Mehr Urlaub für alte Arbeitnehmer?

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Arbeitsintensive Tätigkeiten können Mehrurlaub für alte Mitarbeiter rechtfertigen

Vor zwei Jahren machte das Bundesarbeitsgericht Schlagzeilen, als es entschied, dass ein Tarifvertrag im öffentlichen Dienst jüngere Arbeitnehmer diskriminiert, wenn eine Urlaubsstaffelung nach Lebensalter vorgesehen ist. Gute zwei Jahre später entscheidet das Bundesarbeitsgericht nun – in der Privatwirtschaft –, dass Ältere mehr Anspruch auf Urlaub haben könnten. 123recht.de im Interview mit Rechtsanwalt Johannes Kromer.

123recht.de: Herr Kromer, das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass älteren Arbeitnehmern mehr Urlaub zustehen kann als jüngeren. Kennen Sie die Hintergründe?

Johannes Kromer
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Rechtsanwalt Kromer: Im vorliegenden Fall gewährte ein Arbeitgeber Arbeitnehmern einen Urlaubsanspruch von 36 Arbeitstagen, wenn diese das 58. Lebensjahr vollendet hatten. Jüngere Mitarbeiter mussten sich dagegen mit 34 Tagen Urlaub begnügen. Hiergegen klagte eine jüngere Arbeitnehmerin, da sie sich wegen des Alters diskriminiert fühlte.

Nicht jede Ungleichbehandlung ist eine Diskriminierung

123recht.de: Das Bundesarbeitsgericht wies die Klage ab. Warum?

Rechtsanwalt Kromer: Nicht jede Ungleichbehandlung stellt eine Diskriminierung dar. § 10 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) enthält einen Katalog von Gründen, aus denen eine Ungleichbehandlung wegen des Alters gerechtfertigt sein kann. Nach § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG ist eine Ungleichbehandlung unter anderem gerechtfertigt, wenn diese dem Schutz von älteren Beschäftigten dient und die Maßnahme erforderlich und angemessen ist.

123recht.de: Das ein Mehr an Urlaub dem Schutz älterer Beschäftigten dient, leuchtet ein. Aber ist dies wirklich erforderlich? Werden dadurch Jüngere nicht unangemessen benachteiligt?

Rechtsanwalt Kromer: Es bestand hier die Besonderheit, dass die Arbeitnehmer in einem Produktionsbetrieb beschäftigt wurden und hierbei körperlich ermüdende und schwere Arbeit leisten mussten. Die Richter in Erfurt argumentierten dann so, dass bei älteren Menschen diesbezüglich ein erhöhtes Erholungsbedürfnis vorliege.

Ein gesteigertes Erholungsbedürfnis kann Mehrurlaub für ältere Menschen rechtfertigen

123recht.de: Aber vor zwei Jahren entschied das Bundesarbeitsgericht doch noch, dass Mehrurlaub für Ältere nicht gerechtfertigt wäre. Weiß die eine Hand nicht, was die andere tut?

Rechtsanwalt Kromer: Die Frage ist berechtigt. Interessanterweise ergingen beide Entscheidungen auch noch vom selben Senat. Betrachtet man jedoch die Urteilsgründe, so war es nur eine Frage der Zeit, bis das Gericht eine andere Entscheidung trifft. Schon vor zwei Jahren stellte das Bundesarbeitsgericht darauf ab, dass ein gesteigertes Erholungsbedürfnis für ältere Menschen einen Mehrurlaub rechtfertigen könnte. Aber im konkreten Fall war dies nicht gegeben, da dort ein Mehrurlaub schon ab dem 30. Lebensalter gewährt wurde.

123recht.de: Gibt es demnach eine starre Grenze, ab wann eine Ungleichbehandlung zulässig ist?

Rechtsanwalt Kromer: Leider nein. Neben dem Alter ist auch auf die konkrete Tätigkeit abzustellen. Voraussichtlich werden sich hier in den nächsten Jahren einige Fallkategorien herausbilden. Insoweit bringt das Urteil leider nur Anhaltspunkte, indem auf körperlich belastende Arbeit abgestellt wurde. Ob entsprechendes auch für Bürotätigkeiten gelten würde, ist damit völlig offen.

123recht.de: Wie kann die unterschiedliche Urlaubsgewährung erfolgen? Gibt es nicht das Bundesurlaubsgesetz?

Rechtsanwalt Kromer: Das Bundesurlaubsgesetz regelt nur den gesetzlichen Mindesturlaub. Hiervon kann durch Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung und Tarifvertrag (nach oben) abgewichen werden.

123recht.de: Vielen Dank Herr Kromer.

Quelle:

Bundesarbeitsgericht Urteil vom 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 -

BAG, Urt. v. 20. 3. 2012 − 9 AZR 529/10

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