Glaubhaftmachung mittels eidesstattlicher Versicherung in P2P-Filesharing Vorwurf

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Eine interessante Entscheidung aus dem Bereich der Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen in Tauschbörsen traf das Landgericht Hamburg mit Urteil v. 11.08.2010 - Az. : 308 O 171/10.

Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen in Tauschbörsen sind seit einigen Jahren keine Seltenheit mehr. Der in diesen Fällen abgemahnte Rechtsverstoß bezieht sich auf das Anbieten eines urheberrechtlich geschützten Werkes in einer sogenannten Tauschbörse, wodurch das Recht zur öffentlichen Zugänglichmachung gem. § 19a des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) verletzt sein kann.

Der übliche Ablauf in Abmahnangelegenheiten kann verkürzt wie folgt dargestellt werden: nach Ermittlung einer potentiellen Rechtsverletzung an einem Werk eines  Rechteinhabers in einer Tauschbörse, d.h. durch den Download und gleichzeitigen Upload beispielsweise eines Musikstückes oder Films, leitet der Rechteinhaber, vertreten durch einen Rechtsanwalt, ein gerichtliches Auskunftsverfahren gem. § 101 Abs. 9 UrhG ein. Erlässt das Gericht den beantragten Beschluss, so wird in einem zweiten Schritt bei dem entsprechenden Telekommunikationsunternehmen, also zum Beispiel der Telekom,  der Anschlussinhaber, mithin die  Adresse des vermuteten Rechtsverletzers, dem die entsprechenden ermittelten Daten zu dem genannten Zeitpunkt zugeordnet waren, abgefragt. Nach Erteilung der entsprechenden Auskunft erhält der Anschlussinhaber dann eine Abmahnung wegen des vorgenannten Sachverhaltes. Regelmäßig wird hier dann neben der Zahlung eines oft pauschalen Schadenersatzbetrages die Abgabe einer sog. Unterlassungserklärung gefordert. Der Abgemahnte soll sich also verpflichten, in Zukunft keine Rechtsverletzungen an dem betroffenen Werk mehr zu begehen.

Gelegentlich aber unterbleibt die Abgabe einer Unterlassungserklärung, sei es, weil der Abgemahnte das Abmahnschreiben schlicht ignoriert oder weil er sich bewusst gegen eine solche Erklärung entscheidet. In beiden Fällen kann dann jedoch ein Verfahren auf eine einstweilige Verfügung oder gar eine Unterlassungsklage durch den Rechteinhaber angestrebt werden.

Der Entscheidung des LG Hamburg liegt nun folgender Sachverhalt zugrunde: das LG Hamburg erließ zunächst eine solche einstweilige Verfügung wegen einer P2P-Urheberrechtsverletzung gegen die Antragsgegnerin, gegen die dann Widerspruch eingelegt wurde. Die Antragsgegnerin legte sodann mehrere eidesstattliche Versicherungen von sich selbst und ihren Familienangehörigen vor, in denen unter anderem behauptet wurde, dass sie zum streitigen Zeitpunkt gar nicht im Haus gewesen sei und auch ihre Kinder entweder kein Interesse an der Nutzung des Computers oder keinen Zugriff auf den PC gehabt hätten.

Dem LG Hamburg genügten in der vorliegenden Entscheidung die abgegebenen eidesstattlichen Versicherungen, um den Tatvorwurf zu widerlegen:

„Der Vortrag der Antragsgegnerin, sie selbst benutze keine Filesharingsoftware und sie habe die Datei des streitgegenständlichen Films nicht öffentlich zugänglich gemacht, schließt inhaltlich ihre Täterschaft aus. Sie hat dazu eine eigene eidesstattliche Versicherung vorgelegt und die eidesstattliche Versicherung ihres Ehemannes bestätigt ihren Vertrag insoweit, als sich auch nach dieser keine Filesharingsoftware auf dem von ihm und er Antragsgegnerin gemeinsam genutzten PC befand.“

Darüber hinaus ließ das LG Hamburg die vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen auch genügen, um eine mögliche Störereigenschaft der Antragsgegnerin zu widerlegen:

„Aus dem weiteren Vortrag der Antragsgegnerin folgt ein Sachverhalt, der inhaltlich auch ihre Haftung als Störer ausschließt. Danach fehlt es zunächst bereits an einer widerrechtlichen Rechtsverletzung durch einen anderen Täter, für welche die Antragsstellerin als Störer einzustehen hätte.“

Dem Inhalt nach gingen die eidesstattlichen Versicherungen darauf, dass weder die Antragsgegnerin noch ihr Ehemann die vorgeworfene Rechtsverletzung begangen hätten. Eine Tauschbörsensoftware sei nicht auf dem Computer installiert gewesen. Auch seien den beiden jüngeren Kindern die Internetnutzung über den PC der Eltern nur zu schulischen Zwecken und ausschließlich in Gegenwart eines Elternteils gestattet und Passworte und WLAN-Verschlüsselung nicht bekannt gewesen. Die älteren Kinder der Antragsgegnerin hingegen nutzten den Computer entweder überhaupt nicht bzw. verfügten über einen eigenen Computer mit eigenem Internetanschluss.

