Mehrbedarfe bei kostenaufwändiger Ernährung durchsetzen!
Mehr zum Thema: Sozialrecht, Hartz-4, KrankheitenViele Krankheiten machen bei den Betroffenen eine kostenaufwändige Ernährung erforderlich. Soweit die Betroffenen Hilfeempfänger von Hartz 4 - Leistungen bzw. Leistungen nach dem SGB II sind, gibt das SGB II Ihnen mit der Vorschrift des § 21 Abs. 5 SGB II grundsätzlich einen Anspruch auf einen Mehrbedarf. Die Vorschrift lautet:
„Erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, erhalten einen Mehrbedarf in angemessener Höhe."
seit 2005
Die genannten medizinischen Gründe sind mit einer ärztlichen Bescheinigung nachzuweisen. Bei Neuantragsstellern als auch bei langjährigen Beziehern eines entsprechenden Mehrbedarfs erfolgt verstärkt eine Ablehnung des Mehrbedarfs mit nachstehendem Textbaustein, der als Anlage 2 in den Durchführungshinweisen der Bundesagentur für Arbeit zu § 21 SGB II enthalten ist:
„Ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung wird aus folgenden Gründen nicht gewährt: Ein Mehrbedarf besteht nur, wenn wegen einer Erkrankung aus medizinischen Gründen zwingend eine besondere Ernährung einzuhalten ist und diese teurer ist als eine sogenannte Vollkost. Vollkost (= gesunde Mischkost) ist die Ernährungsform, die auch allen gesunden Menschen empfohlen wird. Sie leiden an einer Erkrankung, bei der nach dem heutigen Stand der Ernährungsmedizin keine besonderen Lebensmittel erforderlich sind, sondern lediglich eine Vollkost empfohlen wird. Der notwendige Aufwand für eine Vollkost ist mit dem in der Regelleistung enthaltenen Anteil für Nahrungsmittel ausreichend gedeckt. Die gesetzliche Voraussetzung für einen Mehrbedarf besteht daher nicht."
Wer eine entsprechende Ablehnung erhält, sollte genau prüfen, ob die dort genannten Ausführungen auf seine Krankheit überhaupt zutreffen. Durchsetzbar ist ein Mehrbedarf jedenfalls in Höhe von zehn Prozent des Eckregelsatzes bei Krebs, Multipler Sklerose, HIV-Infektion, AIDS, Colitis ulcerus und Morbus Crohn. Ein Mehrbedarf in Höhe von 20 Prozent des Eckregelsatzes besteht bei Niereninsuffizienz, Zöllikakie und Sprue. Weitere Erkrankungen sind in den Durchführungshinweisen der Bundesagentur für Arbeit nicht aufgeführt. Auch die Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Daseinsvorsorge, auf denen die Durchführungshinweise der Bundesagentur beruhen, nennen weitere den Mehrbedarf auslösende Krankheiten nicht. Zweifellos dürfte ein solcher Mehrbedarf aber bestehen bei Phenylketonurie (PKU). Diese macht eine eiweißarme Ernährung erforderlich, die kostenmäßig erheblich über den Kosten einer normalen Ernährung liegt. Denkbar ist ein Mehrbedarf aber auch bei sonstigen Stoffwechsel-, Leber – und Nierenerkrankungen, die generell eine eiweißarme Ernährung erfordern. Auch bei Neurodermitis halte ich grundsätzlich die Durchsetzung eines Mehrbedarfes dann für möglich, wenn der Nachweis der Notwendigkeit einer kostenaufwändigen Ernährung zur Linderung geführt werden kann. Bei sonstigen Krankheiten werden jedenfalls Einzelfallentscheidungen zu treffen sein. Eine Ablehnung nur aus dem Grund, dass eine Krankheit nicht als mehrbedarfsauslösend in den Durchführungshinweisen der Bundesagentur für Arbeit genannt ist, ist jedenfalls rechtswidrig.
Erstanträge auf Gewährung eines Mehrbedarfes sollten Sie selbst unter Beifügung einer ärztlichen Bescheinigung stellen. Haben Sie einen Mehrbedarf bislang nicht erhalten, weil Sie gar nicht wussten, dass es einen gibt, dann kann unter Umständen ein Beratungsfehler der zuständigen Behörde vorliegen, weil Sie über den Mehrbedarf nicht aufgeklärt worden sind. Es kommt dann eine Geltendmachung der Mehrbedarfe für Vergangenheit unter dem Gesichtspunkt einer sozialrechtlichen Herstellung in Frage. Rechtskräftige rechtswidrige Ablehnungen in der Vergangenheit können Sie mit dem Antrag nach § 44 SGB X erneut prüfen lassen. Übrigens: Für Leistungsbezieher nach SGB XII gelten die gleichen Mehrbedarfe.
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Sozialrecht
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