Kein Fahrverbot bei überlanger Verfahrensdauer

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1. Der Fall

Von der Anordnung eines Fahrverbotes kann abgesehen werden, wenn zwischen Tat und ihrer gerichtlichen Anordnung 23 Monate liegen, der Betroffene verkehrsrechtlich nicht mehr auffällig wurde und die lange Verfahrensdauer auch auf Gründen beruht, die außerhalb des Einflussbereichs des Betroffenen lagen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 22.06.2007, 1 Ss 44/07)

Dem Betroffenen war vom Amtsgericht wegen fahrlässigen Führens eines KFZ mit einer Atemalkoholkonzentration von mehr als 0,25 mg/l u.a. ein einmonatiges Fahrverbot auferlegt worden. Hiergegen ging der Betroffene in die Rechtsbeschwerde, die bzgl. der Schuldfrage erfolglos blieb.

Erfolg hatte er jedoch bzgl. des Rechtsfolgenausspruches wegen des Fahrverbotes aufgrund der langen Verfahrensdauer. Zwischen Tat und mündlicher Verhandlung der Rechtsbeschwerde lagen in etwa 23 Monate.

Das OLG führt aus, dass das Amtsgericht (AG) zwar zutreffend davon ausgegangen sei, dass regelmäßig bei dem abgeurteilten Trunkenheitsverstoß neben der Geldbuße auch ein Fahrverbot zu verhängen gewesen sei. Allerdings habe sich das AG bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit nicht hinreichend mit der Frage befasst, ob konkret nicht ein Abweichen von der Regelfolge geboten war. So habe das Fahrverbot nach der obergerichtlichen Rechtsprechung sowie nach der gesetzgeberischen Intention eine Erziehungsfunktion und sei als Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme gedacht. Von ihm solle eine warnende Wirkung auf den Betroffenen ausgehen und ihn anhalten, sich künftig verkehrsgemäß zu verhalten.

Dann könne das Fahrverbot aber seinen Sinn verlieren, wenn zwischen dem Verkehrsverstoss und dem Wirksamwerden der Maßnahme ein erheblicher Zeitraum läge und in der Zwischenzeit kein weiteres Fehlverhalten im Straßenverkehr festgestellt werden konnte. Der spezialpräventive Zweck der Maßnahme könne bereits durch den Schwebezustand und die für den Betroffenen damit verbundene Ungewissheit über das Fahrverbot erreicht sein.

Ob nun ein erheblicher Zeitraum vorläge, sei im Einzelfall zu entscheiden. Hier kam eine Vollstreckung frühestens nach 30 Monaten in Betracht, die lange Verfahrensdauer habe aber nicht im Einflussbereich der Betroffenen gelegen. Dabei berücksichtigte das OLG auch die späte Terminierung der Rechtsbeschwerde, die nicht auf zwingende Gründe oder auf das Prozessverhalten der Betroffenen rückführbar gewesen sei. Es seien in der Zwischenzeit auch keine weiteren Verkehrsverstöße der Betroffenen bekannt geworden. Diese Gründe habe das AG nicht hinreichend abgewogen. Auch für die im Urteil angeführte Uneinsichtigkeit der Betroffenen haben Ausführungen dazu gefehlt, ob dies auf rechtsfeindlicher Gesinnung oder zulässigem Verteidigungsverhalten beruht hätten.

Im Ergebnis hat das OLG selbst entschieden und vom Fahrverbot unter Erhöhung der Geldbuße abgesehen.

2. Fazit

Eine weitere Entscheidung zum Thema Erforderlichkeit des Fahrverbots. Die obergerichtlichen Entscheidungen hierzu sind unterschiedlich und schwanken bzgl. der Zeiträume erheblich. Zwischen 15 und nunmehr 23 Monaten wird alles vertreten. Interessant ist, dass das OLG hier auch trotz in der Sache anderer Auffassung die „Uneinsichtigkeit" der Betroffenen möglicherweise als zulässiges Verteidigungsverhalten ansieht. Dies dürfte für eine effektive Verteidigung angesichts der Argumentation im Einzelfall nicht unwichtig sein.

Ich meine, dass die vorliegende Entscheidung den Handlungsspielraum der Betroffenen angesichts der zum Teil recht langen Verfahren erweitert. Jedenfalls gibt die Entscheidung erneut Argumentationshilfe, um spätestens im Termin ggf. das Fahrverbot gegen Erhöhung der Geldbuße zu beseitigen. Wie genau die Instanzgerichte die beschriebenen Kriterien auslegen werden, wird natürlich bei der Verteidigertätigkeit abzuwarten sein.

RA Hellmann

Burgwedel, den 27.08.2007
Hans-Christoph Hellmann
Rechtsanwalt

RA Hellmann ist u. A. Mitglied der Arbeitsgemeinschaften Verkehrsrecht und Versicherungsrecht im Deutschen Anwaltverein. Darüber hinaus hat er den Fachanwaltslehrgang Versicherungsrecht erfolgreich absolviert.

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