Häufige Kurzerkrankungen und „krank feiern“ – ein Kündigungsgrund?

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Hierüber ärgern sich Arbeitgeber: Fehlzeiten von Arbeitnehmern an den Tagen vor oder nach einem Wochenende oder nach einem Feiertag. Sind es obendrein immer dieselben, so nährt dies den Verdacht, dass da was nicht mit rechten Dingen zugeht, selbst wenn eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt wird. Aber was kann der Arbeitgeber dagegen unternehmen, wann darf er kündigen?

Aufgrund des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFzG) ist der Arbeitgeber verpflichtet, während einer Erkrankung des Arbeitnehmers diesem für eine Dauer von bis zu 6 Wochen die vereinbarte Vergütung weiter zu bezahlen, obwohl dieser aufgrund seiner Erkrankung nicht in der Lage ist, die vertraglich geschuldete Arbeitskraft zu erbringen. Auch wenn diese Regelung noch nicht in den ersten vier Wochen eines Arbeitsverhältnisses gilt, so kann diese Verpflichtung danach für den Arbeitgeber schnell sehr teuer werden.

Allerdings sind Arbeitnehmer selten gleich über einen Zeitraum von 6 Wochen am Stück erkrankt. Meistens fallen mal hier, mal dort ein paar einzelne Krankheitstage an. Wenn aber - über einen längeren Zeitraum betrachtet - auffällt, dass sich die Fehltage vor oder nach einem Wochenende, an sog. Brückentagen oder gar gegen Ende des Erholungsurlaubs häufen, hegt der Arbeitgeber schnell den Verdacht, dass seitens des Arbeitnehmers möglicherweise manipuliert wird. Wie reagiert der Arbeitgeber in einer solchen Situation? Welche Pflichten treffen den Arbeitnehmer im Falle seiner Erkrankung?

Pflichten des Arbeitnehmers bei Krankheit Im Inland.. .

Jeder Arbeitnehmer muss gem. § 5 EFzG dem Arbeitgeber unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, und formlos mitteilen, dass und wie lange er voraussichtlich krank sein wird. Wenn der Arbeitnehmer nicht zur Arbeit erscheint oder den Arbeitsplatz verlässt, um einen Arzt aufzusuchen, muss er den Arbeitgeber bzw. seinen Vorgesetzten zuallererst über seinen Ausfall informieren. Sobald er weiß, wie lange sein Ausfall dauern wird, muss er den Arbeitgeber hierüber ebenfalls informieren. Dies erfolgt in aller Regel durch einen einfachen Telefonanruf. Zusätzlich muss er dem Arbeitgeber ab dem 4. Krankheitstag eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU-Bescheinigung) vorlegen. Den Arbeitnehmer trifft also zum einen eine Anzeigepflicht und zum anderen eine Nachweispflicht.

Was viele jedoch nicht wissen: Soweit vertraglich nicht anders geregelt, ist der Arbeitgeber gem. § 5 Abs. 1 EFzG berechtigt, diesen Nachweis bereits vor dem 4. Krankheitstag zu verlangen, also etwa ab dem ersten Tag. Dies wird ein Arbeitgeber immer dann in Betracht ziehen, wenn die Lage und die Häufung der Krankheitstage den Verdacht der Manipulation aufkommen lassen. Hierdurch erhält der betreffende Arbeitnehmer ein deutliches Warnsignal.

.. .und bei Erkrankung im Auslandsurlaub

Mitunter kommt es vor, dass ein Arbeitnehmer während des Urlaubs im Ausland erkrankt und deswegen zunächst gehindert ist, unmittelbar nach Ende des Urlaubs wieder seine Arbeit aufzunehmen, da er wegen der Erkrankung nicht reisefähig ist. Befindet sich der Arbeitnehmer bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit im Ausland, ist er gem. § 5 Abs. 2 EFzG verpflichtet, den Arbeitgeber nicht nur über die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer, sondern - wichtig! - auch über die Adresse seines Aufenthaltsortes, in der schnellstmöglichen Art der Übermittlung zu informieren. Die Angabe des Aufenthaltsortes soll es dem Arbeitgeber ermöglichen, den Arbeitnehmer vor Ort durch einen Arzt seines Vertrauens untersuchen zu lassen. Die durch die Information des Arbeitgebers entstehenden Kosten hat dieser zu tragen. Der Nachweis ist durch Vorlage entsprechender Belege zu führen. Ferner muss er auch seine gesetzliche Krankenkasse über seine Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer informieren.

