Kündigung Gemeinschaftspraxen oder anderen Freiberuflersozitäten

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Was passiert wenn die Mehrheit kündigt?

Kündigung Gemeinschaftspraxen oder anderen Freiberuflersozitäten

Was geschieht, wenn bspw. in einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis mit mehr als nur zwei Gesellschaftern die Mehrheit der Gesellschafter gemeinsam die Kündigung erklärt? Können die verbleibenden sich auf ggf. vertraglich vereinbartes Kündigungsrecht berufen oder geht dies auf die Mehrheit über? Oder darf man im Gesellschaftsvertrag gar vereinbaren, dass in derartigen Fällen immer die Mehrheit das Fortführungsrecht hat? Mit einer solchen Frage hatte sich der Bundesgerichtshof kürzlich zu befassen.

Der Ausgangsfall

Luis Fernando Ureta
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Anlass der Entscheidung war eine Anwaltssozietät mit zehn Gesellschaftern von denen sechs aufgrund interner Differenzen gemeinsam kündigten. Der Vertrag sah vor, dass im Falle einer Kündigung der kündigende Gesellschafter aus der Sozietät ausscheidet. Auf den Fall einer Kündigung zahlreicher Gesellschafter war der Klausel erkennbar nicht zugeschnitten. Nun meinten die kündigenden Gesellschafter vor diesem Hintergrund, dass die Fortsetzungsklausel keine Anwendung finden dürfe, vielmehr sei die Sozietät aufzulösen. Dem folgte der BGH nicht.

Auch wenn die Klausel eine derartige Situation nicht unbedingt regeln sollte, gäbe es keinen Grund, weshalb hier etwas anderes gelten sollte.

Insbesondere gäbe es kein Schutzbedürfnis der Gesellschaftermehrheit, wonach nun eine Auflösung erfolgen müsse. Allenfalls sei an eine Anpassung der Abfindungsklausel zu denken.

BGH vom 07.04.2008

Typische Probleme

Der hier beschriebene Fall ist von zunehmender praktischer Relevanz. Grundsätzlich gilt, dass im Falle einer Kündigung die Gemeinschaftspraxis, Sozietät, Praxisgemeinschaft u.s.w. aufgelöst wird. Es ist aber zulässig und üblich zu vereinbaren, dass der kündigende Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheidet und diese gegen Zahlung einer Abfindung von den Anderen fortgeführt wird. In eng umschriebenen Ausnahmefällen darf für einen begrenzten Zeitraum (1-3 Jahre) vereinbart werden, dass der Kündigungsempfänger aus der Gesellschaft ausscheidet.

Häufig kommt es aber vor, dass bei einer Vielzahl von Gesellschaftern die Fortführung nicht interessengerecht ist. Insbesondere dann, wenn eine Minderheit von Gesellschaftern oder auch nur ein einzelner Gesellschafter sich beständig als Unruheherd o.ä. erweist. Da eine fristlose Kündigung in der Praxis nur selten durchsetzbar ist, stehen die verbleibenden Gesellschafter vor einem Dilemma. Wenn nämlich der Vertrag für den Fall des Ausscheidens ein Wettbewerbsverbot vorsieht, müssen die ausscheidenden Gesellschafter nicht nur den konkreten Standort verlassen, sie dürfen auch ihren bisherigen Patienten-/Mandanten- oder Kundenstamm nicht weiter betreuen.

Praxistipp:

Angesichts des oben beschriebenen Problems empfiehlt es sich, von schablonenartigen Musterklauseln abstand zu nehmen. Vielmehr sollte im Einzelfall geprüft werden, welche Regelung getroffen werden kann, um die individuellen Interessen der Beteiligten am besten zu würdigen. Hierbei sollte auch erwogen werden, die typische – und zumeist sachgerechte – Fortführungsklausel kritisch zu hinterfragen und ggf. anzupassen oder gänzlich auf diese zu verzichten.

Und: Wenn eine solche Gesellschaft wächst oder der Gesellschafterbestand sich verändert, sollten die Regelungen des bisherigen Gesellschaftsvertrages nicht unkritisch fortgeführt werden.


Rechtsanwalt Luis Fernando Ureta
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