Martin Lindner, Stuckrad-Barre und der Joint

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Fünf Fragen zur Strafbarkeit von Betäubungsmitteln an Rechtsanwalt Alexander Stephens

123recht.de: Martin Lindner, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der FDP, hat im Fernsehen genüsslich an einem Joint gezogen. Haben Sie den Auftritt in der Fernsehsendung "Stuckrad-Barre" verfolgen können oder davon gehört?

Rechtsanwalt Stephens: Ich hatte im Internet darüber gelesen und mir dann den Fernsehbeitrag über die Mediathek angesehen.

123recht.de: Vorausgesetzt, da war wirklich THC im Joint - wie bewerten Sie, dass ein Fernsehsender oder ein Moderator für ein TV-Format Drogen kauft?

Rechtsanwalt Stephens: Wenn es sich wirklich um einen „Joint" gehandelt haben sollte – dessen ich sehr skeptisch bin – dann bewerte ich dies aus zweierlei Sicht:

Juristisch gesehen ist der Erwerb und aber auch der Besitz von Drogen – egal ob es sich dabei um ein Fernsehformat handelt – eine Straftat.
Aus einer rein privaten Sicht bewertet, halte ich die Aktion für einen extrem polarisierenden Mediengag, der sowohl dem Moderator bzw. der Sendung, als auch Martin Lindner entsprechende Aufmerksamkeit zu Teil kommen lassen sollte. Man kann bezüglich des Konsums weicher Drogen geteilter Meinung sein, der reelle Live-Konsum im TV bricht sicherlich ein Tabu, sollte aber angesichts der nicht auszuschließenden politischen Intension reines Populismus nicht überbewertet und auch nicht künstlich aufgebauscht werden. Aus drogenpräventiven und etwaigen erzieherischen Gründen hat ein solcher Gag im Fernsehen aber meiner Meinung nach wenig verloren.

123recht.de: Hat der Sender bzw. der Moderator nicht sogar eine Straftat begangen?

Rechtsanwalt Stephens: Der Sender selbst kann sich als juristische Person oder Personalgesellschaft nicht strafbar gemacht haben, denn nach dem deutschen Strafrecht können nur natürliche Personen, also keine Firmen oder eben Sender Straftaten begehen. Somit kann sich nur der Moderator und ggf. derjenige, der dem Moderator den Joint besorgt hat, strafbar gemacht haben.
Bezugnehmend auf den Moderator und abhängig davon, ob der Moderator zugleich den Joint auch „besorgt" hat, war er jedenfalls im strafbewehrten Besitz des Joints gem. § 29 Abs. 1 Nr. 3 BtmG.
Besitz in juristisch-strafrechtlicher Hinsicht meint dabei, dass der Täter die tatsächliche Verfügungsmacht über das Betäubungsmittel haben muss, die es ihm ermöglicht, mit dem Betäubungsmittel nach Belieben verfahren zu können, also es insbesondere zu verbrauchen oder anderen abzugeben. Dies war in der Person des Moderators eindeutig der Fall, zumal er den Joint ausweislich der Sendung über eine längere Zeit im Besitz hatte und darüber nach seinem Belieben verfügte.
Darüber hinaus hat er den Joint aber auch dem Politiker Martin Lindner - wenn auch nur für einen kurzen Zug – überlassen, sodass der Moderator sich neben dem bloßen Besitz von Betäubungsmitteln auch wegen der (unentgeltlichen) Abgabe an Dritte gem. § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtmG strafbar gemacht haben könnte. Typische Beispiele für die strafbewehrte Abgabe von BTM sind gerade das schenkweise Aufteilen eines Drogenvorrats oder das sonstige Verschenken von Betäubungsmitteln. Allerdings muss der Dritte die tatsächliche Verfügungsmacht über das Betäubungsmittel erlangt haben. Dies ist mit dem Aus-der-Hand-geben des Joints an den Dritten grundsätzlich auch erfüllt. Einzig problematisch an dem vorliegenden Fall ist jedoch, dass der Moderator Herrn Lindner den Joint nur für eine sehr kurze Zeit überlassen hatte (ein Zug), sodass es nach der herrschenden Meinung dennoch an dem Übergang der Verfügungsgewalt fehlte, weil Martin Lindner das Betäubungsmittel nur zum Mitgenuss oder in verbrauchsgerechter Menge zum sofortigen Verbrauch an Ort und Stelle erhalten hatte. Zusammenfassend gesprochen hat sich der Moderator also nur wegen des unerlaubten Besitzes von BTM strafbar gemacht!