Was ebenfalls viele nicht wissen: Kehrt der Arbeitnehmer dann bereits vor Ende des Urlaubs aus dem Ausland zurück, ist er zusätzlich verpflichtet, dies sowohl dem Arbeitgeber als auch der Krankenkasse unverzüglich anzuzeigen.

Maßnahmen des Arbeitgebers bei Pflichtverstößen

Verletzt der Arbeitnehmer schuldhaft eine dieser Pflichten gegenüber dem Arbeitgeber, so wird dieser in aller Regel zunächst ein Personalgespräch führen. Möglicherweise wird er aber auch eine Abmahnung aussprechen verbunden mit der Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen für den Wiederholungsfall. Der Arbeitnehmer sollten diesen zweiten, noch dichteren Warnschuss spätestens jetzt beherzigen: Kommt es danach gleichwohl weiter zu gleichartigen Pflichtverletzungen, so kann dies jedenfalls die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen.

Erfüllt der Arbeitnehmer Anzeige- und Nachweispflichten hingegen ordentlich, macht aber gleichwohl die besondere Häufung der Arbeitunfähigkeitstage um Wochenenden und Brückentage herum den Arbeitgeber stutzig, so dass sich ihm der Verdacht der Vortäuschung der Arbeitsunfähigkeit aufdrängt, stehen dem Arbeitgeber weitere Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung.

Außerordentliche Kündigung nur bei klarer Beweislage

In Betracht kommt z.B. eine außerordentliche Kündigung ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist. Damit diese wirksam ist, muss der Arbeitgeber gerichtsverwertbar nachweisen können, dass der Arbeitnehmer die Arbeitsunfähigkeit tatsächlich vorgetäuscht hat. Wurde der Arbeitnehmer beispielsweise von Zeugen dabei gesehen, dass er während seiner „Arbeitsunfähigkeit“ woanders gearbeitet hat, ist die Sache offensichtlich. In der Praxis sind Fälle wie dieser allerdings eher selten, da meist keine solche klaren und eindeutigen Beweise vorhanden sind.

Im übrigen ist auch nicht immer eindeutig, welches Verhalten des Arbeitnehmers während einer Arbeitsunfähigkeit zulässig ist und welches nicht.

Spaziergänge an der frischen Luft etwa oder Besorgungs- oder Einkaufsgänge des Arbeitnehmers sind nicht per se unzulässig. Als Richtschnur gilt: Der Arbeitnehmer hat all das zu unterlassen, was seiner raschen Genesung entgegen steht.

Beispiel: In einem Fall hatte der Arbeitgeber die fristlose Kündigung ausgesprochen, weil er den wegen eines grippalen Infekts arbeitsunfähig gemeldeten Arbeitnehmer in der Lokalzeitung auf einem Foto bei einem Volksfest mit einem Glas Kölsch in der Hand entdeckt hatte. Das Arbeitsgericht Köln hielt das nicht für einen ausreichenden Kündigungsgrund: Frische Luft und ein Glas Kölsch seien nicht von vorneherein geeignet, den Heilungsprozess zu verzögern. An diesem Fall wird deutlich, dass immer ein individueller und einzelfallbezogener Maßstab anzulegen ist.

