Mein Partner erbt alles - oder?

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Familien mit Kindern, uneheliche Lebensgemeinschaften, Patchworkfamilien, Unternehmer, Einzelpersonen oder Minderjährige - wann ist ein Testament sinnvoll und was gibt es beim Vererben zu beachten?

Der Tod ist unausweichlich, jeder von uns ist sterblich. Trotzdem setzt sich kaum jemand mit dem eigenen Tod auseinander und nur 30% der Deutschen machen überhaupt ein Testament. 123recht.de fragt bei Rechtsanwalt und Fachanwalt für Erbrecht Jan-Hendrik Frank nach, wann ein Testament Sinn macht, welche Möglichkeiten man hat, sein Erbe zu verteilen und worauf man dabei achten sollte.

Ehegatte erhält ohne Testament meist nur die Hälfte des Vermögens

123recht.de: Herr Frank, es gibt ja gesetzliche Regeln für die Vererbung. Warum sollte ich also ein Testament machen?

Rechtsanwalt Frank: Die Regeln der gesetzlichen Erbfolge führen tatsächlich oft zu dem gewünschten Ergebnis, da der Gesetzgeber versucht hat, den mutmaßlichen Willen von Verstorbenen zur Geltung zu bringen. So wollen Eltern regelmäßig, dass ihre Kinder etwas erhalten. Es kommt aber auch oft vor, dass die Regeln der gesetzlichen Erbfolge gerade nicht zu den Wünschen des Verstorbenen entsprechen. So denken viele Deutsche, dass der Ehegatte alles erhält, auch wenn es Kinder gibt. Tatsächlich erhält er ohne ein Testament aber zumeist nur ½ des Vermögens des Verstorbenen. Den Rest erhalten die Kinder.

Überraschend ist für viele auch, dass neben dem überlebenden Ehegatten die eigenen Eltern erben, wenn es keine Kinder gibt. Paare ohne Trauschein haben überhaupt kein gesetzliches Erbrecht gegeneinander. Bei Männern sollte man außerdem auch daran denken, dass es unbekannte – nichteheliche - Kinder geben kann. Vorsicht: Wenn es mehrere Erben gibt, entsteht eine Erbengemeinschaft und die Miterben müssen dann alle Entscheidungen gemeinsam treffen. Das führt leider oft zu Streit.

Pflichtteil lässt sich meist nicht vermeiden

123recht.de: Kann man sagen, dass ein Testament für bestimmte Menschen mehr Sinn macht als für andere?

Rechtsanwalt Frank: Ein Testament ist immer dann besonders wichtig, wenn die Interessen von finanziell abhängigen Personen gesichert werden sollen. Das ist z.B. der Fall, wenn es minderjährige oder behinderte Kinder gibt. Ein Testament ist aber auch dann wichtig, wenn ein Ehegatte alles erben soll und die Kinder nicht schon auf den Tod des ersten Ehegatten einen Anteil am Vermögen erhalten sollen. Den Pflichtteil kann man zwar meist nicht ganz vermeiden, aber immerhin werden die gesetzlichen Regeln der Erbengemeinschaft vermieden, die oft zu Streit führen.

123recht.de: Sollten Ehepartner gemeinschaftliche Testamente machen, oder lieber jeder ein Einzeltestament?

Rechtsanwalt Frank: Beides ist möglich. Das gemeinschaftliche Testament ist zunächst einmal eine Vereinfachung, was die Form angeht, da nicht beide Eheleute das Testament eigenhändig schreiben müssen. Es genügt, wenn einer schreibt und beide unterschreiben. Ansonsten sollten sich die Ehegatten die Frage stellen, ob sie wünschen, dass das Testament den anderen binden soll oder ob jeder frei sein soll es zu ändern. Sie müssen nämlich bedenken, dass ein gemeinschaftliches Testament schon zu Lebzeiten beider Eheleute nicht mehr einfach so geändert werden kann. Vielmehr muss dies entweder einvernehmlich geschehen (z.B. durch ein neues gemeinschaftliches Testament) oder dadurch, dass man dem anderen Ehegatten über einen Notar die Widerrufserklärung zustellt.

