Ist eine gute Bank überhaupt möglich?

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"Ethik" bei Banken ist das neue "Bio"

Kommentar

Als Kunde der Deutschen Bank spiele ich schon seit Jahren mit dem Gedanken zu wechseln. Meine Bank ist ja nicht erst aktuell negativ in den Schlagzeilen. Razzien, die derzeitigen Ermittlungen wegen Steuerhinterziehungen und möglicher Unterschlagung von Beweis-Material, Verhalten und Äußerungen von Herrn Fitschen nähren nur noch den bitteren Beigeschmack, den ich bereits im Mund habe.

Ich mache mir seit Jahren Gedanken, was mit meinem Geld eigentlich passiert, in was investiert wird und ob ich das eigentlich möchte. Spekulation mit Grundnahrungsmitteln, Wetten auf Hunger, ist nur ein Beispiel. Investitionen in Firmen, die Waffen produzieren, ein weiteres. Zocken mit allem, was nicht niet- und nagelfest ist. Möchte ich mein Geld einer Bank anvertrauen - wie viel oder wie wenig auch immer - die damit kein Problem hat? Die nach der Finanzkrise genauso unreflektiert weitermacht wie bisher?

Trotzdem bin ich noch Kunde. Warum? Bequemlichkeit ist sicher ein Punkt. Aber auch ein bisschen Ratlosigkeit: Ich wollte nicht vom Regen in die Traufe. Letztendlich ist eine Bank eine Bank. Es geht ums Geldverdienen. Schlicht, einfach und knallhart. Und nur, weil die Deutsche Bank oft im Fokus ist, heißt das ja nicht, das andere Banken es anders machen. Ja, ich bin noch Kunde. Woanders läuft es auch nicht anders.

Oder doch?

Neulich im Kino vor "Der Hobbit" lief diese neue Werbung von der Commerzbank. "Woran liegt es, dass man den Banken nicht mehr vertraut?" Als Commerzbank wolle man etwas Untypisches machen. Schluss mit Spekulationen auf Grundnahrungsmittel, mehr Förderung von erneuerbaren Energien, Kredite auch für kleine Firmen, Fokus auf Kundenzufriedenheit anstatt Provisionen für Vertragsabschlüsse.

Klingt ja super. Aber klingt Werbung nicht oft super? Wenn die üblichen Verdächtigen jetzt alle einen Einheitsbrei von Nachhaltigkeit beten und weniger hochspekulative Geschäfte, weniger Wetten auf Nahrungsmittel, mehr erneuerbare Energien, dazu eine schöne Imagewelt kreieren - glaubt das wer? Wenn Banken jetzt Nachhaltigkeit und die ethische Welle predigen, das erinnert mich irgendwie an die Autowerbungen vor nicht allzulanger Zeit, wo alle Autos auf einmal super für die Umwelt sorgten und in wunderschönen, grünen Wäldern rumgekurvt sind. Oder Milchwerbung mit drei glücklichen Kühen auf der Alm.

Gestern hatte ich einen Termin bei der Commerzbank. Ich wollte mal sehen, ob die dort auch was von ihrer hauseigenen Werbung wissen. Es war kein investigativer Undercover-Test: Mein Anliegen war real, ich wollte ihnen eine Chance geben.

Es fing damit an, dass die Telefonhotline zur Terminsvereinbarung länger dauerte als bei der Telekom. Irgendwann ein Freizeichen, dann ein Abbruch: Eine Weiterleitung meines Telefons sei technisch nicht möglich. Verwundert blicke ich auf mein iPhone. Apple ist ja ethisch auch groß unter Beschuss, boykottiert die neue, gute Commerzbank nun den großen bösen Apfel? So eine Ansage jedenfalls hatte ich noch nie gehört, direkt nochmal probieren!

Diesmal klappte es, irgendwann hatte ich eine nette Dame am Telefon, die meinen Namen, mein Begehr und meine Telefonnummer abfragte und mir auch tatsächlich direkt für den nächsten Tag einen Termin vermitteln konnte. Und das so kurz vor den Weihnachtsferien. Sauber!

Ich also am nächsten Tag rein in die Bank. Es gab keinen Empfang oder Infoschalter, ich wusste nicht wohin. Hab den erstbesten Mann hinter irgendeinem Schreibtisch angequatscht, der mich dann mit meinem Berater zusammenbringen konnte. Mein Berater war anscheinend vom Callcenter nicht gebrieft worden. Er wusste meinen Namen nicht, weshalb ich da war noch weniger. Ich war mir nicht sicher, ob er überhaupt wusste, dass er diesen Termin reinbekommen hatte.

Inhaltlich war es dann auch recht "unstrukturiert". Auf die Frage, was denn bei den einzelnen Produkten mit meinem Geld passiert, erntete ich nur ein Stirnrunzeln und viele Fragezeichen im Gesicht meines Gegenüber. Ich erzählte dann von der Werbung. Ach so! Da sei ich nicht der erste, der wegen der Werbung kommt. Und ja, es habe sich tatsächlich einiges geändert. Er bestätigte die Marschroute der Kampagne: Keine Rüstung, keine Nahrungsmittel, Service! Ob ab demnächst, irgendwann, oder ab jetzt, das wurde mir nicht so ganz klar.