Fehlen eindeutige Beweise, kann der Arbeitgeber versuchen, diese anderweitig zu beschaffen, etwa durch Beauftragung eines Detektivbüros. Ob die dadurch entstehenden zusätzlichen Kosten in einer angemessenen Relation zum Nutzen stehen, ist in jedem Einzelfall gesondert zu beurteilen. Zwar kann der Arbeitgeber diese Kosten vom Arbeitnehmer zurück fordern, allerdings nur in dem Fall, dass dem Arbeitnehmer ein „blau machen“ nachzuweisen ist. Wenn aber der Arbeitnehmer finanziell nicht in der Lage ist, diese Detektivkosten zu ersetzen, nützt ein Zahlungsurteil im Ergebnis wenig. Erweist sich der Verdacht im Rahmen der Überwachung sogar als unbegründet, verbleiben diese Kosten ohnehin beim Arbeitgeber.

Hilfe durch den medizinischen Dienst

Existieren keine derartigen Beweise, gibt es neben der außerordentlichen Kündigung auch andere Handlungsmöglichkeiten: Bei gesetzlich Krankenversicherten kommt auch die Einschaltung des medizinischen Dienstes der Krankenkasse in Betracht. Der Arbeitgeber informiert die Krankenkasse des Arbeitnehmers, unterrichtet sie über seinen Verdacht und bittet um Überprüfung der Diagnose des behandelnden Arztes durch den medizinischen Dienst. Auf diese Weise holt er von unabhängiger Seite eine medizinische Einschätzung ein. Dieses Verfahren ist für den Arbeitgeber kostenfrei. Bei privat versicherten Arbeitnehmern ist der medizinische Dienst dagegen nicht zuständig. Hier ist der Arbeitgeber allein auf detektivische Maßnahmen oder das Sammeln anderer Indizien beschränkt.

Bestätigt nun der medizinische Dienst die ärztliche Diagnose, ist zumindest der Verdacht des Arbeitgebers ausgeräumt. Widerspricht er dagegen der ärztlichen Diagnose, wird das Ergebnis dem Arbeitgeber hinsichtlich der Dauer seiner Entgeltfortzahlungspflicht mitgeteilt. Gleiches gilt für den Fall, dass der Arbeitnehmer nicht zu dem Untersuchungstermin beim medizinischen Dienst erscheint. Allerdings bedeutet dies noch nicht zwangsläufig, dass tatsächlich keine Arbeitsunfähigkeit vorgelegen hat und nun der Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung per se wirksam wäre.

Aufgrund dieses Untersuchungsergebnisses ist zunächst einmal nur der Beweiswert der AU-Bescheinigung des Arbeitnehmers beseitigt, da es sich hierbei - prozessrechtlich betrachtet - um eine Privaturkunde handelt, für deren inhaltliche Richtigkeit lediglich der Beweis des ersten Anscheins spricht. Und genau der ist durch die anders lautende Beurteilung des medizinischen Dienstes so stark erschüttert, dass den Arbeitnehmer nunmehr die volle Beweislast dafür trifft, dass er tatsächlich arbeitsunfähig erkrankt gewesen ist. Folge: Der Arbeitgeber kann jetzt bis zur Erbringung des Vollbeweises durch den Arbeitnehmer die Entgeltfortzahlung für die Fehltage verweigern.

Vollbeweis der Arbeitsunfähigkeit durch den Arbeitnehmer

Klagt der Arbeitnehmer den Lohn für den Entgeltfortzahlungszeitraum bei Gericht ein, kann er nun nicht mehr bloß die AU-Bescheinigung vorlegen, da diese ihren Beweiswert verloren hat. Vielmehr muss er nun einen ausführlichen Tatsachenvortrag zu seiner Erkrankung liefern, seinen behandelnden Arzt als Zeugen benennen und diesen gegenüber dem Gericht von der ärztlichen Schweigepflicht entbinden.

Das Gericht muss den Arzt dann im Rahmen einer Beweisaufnahme im Einzelnen nach Diagnose, Krankheitsverlauf und Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit am konkreten Arbeitsplatz befragen. Ferner wird der Arzt mit dem Ergebnis der Untersuchung des medizinischen Dienstes konfrontiert und muss hierzu Stellung nehmen. Selbstverständlich können verschiedene Ärzte über den Gesundheitszustand eines Menschen durchaus unterschiedlicher Auffassung sein.