Nach dem Tod werden außerdem in der Regel solche Bestimmungen in einem gemeinschaftlichen Testament bindend, die der eine mit Rücksicht auf die Zuwendung des anderen gemacht hat (sog. „wechselbezügliche Verfügungen“). Das ist z.B. regelmäßig die Schlusserbeneinsetzung beim „Berliner Testament“. Bei einem Einzeltestament gibt es hingegen eine solche Bindungswirkung in der Regel nicht.

Berliner Testament: Der Ehepartner erbt vor den Kindern

123recht.de: Sie haben es bereits angesprochen: Kinder erben direkt, wenn ein Elternteil stirbt. Die Frage ist also, was dann für den überlebenden Partner zum Leben überbleibt. Was ist der beste Weg für Familien mit Kindern, den überlebenden Partner möglichst abzusichern?

Rechtsanwalt Frank: In Deutschland ist es üblich, dass sich die Eheleute bei Tod des Erstversterbenden gegenseitig zu Erben einsetzen und bestimmen, dass erst nach dem Tod des Letztversterbenden die (gemeinsamen) Kinder erben. Dieses Testament nennt man auch „Berliner Testament“. Damit die Kinder nicht den Pflichtteil auf den Tod des ersten Ehegatten geltend machen, wird außerdem eine „Pflichtteilsstrafklausel“ aufgenommen. Danach werden die Kinder auf den Tod des Letztversterbenden enterbt, wenn sie den Pflichtteil auf den Tod des Erstversterbenden geltend machen.

Das gibt den Kindern einen Anreiz, den Pflichteil zunächst nicht geltend zu machen, funktioniert aber nicht immer, z.B. weil die Kinder befürchten, dass der überlebende Ehegatte alles zu Lebzeiten ausgibt. Möglich ist auch, dass die Kinder auf den Pflichtteil vorab durch notariellen Vertrag verzichten. Das ist in Unternehmerfamilien üblich. Zum Teil wird dann eine Abfindung gezahlt.

123recht.de: Gibt es Besonderheiten bei Patchworkfamilien?

Rechtsanwalt Frank: Bei Patchworkfamilien ist zu beachten, dass die Kinder des einen Partners bei Tod des anderen Partners kein gesetzliches Erbrecht und Pflichtteilsrecht haben. Will ein Partner sicherstellen, dass seine Kinder beim Tod des Partners etwas erhalten, muss er daher entweder schon mit seinem Tod etwas zuwenden oder er verfügt im Testament, dass der Partner zwar sein Erbe wird, aber bestimmten Beschränkungen hinsichtlich des ererbten Vermögens unterliegt, z.B. dieses nicht verschenken darf.

Der uneheliche Partner erbt ohne Testament nichts

123recht.de: Bei unverheirateten Paaren erbt der Partner im Todesfall gar nichts, wenn kein Testament gemacht wurde. Viele uneheliche Paare - insbesondere mit Kindern - machen sich darüber keine Gedanken, oder?

Rechtsanwalt Frank: Ja, leider beschäftigen sich viele unverheiratete Paare mit diesen Fragen nicht. Wer denkt schon gerne an den Tod? Kommt er dann - vielleicht früher als man denkt durch Unfall – kommt zur emotionalen Belastung des Überlebenden auch noch eine finanziell schwierige Lage und oft leider auch Streit hinzu. Es kann dann z.B. sein, dass die Kinder des verstorbenen Lebensgefährten Allein- oder Miteigentümer des Familienheims werden und dann versuchen, ihr Erbe zu Geld zu machen.

123recht.de: Kann man Angehörige komplett enterben?

Rechtsanwalt Frank: Der Ehegatte und die Kinder haben einen Anspruch auf den Pflichtteil. Sie erhalten also auch dann etwas, wenn sie „enterbt“ werden. Den Pflichtteil kann man ihnen nur in den gesetzlich bestimmten Fällen entziehen, z.B. wenn sie versucht haben den Elternteil zu töten oder sie die Unterhaltspflicht „böswillig“ verletzt haben. Beleidigungen oder leichte Körperverletzungen reichen hingegen nicht.

Ungeahntes Konfliktpotential: Wer kümmert sich um die Eltern?

123recht.de: "Meine Kinder werden das Erbe schon fair untereinander verteilen, da kommt es nicht zum Streit." - Ein weit verbreiteter Irrtum?

