Handyverbot – Freisprecheinrichtung in der Hand zulässig?

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Besprechung von OLG Bamberg vom 05.11.2007, 3 Ss OWi 744/07

1.Die Entscheidung

Seit dem 1.2.2001 ist das Telefonieren mit einem Handy beim Fahrzeugführen verboten. So regelt § 23 Abs. 1a StVO, dass es verboten ist, vorsätzlich oder fahrlässig als Kraftfahrzeugführer ein Mobil- oder Autotelefon zu benutzen, indem dafür das Mobiltelefon oder der Hörer des Autotelefons aufgenommen oder gehalten wird.

Da dies Verbot stetig missachtet wird, sind die Polizeibeamten besonders aktiv, entsprechende Verstöße zu erkennen und zum Bußgeldverfahren zu bringen. Wenn die Polizei dabei verbotswidriges Verhalten direkt und aus der Nähe beobachten kann, gibt es selten sinnvolle Verteidigungschancen, da die Gerichte den Aussagen der Polizeibeamten eine besondere Bedeutung zumessen und eine Verteidigung dann aufgrund der erdrückenden Beweislage erfolglos endet.

Unsicherheit herrscht aber immer wieder über den Umfang dieses Handyverbots. Hier finden sich sinnvolle Ansätze für eine erfolgreiche Verteidigung. Es gibt es eine Fülle von Entscheidungen hierzu zur rechtswidrigen Überdehnung des Verbots durch Amtsgerichte. Zwar ist es nach dem eindeutigen Wortlaut verboten, mit dem Handy selbst zu telefonieren. Hält man das Telefon bei der Autofahrt in der Hand und telefoniert, ist die Lage eindeutig (zu den bisherigen Ausnahmen hier wird auf die anderen Artikel des Autors verwiesen).

Ein neuerer, interessanter Grenzfall hat aber jüngst die Rechtsprechung beschäftigt: die angeblich verbotene Nutzung einer Freisprecheinrichtung. Hat der Autofahrer quasi den Knopf am Ohr (via Bluetooth oder dergleichen), bestehen regelmäßig keine Probleme.

Was ist aber dann, wenn der Fahrer die installierte Freisprecheinrichtung wegen einer Funktionsstörung aus der Halterung entnimmt und sie an das Ohr hält und sodann telefoniert?

Das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg hatte diesen Fall zu entscheiden. Dort fuhr der Betroffene durch die Innenstadt und führte neben seinem Mobiltelefon auch eine Freisprecheinrichtung (die durch Funk mit dem Handy in Verbindung stand) über der Fahrerposition an der Sonnenblende mit sich. Sodann klingelte das Telefon und der Betroffene nahm das Gespräch über die Freisprecheinrichtung an. Wegen einer Funktionsstörung nahm der Betroffene bei einem verkehrsbedingten Halt an einer Ampel (der Motor lief weiter) die Freisprecheinrichtung in die Hand, hielt sie an sein Ohr und telefonierte sodann.

Das Amtsgericht in der ersten Instanz meinte noch, dass der Betroffene damit gegen das Verbot verstoßen habe. Vereinfacht gesagt handele es sich bei der Freisprecheinrichtung selbst entweder um ein Funktionsteil oder aber um ein Mobiltelefon im Sinne des Verbotsgesetzes. Das ergäbe sich daraus, dass der Betroffene das Handy quasi durch die Freisprecheinrichtung ersetze und damit telefoniere und die beiden Geräte über Funkwellen eine Verbindung miteinander hätten. Diese Sicht entspräche auch dem Sinn und Zweck des Verbots, weil es keinen Unterschied mache, ob der Betroffene das Gerät selbst oder die als Ersatz dienende Freisprecheinrichtung zur Hand nehme. Die dadurch entstehenden Gefahren seien gleichwertig.

Im Rahmen der Rechtsbeschwerde wurde der Betroffene dann aber vom OLG Bamberg freigesprochen.

Die im angefochtenen Urteil vorgenommene Auslegung dieser Vorschrift durch das Amtsgericht sei mit dem möglichen Wortsinn der Bußgeldvorschrift nicht vereinbar. Zwar umfasse das Verbot nicht nur das Telefonieren im eigentlichen Sinn, sondern auch andere Formen der bestimmungsgemäßen Verwendung. Deshalb könne unter der Benutzung eines Mobiltelefons auch die Nutzung anderer Funktionen (sog. Organizerfunktionen, Diktiergerät, Kamerafunktionen) verstanden werden. Allerdings müsse die Handhabung auch einen Bezug zu dem verbotenen Gerät haben. Alles andere sei eine verbotene Ausdehnung der Bußgeldbewehrung zu Lasten des Betroffenen.

Wenn der Betroffene ein anderes Gerät bediene und weder ein Mobiltelefon noch den Hörer eines Autotelefons aufnehme, scheide demnach ein Verstoß aus. Ob durch die Handhabung des anderen Geräts die funktionsspezifische Funktion eines Mobiltelefons letztlich ausgelöst oder gefördert werde, sei auch unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des Verbotes völlig unerheblich.

2.Fazit

Die vorliegende und zu begrüßende Entscheidung beleuchtet erneut einen der praxisrelevanten Grenzfälle, die alltäglich auf den Straßen vorkommen. Sie schiebt einer zu weiten Betrachtung des Handyverbots einen klaren Riegel vor. Das Handyverbot ist letztlich ein sehr punktuell geregeltes Verbot. Nicht alle störenden Tätigkeiten im Zusammenhang mit einem Handy sind daher (was vom Gesetzgeber gesehen wurde) verboten. Das mag man verkehrspolitisch gegebenenfalls bedauern. Aber es gilt nach wie vor die Wortlautgrenze (Art. 103 Abs. 2 GG) als Auslegungsgrenze für die Anwendung und Interpretation einer Verbotsnorm. Es ist in der Tat verwunderlich, wie kühn sich das Amtsgericht in seiner Entscheidung mit der Begründung anhand des Gesetzeszwecks über diesen Grundsatz hinwegsetzt, den ein Jurastudent bereits im ersten Semester lernen und fortwährend verinnerlichen muss.

Ich rate jedenfalls an, dass Sie als Betroffene / Betroffener bis zur anwaltlichen Prüfung und gegebenenfalls Vertretung von Ihrem Schweigerecht Gebrauch machen. Was vielleicht zunächst als Bagatelle eingestuft wird, kann gerade bei vorhandenen Voreintragungen durchaus schnell ein Ärgernis werden.

Durchaus kommen dann empfindliche Geldbußen oder auch sogar ein Fahrverbot in Betracht! Wenn zusätzlich eine bevorstehende Löschung der Punkte im Zentralregister wegen der neuen Sache zu entfallen droht, spätestens dann sollte durchaus über eine anwaltliche Verteidigungsstrategie nachgedacht werden.

Nur so kann auch gleich richtig vorgetragen werden und auch rechtliche Lücken, die erfahrenen Anwälten bekannt sind, können genutzt werden. Erwähnt werden soll außerdem noch, dass der Anwalt im Rahmen der ersten rechtlichen Einschätzung natürlich prüfen kann, ob denn eine Verteidigung Sinn macht.

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©RA Hans-Christoph Hellmann

Burgwedel, den 18.03.2008
Hans-Christoph Hellmann
Rechtsanwalt

RA Hellmann ist u. A. Mitglied der Arbeitsgemeinschaften Verkehrsrecht und Versicherungsrecht im Deutschen Anwaltverein. Darüber hinaus hat er den Fachanwaltslehrgang Versicherungsrecht erfolgreich absolviert.

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