Krank zur Arbeit?

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Das müssen Arbeitnehmer während einer Krankheit beachten

Jeden kann es mal erwischen. Bazillenverseuchte Bahnen, Grippezeit, kranke Familienmitglieder. Irgendwann sind die Abwehrkräfte aufgezehrt und man liegt selbst krank im Bett. Und nun, die Arbeit muss ja weitergehen? 123recht.de im Interview mit Rechtsanwalt Peter-Thomas Götz, Fachanwalt für Arbeitsrecht, zum Thema Krankheit, Krankschreibung und Arbeit.

123recht.de: Herr Götz, wann darf ein Arbeitnehmer krank zu Hause bleiben?

Rechtsanwalt Götz: Ein Arbeitnehmer darf krank zu Hause bleiben, wenn Arbeitsunfähigkeit vorliegt. Das ist der Fall, wenn der Mitarbeiter aufgrund von Krankheit seine zuletzt vor der Arbeitsunfähigkeit ausgeübte Tätigkeit nicht mehr oder nur unter der Gefahr der Verschlimmerung der Erkrankung ausführen kann. Dabei kommt es darauf an, welche Bedingungen die bisherige Tätigkeit konkret geprägt haben. Arbeitsunfähigkeit liegt auch dann vor, wenn aufgrund eines bestimmten Krankheitszustandes, der für sich alleine noch keine Arbeitsunfähigkeit bedingt, absehbar ist, dass aus der Ausübung der Tätigkeit für die Gesundheit oder der Gesundung abträgliche Folgen erwachsen, die eine Arbeitsunfähigkeit unmittelbar hervorrufen. Die Einzelheiten regelt die für alle Arbeitnehmer geltende Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie.

Krankschreibung spätestens am 4. Tag der Arbeitsunfähigkeit vorlegen

123recht.de: Muss ich bei Krankheit zwingend einen Arzt aufsuchen oder darf ich eigenmächtig auch länger zu Hause bleiben?

Rechtsanwalt Götz: Arbeitnehmer haben die Pflicht, ihre Arbeitsunfähigkeit durch eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nachzuweisen. Dieser Nachweis ist nur entbehrlich, wenn die Arbeitsunfähigkeit unstreitig ist. Nach der gesetzlichen Regelung des § 5 EFZG ist bei einer Erkrankung, die länger als 3 Tage dauert, spätestens am 4. Tag der Arbeitsunfähigkeit die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beim Arbeitgeber vorzulegen. Bei bis zu 3 Tagen dauernden Erkrankungen besteht keine Attestpflicht mehr, so dass auch nicht zwingend ein Arzt aufgesucht werden muss. Der Arbeitgeber ist aber berechtigt, auch bei solchen Kurzerkrankungen eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu einem früheren Zeitpunkt zu verlangen.

123recht.de: Sport, Kino, Einkaufen, Feiern – was ist während der Krankheit erlaubt und was nicht?

Rechtsanwalt Götz: Kranke Mitarbeiter müssen nicht zwangsläufig zu Hause bleiben oder das Bett hüten.

Arbeitnehmer dürfen aber nichts tun, was verhindert, dass sie genesen und schnellstmöglich wieder gesund werden. Sie müssen sich genesungsfördernd verhalten. Je nach Erkrankung kann es sogar genesungsfördernd sein, etwas zu unternehmen oder Sport zu treiben. Auch ein Einkauf oder ein Besuch im Kino kann im Einzelfall in Ordnung sein. Ausschweifend feiern sollte der Arbeitnehmer allerdings nicht, um Schwierigkeiten zu vermeiden.

"Die Anweisung des Arztes ist nicht bindend, sondern nur eine Prognose"

123recht.de: Trotz längerer Krankschreibung gehe ich früher zur Arbeit, weil ich mich wieder gesund fühle. Ist das erlaubt oder ist die Anweisung des Arztes bindend?

Rechtsanwalt Götz: Wird die Arbeitsfähigkeit früher hergestellt, als vom Arzt voraussichtlich prognostiziert, kann der Mitarbeiter ohne weiteren Arztbesuch wieder arbeiten gehen. Eine ärztliche „Gesundschreibung" gibt es nicht. Die Anweisung des Arztes ist nicht bindend, sondern nur eine Prognose der voraussichtlichen Arbeitsunfähigkeit.

123recht.de: Drohen mir trotzdem Konsequenzen, wenn ich eigenmächtig trotz Krankschreibung zur Arbeit gehe, z.B. von meiner Krankenkasse?

Rechtsanwalt Götz: Der Arbeitgeber hat gegenüber dem krankgeschriebenen Arbeitnehmer eine Fürsorgepflicht.

Diese beinhaltet sogar, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer von der Arbeit abhalten muss, wenn er weiß, dass die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers objektiv feststeht.

