Justizreform: Effizientere Rechtsprechung in Zivilprozessen?

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Streitgespräch zwischen
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger MdB (F.D.P.) Bundesjustizministerin a.D. und
Hermann Bachmeier MdB (SPD) stv. Vorsitzender im Rechtsausschuss des Bundestages
am 23. November in Bayreuth

Mit den Schlagwörtern Transparenz, Bürgernähe und Effizienz will die Bundesregierung und Justizministerin Herta Däubler-Gmelin eine Reform der Zivilprozesse begründen. Frau Däubler-Gmelin muss sich allerdings heftigste Kritik der Opposition, der Anwaltschaft und der Richter bis hin zum BGH Präsidenten Prof. Hirsch gefallen lassen.
Der Gesetzentwurf wird am 06. Dezember 2000 zum ersten mal im Rechtsausschuss gehört und danach seinen parlamentarischen Weg nehmen.

Folgende Schwerpunkte sieht der Entwurf vor: Die erste Instanz der Amtsgerichte soll gestärkt werden. Rechtsstreitigkeiten sollen nach Möglichkeit schon hier durch Vergleich oder Urteil entgültig geregelt werden. Dabei soll der außergerichtliche Schlichtungsgedanke Betonung finden. Jede mündliche Verhandlung soll künftig mit einer Güteverhandlung beginnen. Außerdem setzt man verstärkt auf das Einzelrichtersystem .

Für eine erhöhte Effizienz soll die doppelte Tatsachenerhebung vermieden werden. Zukünftig soll in einem Berufungsprozess der Fall nicht noch einmal völlig neu aufgerollt werden können: Die Tatsachenermittlung soll abschließend in der ersten Instanz erfolgen. In der Berufung soll nur noch überprüft werden, ob die Eingangsinstanz bei der Tatsachenwürdigung oder der Rechtsanwendung Fehler gemacht hat.
Der Entwurf sieht weiterhin die Einführung einer Annahmeberufung vor. Die Berufung kann dann vom Richter in zweiter Instanz zurückgewiesen werden, wenn sie offensichtlich aussichtslos und nicht von grundsätzlicher Bedeutung ist.

In der Podiumsdiskussion verteidigte Bachmeier naturgemäß den Entwurf der Bundesregierung. Die Stärkung des Einzelrichtersystems führe nicht zu einer Rationalisierung, sondern zu einer Vitalisierung der Amtsgerichte. Außerdem konnte er bisher keine Kritik von den Amtsgerichten vernehmen. Leutheusser-Schnarrenberger hält dagegen: "So schlecht und ineffizient ist unsere Justiz nicht." Eine technische Modernisierung der Gerichte sollte Vorrang haben. Eine Einzelrichterentscheidung birgt außerdem ein nicht zu leugnendes Restrisiko, weshalb es zumindest in der Berufungsinstanz bei der Kollegialentscheidung bleiben müsse.

Bachmeier sieht in der eingeschränkten Tatsachenüberprüfung eine Entlastung der Berufungsinstanz. "Es muss nicht alles aus der ersten Instanz aufgerollt werden, sondern nur die wirklich streitigen Punkte." Nach Auffassung von Leutheusser-Schnarrenberger und Vertretern der Anwaltschaft seien die Einschränkungen in der 2. Instanz schon groß genug - auch jetzt wird nicht alles aufgerollt. Es bestehe daher kein Regelungsbedarf. Außerdem sei es dem rechtssuchenden Bürger nicht zu vermitteln, wenn nur mögliche rechtliche Fehler, aber keine Fehler bezüglich der Tatsachen überprüft werden.

Hauptstreitpunkt war die Einführung der Annahmeberufung. Die Annahmeberufung sei schon deswegen überflüssig, weil die Zahl der Prozesse, die aussortiert werden könnten, verschwindend gering wären. Weiterhin sei diese Regelung nicht bürgerfreundlich. Zwar könnte sich die obsiegende Partei ihres Ergebnisses schneller sicher sein, jedoch würde der Unterlegene keine Gelegenheit mehr erhalten, seinen "zweiten" Richter zu sehen und zu sprechen. Bürgerfreundlich sei nur eine Instanz zum Anfassen. Die Entscheidung über die Annahme vom Schreibtisch aus ist anonym. Sie wirkt unpersönlich und hat weniger Chance, Rechtsfrieden herbeizuführen - so auch die Kritik des Deutschen Anwaltvereins.


Herr Götz, Richter am OLG Bamberg, verteidigte in seinem Statement die jetzige Praxis: "Der deutsche Zivilprozess wird in der Reform schlechtgeredet". Er glaubt nicht, dass die Veränderungen zu einer Verbesserung führen können und befürchtete eher das Gegenteil. Götz hegt aber noch Hoffnung für die Justizreform und die in ihr enthaltenen guten Punkte, da bisher "noch kein Gesetzentwurf den Bundestag so verlassen habe wie er eingebracht wurde".

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