Verbleiben jedoch Restzweifel, so gehen diese zu Lasten des Arbeitnehmers, da dieser für seine Arbeitsunfähigkeit beweispflichtig ist. War die Arbeitsunfähigkeit aber tatsächlich vorgetäuscht, wird ein Arbeitnehmer einen solchen Prozess eher scheuen, da er weiß, dass er den Beweis nicht erbringen kann.

Die Erfahrungen in der Praxis zeigen allerdings, dass der medizinische Dienst nicht immer unmittelbar sofort tätig wird. Zumeist wird ein Termin innerhalb der nächsten 7 bis 14 Tage mit dem Arbeitnehmer zu einer medizinischen Untersuchung vereinbart. Diesen Termin sollte der Arbeitnehmer in jedem Falle wahrnehmen - ein nicht entschuldigtes Versäumen würde genauso zu seinem Nachteil ausgelegt wie eine der Arbeitsunfähigkeit widersprechende Diagnose des medizinischen Dienstes. Bei Kurzerkrankungen kann die Einschaltung des medizinischen Dienstes u.U. ein stumpfes Schwert sein.

Neben der Einschaltung des medizinischen Dienstes kann auch das Vorliegen anderer Indizien den Beweiswert der AU-Bescheinigung ebenfalls so stark erschüttern, dass der Arbeitnehmer den Vollbeweis seiner Arbeitsunfähigkeit erbringen muss. Hierzu zählen u.a. häufiger Arztwechsel, wiederholte gemeinsame und gleichzeitige Erkrankung von Ehegatten oder ausländischen Arbeitnehmern im Anschluss an den Urlaub, Nichtbefolgung einer Vorladung zur Untersuchung des Vertrauensarztes oder des medizinischen Dienstes oder die Durchführung von beschwerlichen Reisen oder strapaziösen sportlichen Betätigungen während der Arbeitsunfähigkeit.

Wohlgemerkt: Das Vorliegen solcher Indizien führt nur dazu, dass der Arbeitnehmer den Vollbeweis seiner Arbeitsunfähigkeit erbringen muss und der Arbeitgeber bis dahin die Entgeltfortzahlung für die Dauer der vermeintlichen Arbeitsunfähigkeit einstellen kann. Dagegen berechtigt dies für sich genommen noch nicht zum Ausspruch einer Kündigung.

Fehlen jegliche Beweise für das Vortäuschen der Arbeitsunfähigkeit, hegt der Arbeitgeber aber aufgrund der gesammelten Indizien diesen Verdacht, wäre an den Ausspruch einer sog. Verdachtskündigung zu denken. Doch Vorsicht: Die Rechtsprechung hat strenge Voraussetzungen an die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung geknüpft, da mit diesem Mittel der Arbeitnehmer allein aufgrund eines Verdachts seinen Arbeitsplatz verlieren kann. Es müssen im Zeitpunkt der Kündigung objektive, nachprüfbare Tatsachen vorliegen, aus denen sich der dringende Verdacht einer Vertragsverletzung von erheblichem Gewicht ergibt, der eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber schlichtweg unzumutbar macht. Da aber lediglich Indizien vorliegen, die einer Interpretation zugänglich sind und daher durchaus unterschiedlich bewertet werden können, scheitert eine Verdachtskündigung in aller Regel bereits daran, dass keine objektiven und nachprüfbaren Tatsachen vorliegen.

Fazit:
Legen bestimmte nachvollziehbare Indizien oder gar das Ergebnis der Untersuchung des medizinischen Dienstes den Verdacht nahe, dass ein Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit vorgetäuscht hat, ist dem Arbeitgeber anzuraten, die Entgeltfortzahlung für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit einzustellen und so lange zurück zu halten, bis der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit nachweist. Seine AU-Bescheinigung hat dabei keinerlei Wert, da lediglich der Beweis des ersten Anscheins für dessen inhaltliche Richtigkeit spricht. Der erste Anschein ist durch die Indizien jedoch erschüttert. Liegen dagegen Beweise für das Vortäuschen der Arbeitsunfähigkeit vor, kann eine fristlose Kündigung ausgesprochen werden.

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