Kündigung: Sonderfall Schwangerschaft

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Kündigung: Sonderfall Schwangerschaft

Eine Kündigung legt das Ende des Arbeitsverhältnisses zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber fest. Die Kündigung eines Arbeitnehmers hat für diesen weitgehende, auch existenzielle, Folgen. Jede Kündigung sollte von der Arbeitgeberseite stets gut vorbereitet werden. Neben der materiell-rechtlichen Beachtung der Kündigungsschutzvorschriften, soweit anwendbar, kommt der Wahrung von Fristen in einem Kündigungsrechtsstreit in vielen Fällen eine hohe Bedeutung zu. Der kündigende Arbeitgeber muss prüfen, ob neben den allgemeinen gesetzlichen Kündigungsfristen sich andere Kündigungsfristen aus dem Arbeitsvertrag oder einer tarifvertraglichen Regelung ergeben. Die Kündigungsfrist ist zu berechnen und zu verkünden.

Für den Arbeitnehmer ist es wichtig, die 3-Wochen-Frist des § 4 KSchG einzuhalten. In dieser 3-Wochen-Frist, die mit dem Zugang der Kündigung zu laufen beginnt, ist grundsätzlich Kündigungschutzklage einzureichen, um sich gegen die Kündigung arbeitsgerichtlich wehren zu können. Diese 3-Wochen-Frist ist einzuhalten, unabhängig davon, ob das KSchG darüber hinaus mit seinen arbeitsrechtlichen Arbeitnehmerschutzvorschriften Anwendung findet. Entscheidend dafür ist nämlich die Anzahl der Arbeitnehmer im Betrieb. Auch der kündigungsrechtliche Mutterschutz (§ 9 MuSchG) besteht unabhängig von der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer. Es handelt sich bei ihm um einen Schutz, der ein absolutes Kündigungsverbot bedeutet.

I. Gesetzliche Regelung

Gemäß § 9 I 1 MuSchG ist die Kündigung gegenüber einer schwangeren Frau und bis zum Ablauf von 4 Monaten nach der Entbindung unzulässig. Eine Entbindung im Sinne des Gesetzes ist auch dann gegeben, wenn eine Totgeburt vorliegt, allerdings nicht, bei einer Fehlgeburt. Nach dem Bundesarbeitsgericht liegt eine Entbindung auch im Fall eines Schwangerschaftsabbruchs vor, wenn die Leibesfrucht wenigstens 500g gewogen hat (BAG, Urteil v 15.12.2005, EzA § 9 MuSchG n. F. 41).

Voraussetzung ist des Weiteren, dass der Arbeitgeber Kenntnis zur Zeit der Kündigung von der Schwangerschaft oder der Entbindung hatte, oder ihm dies innerhalb von 2 Wochen nach Zugang der Kündigung von der Arbeitnehmerin mitgeteilt wird. Im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung muss die Schwangerschaft bereits bestanden haben.

Die Kündigung darf nicht während der Schutzzeiten bereits zum Ende der Schutzzeit erfolgen.

II. Kündigung nach behördlicher Zustimmung

Der Arbeitgeber hat die Möglichkeit, eine Arbeitnehmerin in der Schutzzeit zu kündigen, wenn er vor der Kündigung die Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörde (i.d.R. das Gewerbeaufsichtsamt) einholt. Die Zustimmung wird nur erteilt werden, wenn ein „besonderer Fall" vorliegt. Dies ist der gesetzliche Prüfungsmaßstab. Dieser „besondere Fall" liegt dann vor, wenn außergewöhnliche Umstände es rechtfertigen, die grundsätzlich vorrangig zu behandelnden Interessen der schwangeren Arbeitnehmerin hinter das Kündigungsinteresse des Arbeitgeber zurückstehen zu lassen. Der rein arbeitrechtliche Kündigungsgrund genügt dafür nicht. Die Interessenabwägung muss anhand des Einzelfalles erfolgen.

Gegenstand der behördlichen Zustimmungserklärung kann sowohl eine ordentliche als auch eine außerordentliche Kündigung sein. Mit der behördlichen Zustimmung wird die gesetzliche Kündigungssperre für den Arbeitgeber aufgehoben. Die Zustimmung ist rechtlich ein Verwaltungsakt, der auf dem Verwaltungsrechtsweg mit der sogenannten Anfechtungsklage gesondert angegriffen werden kann und sollte, wenn ein Widerspruchsverfahren erfolglos geblieben ist. Der Bescheid sagt im Übrigen nichts über die arbeitsrechtliche Rechtfertigung der Kündigung aus. Diese Frage wird im Kündigungsschutzverfahren vor den Arbeitsgerichten entschieden. Nach Ansicht des BAG haben Widerspruch und Anfechtungsklage eine aufschiebende Wirkung, d.h. ein z.B. angefochtener Zustimmungsbescheid mit erfolgender Kündigung die Kündigung zwar nicht unwirksam macht. Sie aber nur schwebend wirksam (BAG 17.06.2003 EzA § 9 MuSchG Nr. 39). Die Kündigung wird dann unwirksam, wenn der Zustimmungsbescheid rechtswidrig ist.

