Rechtsprechung des BGH sind von der jüngsten, in diesem Artikel aufgezeigten Tendenz also in erster Linie nur Banken und Sparkassen betroffen.

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