Rechtsanwalt Frank: Leider ja. Nach dem Tod des Verstorbenen treten oft Konflikte unter den Kindern an die Oberfläche, von denen die Eltern nichts wussten. Viele Konflikte entstehen überhaupt auch erst in der letzten Phase des Lebens der Eltern, wenn es darum geht, wer sich um die Eltern kümmert. In dieser Phase sind die Eltern dann oft so krank, dass sie kein Testament mehr machen können.

123recht.de: Wie lässt sich Streit der Erbengemeinschaft im Vorfeld durch den Erblasser möglichst verhindern?

Rechtsanwalt Frank: Sollen mehrere Personen erben, sollte Testamentsvollstreckung angeordnet werden. Dann hat der Testamentsvollstrecker das letzte Wort. Der Testamentsvollstrecker sollte eine Person sein, die das Vertrauen des Verstorbenen genießt, geschäftlich erfahren ist und im Zeitpunkt des Todes voraussichtlich noch jung und gesund genug ist, um die Aufgabe gut zu erfüllen.

Notarielles Testament kann Nachlassabwicklung vereinfachen

123recht.de: Testamente müssen ja komplett von Hand geschrieben oder vom Notar beglaubigt werden. Ist ein notarielles Testament mehr Wert als ein handgeschriebenes?

Rechtsanwalt Frank: Bei einem notariellen Testament berät der Notar und erstellt in der Regel auch einen Entwurf. Dadurch wird zumeist sichergestellt, dass der Wille des Erblassers auch eindeutig zum Ausdruck kommt und es nicht nachher zu Streit über die Auslegung des Willens des Erblassers kommt. Der Notar überzeugt sich außerdem davon, dass er testierfähig ist. Das ist gerade bei älteren oder kranken Menschen wichtig. Der Notar ist zwar nicht sachverständig, Gerichte messen aber seiner Wahrnehmung oft starkes Gewicht bei. Schließlich kann ein notarielles Testament die Nachlassabwicklung vereinfachen, z.B. wenn im Vermögen des Verstorbenen ein Haus oder eine Wohnung ist. Das Grundbuchamt braucht bei einem notariellen Testament nämlich meist keinen Erbschein.

123recht.de: Wer früh sein Testament macht, muss auf mögliche geänderte Lebenssituationen später noch reagieren können. Ist jedes Testament einfach änder- oder widerrufbar?

Rechtsanwalt Frank: Einzeltestamente können jederzeit geändert oder widerrufen werden. Dies kann durch ein späteres Testament oder durch Veränderungen am Testament (Durchstreichungen, Ergänzungen usw.) erfolgen. Sinnvoll ist es oft auch, das Dokument selbst zu vernichten. Geschieht dies mit Widerrufswillen, ist auch die Vernichtung ein Widerruf. Wurde ein notarielles Testament in besondere amtliche Verwahrung gegeben, dann gilt es im Falle der Rücknahme ebenfalls als widerrufen. Bei gemeinschaftlichen Testamenten gibt es hingegen zu Lebzeiten beider Eheleute gewisse Einschränkungen, wie ich bereits erläutert hatte. Der überlebende Ehegatte ist außerdem sehr oft erheblich eingeschränkt, auch wenn dies nicht ausdrücklich im Ehegattentestament bestimmt wurde.

Testament am besten von Gericht aufbewahren lassen

123recht.de: Das Testament ist fertig - was jetzt? Ab in den Safe damit, in den Familienordner, beim Notar hinterlegen? Sollte man die Angehörigen über den Inhalt und Aufbewahrungsort informieren?

Rechtsanwalt Frank: Am besten gibt man es in gerichtliche Verwahrung, da das Testament beim Tod dann auf jeden Fall aufgefunden wird. Die Kosten hierfür betragen nur pauschal 75,00 EURO. Nicht sinnvoll ist es, ein Testament in ein Bankschließfach aufzubewahren, da es dann vielleicht nicht sofort gefunden wird und unter Umständen niemand ohne Erbschein Zugang zum Bankschließfach hat. Wenn man das Testament dennoch in ein Bankschließfach aufbewahren will, sollte man sicherstellen, dass eine Vertrauensperson Zugang zu dem Bankschließfach hat und davon weiß, dass das Testament dort verwahrt wird. In den „Familienordner“ sollte man das Testament nur legen, wenn zu dem Ordner nur absolute Vertrauenspersonen Zugang haben. Auch in diesem Fall sollte man außerdem einen Vertrauten über den Aufbewahrungsort informieren.

123recht.de: Vielen Dank!


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