Gemäß § 9 MuSchG muss die Kündigung schriftlich unter Angabe des zulässigen Kündigungsgrundes erfolgen. Die elektronische Form, z. B. durch email, ist nicht ausreichend. Dies gilt auch für die Kündigungsbegründung. Der Kündigung muss auch die behördliche Zustimmung zur Kündigung beigefügt sein.

III. Kenntnis des Arbeitgebers von der Schwangerschaft

Ganz erheblich für den Kündigungsschutz der schwangeren Arbeitnehmerin ist das Erfordernis, den Arbeitgeber rechtzeitig über die Schwangerschaft zu informieren. Nur wenn dieser rechtzeitig Bescheid weiß, kann und muss die gesetzliche Kündigungssperre berücksichtigt werden. Hierfür gilt grundsätzlich die Einhaltung einer 2-Wochen-Frist, in der nach Zugang der Kündigung der Arbeitgeber über die Schwangerschaft informiert werden muss (§ 9 I MuSchG).  

Das Überschreiten dieser Frist ist nur dann unschädlich, wenn die Frist ohne gröbliches Verschulden der Arbeitnehmerin nicht eingehalten wurde und unverzüglich nachgeholt wird. Das ist z.B. der Fall, wenn die Arbeitnehmerin erst nach Ablauf der 2-Wochen-Frist von der Schwangerschaft Kenntnis erlangt. Nach Auffassung des LAG Nürnberg (17.03.1993 NZA 1993, 946 LS) liegt ein schuldhaftes Verhalten auch dann nicht vor, wenn die Arbeitnehmerin trotz Kenntnis von der Schwangerschaft mit der entsprechenden Mitteilung an den Arbeitgeber wartet, bis sie vom Arzt eine Schwangerschaftsbestätigung erhält, aus der sich der Beginn der Schwangerschaft ergibt. Wann die Nachholung der Schwangerschaftsanzeige noch „unverzüglich" erfolgte, hängt von der Betrachtung des Einzelfalles ab. So kann eine Nachholung innerhalb von 13 Tagen nach Ablauf der 2-Wochen-Frist noch ausreichen (LAG Hamm, Urteil v 17.10.2006, 9 Sa 1503/05).

Es sollte darauf geachtet werden, dass die Schwangerschaft ausdrücklich mit dem Hinweis mitgeteilt wird, dass sie bereits beim Zugang der Kündigung bestand. Eine danach eintretende Schwangerschaft löst die Kündigungssperre nicht aus.

Die schwangere Arbeitnehmerin ist darlegungs- und beweispflichtig für die Tatsache, dass sie im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits schwanger war.

IV. Beachte: Klagefrist für Kündigungsschutzverfahren

Auch in dem hier beschriebenen Fall gilt die 3-Wochen-Klagefrist des § 4 KSchG. Erlangt die Arbeitnehmerin aus einem nicht von ihr zu vertretenen Grund erst nach Ablauf dieser Klagefrist Kenntnis von der Schwangerschaft, ist die Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen. Zu beachten ist aber Folgendes: Ist für die Kündigung die behördliche Zustimmung erforderlich, läuft die Klagefrist erst mit Bekanntgabe der behördlichen Entscheidung gegenüber der Arbeitnehmerin. Sie wird nicht in Lauf gesetzt, wenn der Arbeitgeber nicht vor Ausspruch der Kündigung die behördliche Zustimmung beantragt hat, obwohl ihm die bestehende Schwangerschaft bekannt war (LAG Hamm, Urteil v 22.09.2005, 8 Sa 974/05).

Fehlt es aber im Fall des § 9 III MuSchG (behördliche Zustimmung für Kündigung) zur Zeit der Kündigung an der arbeitgeberseitigen Kenntnis von der Schwangerschaft, und holt der Arbeitgeber aus diesem Grund der Unkenntnis die Zustimmung vor Ausspruch der Kündigung nicht ein, läuft die Klagefrist für die Kündigungsschutzklage eben nicht erst mit Bekanntgabe der behördlichen Entscheidung (die gibt es ja gerade nicht), § 4 S. 4 KSchG, sondern ganz normal ab dem Zugang der Kündigung (LAG Nds. 22.01.2007 EzA § 4 KSchG Nr. 53, LAG Düsseldorf 10.02. 2005 NZA-RR 2005, 382).

Damit läuft die Klagefrist wesentlich „schneller" ab und es muss darauf geachtet werden, dass rechtzeitig Kündigungsschutzklage eingereicht wird. Ansonsten droht der Verlust des Rechtsschutzes.

V. Schlussbemerkung

Die zu beachtenden Verfahren vor dem Arbeitsgericht und dem Verwaltungsgericht und die vielen zu beachtenden Fristen mit den gesonderten Regelungen, machen die Kündigung von schwangeren Arbeitnehmerinnen für Arbeitgeber, aber auch das richtige Verhalten für die schutzbedürftigen Arbeitnehmerinnen komplex.

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