Die restliche Zeit bestand aus dem Runtermachen diverser Konkurrenzbanken. Ich sehnte das Ende des Termins herbei.

Etwas zu trinken wurde mir übrigens nicht angeboten, aber gut, vielleicht muss man sparen, will man jetzt mit regenerativen Energien sein Geld verdienen. Beim Servicegedanken und der Kundenzufriedenheit jedenfalls wurde insgesamt zumindest mein persönlicher Nerv nicht gerade getroffen. "Kuchen!"

Wie ist das jetzt mit einer "guten" Bank? Ist das so paradox wie ein umweltfreundliches Auto, das nach wie vor nach dem alten Dampfmaschinenprinzip funktioniert, wo das meiste der wertvollen nicht nachwachsenden Energie ungenutzt verschwendet wird und jede Menge komisches Zeugs in die Atmosphäre diffundiert? Und was ist eigentlich "gut"? Wessen Moral ist entscheidend, und kratzt das die Welt überhaupt? Oder ist es alles nur Gewissenberuhigung? Ist das "ethische" in einer Bank das "Bio" bei Fleisch?

Bringt es was, nicht mehr auf den Hunger zu wetten, stattdessen aber in Biogasanlagen zu investieren, die Afrika leerkaufen? Wo ist da im Ergebnis der Unterschied? Und wie freundlich sind eigentlich Offshore Windparks zu Flora und Fauna im Reality-Check?

Trotzdem. Die Werbung der Commerzbank spricht von einem "ersten Schritt". Die müssen das ja auch erst einmal lernen und verinnerlichen. Und wer weiß. Wunder passieren immer wieder.

Ich persönlich habe neuen Schwung bekommen - danke dafür, Commerzbank! - und bin jetzt wieder verstärkt auf der Suche. Nach der Bank, der ich tatsächlich vertraue. Bei meiner Recherche habe ich einige Banken gefunden, die anscheinend schon seit Jahrzehnten erfolgreich einen anderen Weg gehen. Nachhaltigkeit, soziale Projekte, keine Rüstung, keine Spekulationen. Die sich anscheinend schon lange vor der Finanzkrise Gedanken gemacht haben.

Irgendwas ist immer, und irgendwo steckt man immer mit drin. Aber Bequemlichkeit und "vom Regen in die Traufe" kann für mich kein Argument mehr sein.

Leserkommentare
von xTobiasx am 03.01.2013 16:18:45# 1
Früher war es mir auch wichtig keine Kontoführungsgebühren zu zahlen und möglichst noch auf´s Girokonto Zinsen zu bekommen.
Ich hatte mich zwar schon vielen Jahren mit diesen "alternativen" Banken beschäftigt, aber da noch nicht über einen Wechsel nachgedacht. Vor etwa vier Jahren habe ich dann den Wechsel zur Ethikbank durchgeführt.
Es gibt aber auch hier schon einiges an Auswahl, so dass man nicht auf eine Bank beschränkt ist. Bisher fühle ich mich dort sehr gut aufgehoben und bin auch mit meiner Riesterrente dort hin gewechselt, weil ich mittlere Weile 0,0% Vertrauen zu Versicherungsgesellschaften mehr habe und dort nur 15,-€ Verwaltungsgebühr im Jahr zahle! Hätte ich sowas früher gewußt, hätte ich nicht so einen hohen Verlust durch versteckte Gebühren und Vermittlerprovisionen gemacht.
Ich bin übrigens nur Kunde bei der Ethikbank und kein Werber, aber ich finde, dass man ein Unternehmen nicht nur erwähnen darf, wenn es negativ auffällt!
Nachteilig ist, dass man nicht so viele Automaten zum Bargeld abheben hat, wie bei der Sparkasse, ebenso dass es nur "online" ist, aber damit kann ich leben.
Die Zinsen sind leider auch schlechter, als bei den "normalen" Banken, was einen schon fast wieder zwingt, bei z.B. Tagesgeld alternative Banken zu nutzen.

    
von Gogolores am 04.01.2013 07:07:16# 2
Nachhaltige Banken sind im Aufwind, zu Recht, wie ich finde.
Aber da ist man meines Erachtens bei Commerbank, Deutsche Bank etc. fehl am Platz.
Eine Liste nachhaltig investierender Banken gibt es z.B. hier:
<a class="textlink" rel="nofollow" href="http://www.ecoreporter.de/Banken.33.0.html" target="_blank">http://www.ecoreporter.de/Banken.33.0.html</a>
Da ist natürlich auch die im Kommentar von xTobiasx angesprochene EthikBank aufgeführt.
Man kann nur hoffen, dass Banken, die in Zukunft dort aufgenommen werden wollen, auch wirklich ethisch wertvolle Grundsätze einhalten und diese sich nicht nur auf die Fahnen schreiben, um auf den aktuellen Trend-Zug aufzuspringen.
    
von 123recht.de am 04.01.2013 09:27:43# 3
Danke für euer Input und den Link!
    
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