Kündigung wegen heimlichen Fotografierens von Unterlagen des Arbeitgebers

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Heimliches Fotografieren von Unterlagen des Arbeitgebers kann eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses ohne Abmahnung rechtfertigen

Ausgangslage

Wenn Arbeitnehmer von ihren Vorgesetzten schikaniert, gemobbt oder sonst wie in ihren Rechten beeinträchtigt werden, haben sie oft Beweisprobleme. Die Gespräche finden häufig unter vier Augen statt, der Inhalt lässt sich dann nicht beweisen. Hier entsteht schnell die Versuchung, solche Gespräche heimlich aufzunehmen. Das Problem: solche heimlichen Aufnahmen können unter Umständen sogar eine fristlose Kündigung, jedenfalls aber eine ordentliche Kündigung, gegebenenfalls sogar ohne Abmahnung, rechtfertigen.

Hintergrund: Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz schützt auch Rechtspositionen, die für die Entfaltung der Persönlichkeit notwendig sind. Dazu gehört in bestimmten Grenzen, ebenso wie das Recht am eigenen Bild, das Recht am gesprochenen Wort. Deshalb darf grundsätzlich jedermann selbst und allein bestimmen, wer sein Wort aufnehmen soll, sowie ob und vor wem seine auf einen Tonträger aufgenommene Stimme wieder abgespielt werden darf (BVerfG, Entscheidung vom 31. Januar 1973 – 2 BvR 454/71 –, BVerfGE 34, 238-251).

Missachtet der Arbeitnehmer diese Grundrechte seiner Vorgesetzten, kann dies einen schweren Pflichtenverstoß aus dem Arbeitsverhältnis darstellen, der wiederum eine drauf gestützte Kündigung begründen kann.

Fall

Der Entscheidung lag ein Fall zu Grunde, wo ein Arbeitnehmer bei einem Vortrag des neuen Geschäftsführers diesen fotografiert hatte. Eigentlich ging es ihm aber um die vom Geschäftsführer präsentierten Charts, auf denen es um das Provisionssystem des Arbeitgebers ging. Der Kläger wollte wohl zur Sicherung seiner Ansprüche und zur späteren Begründung etwaiger Forderungen Beweismittel erlangen.

Urteil

Das Landesarbeitsgericht sah die fristlose Kündigung für unwirksam, die hilfsweise erklärte Kündigung aber für wirksam an. Das Landesarbeitsgericht München: „Fotografiert ein Arbeitnehmer ohne Genehmigung der Arbeitgeberin auf einer betrieblichen Tagung heimlich deren Geschäftsführer während eines Vortrages, einschließlich der von ihm dabei gezeigten und unter das Betriebsgeheimnis fallenden Schaubilder, so rechtfertigt dies die Kündigung ohne vorherige Abmahnung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und der nachhaltigen Störung des Vertrauensverhältnisses (Urteil vom 17. Dezember 2002 – 6 Sa 197/02 –)."

Bewertung

Ich halte das Ergebnis für nicht zwangsläufig. Fakt ist aber, dass das heimliche Herstellen von Bild- oder Tonaufnahmen unzulässig ist und auch einen erheblichen Pflichtenverstoß darstellen kann. Ob ein solcher Pflichtenverstoß dann die Kündigung rechtfertigen kann, hängt allerdings von den genauen Zusammenhängen ab. Wenn der Arbeitgeber selber Pflichtenverstöße begangen hat, muss dies bei der Gesamtabwägung mit berücksichtigt werden.

Das Bundesarbeitsgericht hat in neuerer Rechtsprechung die grundsätzliche Möglichkeit einer Kündigung wegen heimlicher Mitschnitte noch einmal bestätigt: „Der heimliche Mitschnitt eines Personalgesprächs ist „an sich" geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Dabei kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung an (vgl. § 201 StGB). Maßgeblich ist die mit diesem Verhalten verbundene Verletzung der dem Arbeitnehmer nach § 241 Abs. 2 BGB obliegenden Pflicht zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers. Dieser hat seine Mitarbeiter bei der Ausübung ihrer Tätigkeit auch im Hinblick auf die Vertraulichkeit des Wortes zu schützen. Das nicht öffentlich gesprochene Wort eines anderen darf - auch im Betrieb - nicht heimlich mitgeschnitten werden (BAG, Urteil vom 19. Juli 2012 – 2 AZR 989/11 –, BAGE 142, 351-365)."

Fachanwaltstipp Arbeitnehmer

Manchmal hat man nur die Wahl zwischen verschiedenen Übeln. Gleichwohl sollte man sich der Problematik unbedingt bewusst sein, um nicht am Ende statt zum Beispiel seine Ansprüche wegen Mobbings durchzusetzen, fristlos gekündigt auf der Straße zu sitzen.

Fachanwaltstipp Arbeitgeber

Arbeitgeber müssen bei der heimlichen Überwachung von Arbeitnehmern aufgrund der neuesten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ohnehin sehr vorsichtig sein. Das Bundesarbeitsgericht lässt die Überwachung nur bei dem auf konkrete Tatsachen begründeten Verdacht schwerwiegender Pflichtverletzungen durch den Arbeitnehmer zu. Wer in anderen Fällen überwacht, riskiert nicht nur, dass die späteren Kündigungen unwirksam sind. Er muss auch an den Arbeitnehmer Schadensersatz zahlen.

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