123recht.de: Ist die Weitergabe an den Politiker ein "Inverkehrbringen" im Sinne des Gesetzes?

Rechtsanwalt Stephens: Wie gerade gezeigt grundsätzlich ja! Denn das (sonstige) Inverkehrbringen ist - ähnlich wie bei der Abgabe von BTM - jedes, gleichwie geartete, Eröffnen der Möglichkeit, dass ein anderer die tatsächliche Verfügungsmacht über das Betäubungsmittel erlangt. Erfasst wird damit jede Verursachung des Wechsels der Verfügungsgewalt in der Weise, dass der Empfänger nach Belieben mit dem Betäubungsmittel verfahren kann. Allerdings gilt die Vorschrift des Indenverkehrbringens nur für die Fälle, in denen eine konkrete Abgabehandlung nicht festgestellt werden kann und der Empfänger das Betäubungsmittel nicht nur zum Mitgenuss oder in verbrauchsgerechter Menge zum sofortigen Verbrauch an Ort und Stelle erhält. Da jedoch - wie bereits gesagt - der Moderator Herrn Lindner den Joint weder abgegeben und auch nur für eine sehr kurze Zeit überlassen hatte (ein Zug), fehlt es nach herrschender juristischer Meinung auch an dem Tatbestand des „Inverkehrbringens".

123recht.de: Drohen Martin Lindner Konsequenzen? Ist der Konsum jetzt strafbar oder legal?

Rechtsanwalt Stephens: Um eins vorweg zu nehmen: Strafrechtliche Konsequenzen werden weder Herrn Lindner noch dem Moderator drohen, da sich im Nachhinein nicht feststellen lassen wird, ob eben jener im Fernsehen gerauchte Joint tatsächlich ein solcher war und die beiden Herren dies im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens kaum zugeben würden.
Darüber hinaus wird man in Bezug auf Martin Lindner eine Strafbarkeit mit Blick auf obige Argumentation auch ablehnen müssen. Wie gezeigt ist zwar der Besitz von Betäubungsmitteln strafbar, nicht aber der Konsum. Zwar geht das Gesetz wegen des Risikos, dass auch kleine Mengen eines Betäubungsmittels mit Dritten geteilt oder an sie weiter gegeben werden, in Übereinstimmung mit den internationalen Suchtstoffübereinkommen davon aus, dass auch der Besitz einer solchen kleinen Menge wie der eines einzigen Jointes eine Gefahr für die durch das BtMG geschützten Rechtsgüter darstellt, dennoch war Herrn Lindner der Joint nur zum sofortigen Gebrauch an Ort und Stelle überlassen worden, sodass er nicht über die für den Besitz erforderliche Verfügungsgewalt im juristischen Sinne verfügte. Dies unterscheidet den Besitz von dem Konsum, der nur zu einer Selbstgefährdung oder -verletzung führen kann. An dem Übergang der Verfügungsgewalt fehlt es aber, wenn der Empfänger das Betäubungsmittel nur zum Mitgenuss oder in verbrauchsgerechter Menge zum sofortigen Verbrauch an Ort und Stelle erhält. Martin Lindner hätte sich also selbst bei tatsächlichem BTM-Konsums in der Fernsehsendung nicht strafbar gemacht.

123recht.de: Was ist, wenn der Politiker danach am Straßenverkehr teilgenommen hat?

Rechtsanwalt Stephens: Wegen des Konsums von berauschenden Mitteln, wie Drogen oder eben auch eines Joints wird gem. § 316 Abs 1 StGB nur bestraft, wer in Folge des Konsums nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen. Der diesbezügliche Nachweis der Fahrunsicherheit müsste auf Grund der rauschmittelbedingten Ausfallerscheinungen erbracht werden. Ohne Herrn Lindner dabei zu nahe zu treten, wären solcherlei Ausfallerscheinungen nach dem bloßen einmaligen Zug an dem Joint der allgemeinen Lebenserfahrung nach kaum zu erwarten, sodass er sich nicht strafbar gemacht hätte, wenn er nach dem einen Zug an dem Joint mit dem Auto gefahren wäre.

123recht.de: Ob Mediengag oder echter Joint, in jedem Fall eine interessante rechtliche Thematik. Vielen Dank für das sehr informative Gespräch und Ihre geopferte Zeit.

Profil von Rechtsanwalt Alexander Stephens auf 123recht.de