Der Arbeitnehmer sollte daher seine vorzeitige Gesundung dem Arbeitgeber mitteilen und mit ihm seine frühere Aufnahme der Tätigkeit besprechen. Konsequenzen von der Krankenkasse oder Unfallversicherung / Berufsgenossenschaft bei einem (Wege-)Unfall drohen nicht. Sollte der Arbeitnehmer aber auf die Idee kommen, während der Krankschreibung nicht bei seinem eigenen Arbeitgeber, sondern einem anderen Arbeitgeber „fremdzuarbeiten", wäre dies vertragswidrig und kann arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zur fristlosen Kündigung nach sich ziehen.

Arbeitnehmer muss auf ansteckende Infektionskrankheiten hinweisen

123recht.de: Haben meine angesteckten Kollegen und mein Betrieb Ansprüche gegen mich, wenn ich krank zur Arbeit gehe oder mich über eine Krankschreibung hinwegsetze?

Rechtsanwalt Götz: Wenn ein Arbeitnehmer an einer ansteckenden Krankheit leidet, so gebietet die Fürsorgepflicht selbstverständlich, dass er im gesamten krankgeschriebenen Zeitraum nicht arbeitet. Grundsätzlich muss der Arbeitnehmer keine Angaben über Art und Ursache seiner Erkrankung machen. Bestehen jedoch Gefahren für Dritte, etwa durch ansteckende Infektionskrankheiten, muss der Arbeitnehmer hierauf hinweisen. Weitergehende Meldepflichten können sich ergeben, wenn der Arbeitsplatz mit besonderen Ansteckungsgefahren verbunden ist. Wenn ein Mitarbeiter leichtfertig seine Kollegen ansteckt, ist es sogar denkbar, dass er gegenüber dem Arbeitgeber schadensersatzpflichtig wird und für die finanziellen Folgen der Erkrankungen Dritter einstehen muss.

123recht.de: Durch eigenmächtiges Handeln habe ich eine Krankheit verschleppt und nun ist es alles noch schlimmer, ich falle nun noch länger aus. Habe ich dafür Konsequenzen zu befürchten?

Rechtsanwalt Götz: Der Arbeitnehmer hat eine Pflicht zum genesungsförderlichen Verhalten. Verhält sich der Arbeitnehmer allerdings nicht genesungsförderlich, drohen im Einzelfall Konsequenzen von der Abmahnung bis hin zur fristlosen Kündigung. Der Arbeitgeber ist hierbei allerdings in der Beweispflicht. Der Beweis, dass durch eigenmächtiges Handeln eine Krankheit verschleppt wurde, wird dabei nicht einfach zu führen sein.

123recht.de: Ab wann habe ich einen Anspruch auf Krankengeld, welche Voraussetzungen müssen dafür erfüllt sein?

Rechtsanwalt Götz: Krankengeld ist eine Entgeltersatzleistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Anspruch auf Zahlung haben pflichtversicherte Arbeitnehmer und freiwillig Versicherte. Der Anspruch entsteht, wenn der Versicherte arbeitsunfähig ist oder stationär in einem Krankenhaus oder einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung behandelt wird. Er besteht ohne zeitliche Begrenzung, bei Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit jedoch längstens für 78 Wochen innerhalb einer Frist von 3 Jahren. Der Anspruch ruht, so lange der Versicherte Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen oder andere Entgeltersatzleistungen erhält.

Kündigung wegen Krankheit ist grundsätzlich möglich

123recht.de: Kann mir wegen einer Krankheit gar gekündigt werden?

Rechtsanwalt Götz: Der Arbeitgeber kann grundsätzlich auch während der Krankheit eines Arbeitnehmers kündigen. Eine Begründung ist nur erforderlich, wenn das Arbeitsverhältnis dem Kündigungsschutzgesetz unterfällt. Dann bildet eine Kündigung wegen Krankheit einen Unterfall einer personenbedingten Kündigung. Deren Zulässigkeit wird in drei Stufen geprüft.

Stufe 1:
Geprüft wird, ob zum Zeitpunkt der Kündigung eine Prognose getroffen werden kann, dass auch in Zukunft mit weiteren Erkrankungen in dem bisherigen Umfang zu rechnen ist (sog. negative Gesundheitsprognose).

Stufe 2:
Aufgrund dieser negativen Gesundheitsprognose muss die Besorgnis bestehen, dass die zu erwartenden Fehlzeiten zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen oder wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers führen.

Stufe 3:
Letztlich ist auf dieser Stufe abzuwägen, ob diese Beeinträchtigungen des Arbeitgebers gegenüber den Interessen des Arbeitnehmers vorrangig sind. Bei Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer solchen Kündigung sollte sich der Arbeitnehmer innerhalb der 3-Wochen-Frist des Kündigungsschutzgesetzes ab Zugang der Kündigung mit einer Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht zur Wehr setzen.

123recht.de: Wir bedanken uns ganz herzlich für das Gespräch.