Das LG Hamburg befasst sich in der Folge recht ausführlich damit, ob und inwieweit die entsprechenden eidesstattlichen Versicherungen geeignet seien, den Vorwurf der Urheberrechtsverletzung zu entkräften.

So erklärten die Richter, dass es zwar unwahrscheinlich sei, dass es bei der Ermittlung der Daten und der Zuordnung der IP-Adressen Fehler gegeben habe, es aber dennoch in Ausnahmefällen möglich sei.

Daneben machten die Richter aber deutlich, dass die eidesstattlichen Versicherungen und die darin getätigten Ausführungen zwar teilweise plausibel erschienen, jedoch auch einige Umstände gegen die Glaubwürdigkeit sprächen.

Die Richter bezogen sich hierbei hauptsächlich darauf, dass der Vortrag der Antragsgegnerin sowie die Mittel der Glaubhaftmachung fast zu perfekt auf den Verletzungsvorwurf zugeschnitten seien.

Diese Ansicht darf durchaus hinterfragt werden. Zwar obliegt es im Rahmen der sekundären Darlegungslast dem Abgemahnten, den Vorwurf der Rechtsverletzung zu entkräften bzw. zu widerlegen. Meines Erachtens bedeutet dies jedoch gerade, dass auf den Vorwurf – jedenfalls im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens – so umfassend wie möglich eingegangen werden muss. Wenn dieser Vortrag nun aber tatsächlich geeignet ist, den Verletzungsvorwurf auch umfassend zu entkräften, so ist das Argument, besagter Vortrag sei beinahe zu perfekt, hinfällig. Schließlich ist eine derartige Auseinandersetzung mit dem Rechtsvorwurf ja gerade Folge der von den Gerichten entwickelten Grundsätze zur sekundären Darlegungslast. Man möchte fast meinen, dass das Gericht hier enttäuscht über eine diesen Erfordernissen genügende Darlegung ist.

Weiter begründet das LG Hamburg seine Zweifel an der Richtigkeit des Vortrages damit, dass „alle Personen Angehörige der Antragsgegnerin sind und von daher ein Motiv haben, ihr in diesem Verfahren zu helfen. Das trägt aber keinesfalls die Schlussfolgerung, dass die eidesstattlichen Versicherungen deshalb falsch sind.“

Dass das LG Hamburg nicht zu dieser Schlussfolgerung gelangt mag – wenn auch nicht in der Entscheidung angesprochen – auch daran liegen, dass die Falsche Versicherung an Eides statt gem. § 156 des Strafgesetzbuches (StGB) unter Strafe gestellt ist. Die einfache Frage, die man sich hier zu stellen hat, lautet: riskiert man die Verurteilung wegen einer Straftat, die mit Geldstrafe oder bis zu 3 Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist, wegen eines Rechtsstreites um eine Forderung, die regelmäßig zwischen einigen Hundert und etwas mehr über 1.000,00 € liegen wird? Selbst im Hinblick auf das zusätzliche Prozesskostenrisiko tendiere ich dazu, diese Frage zu verneinen.

Nachdem das LG Hamburg sich dann noch spekulativ damit befasst, wie die geltend gemachte Rechtsverletzung zu Stande gekommen sein könnte, lässt das LG Hamburg letzten Endes noch offen, ob und inwieweit eine Ehefrau als Anschlussinhaberin gegenüber ihrem Ehemann Prüf- und Kontrollpflichten hat. Das LG Hamburg nimmt damit – meiner Ansicht nach unnötig - zum Schluss der Entscheidung hin noch einmal Bezug auf den Vorwurf einer möglichen Störerhaftung. Hier zeigt sich meines Erachtens erneut die Tendenz, die Grenzen der Störerhaftung immer wieder auszudehnen.

Anzumerken ist, dass es sich vorliegend um eine Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz handelt. Ob und inwieweit die Wertungen des LG Hamburg in ein entsprechendes Hauptsacheverfahren einfließen würden, lässt sich nur schwer abschätzen. Würde das Gericht in der Hauptsache, etwa  durch ein gerichtliches Sachverständigengutachten, davon überzeugt, dass die eidesstattliche Versicherung falsch war, so würde das Hauptsacheverfahren nicht nur mit einem der Klage stattgebenden Urteil enden. Es ist dann auch ein Strafverfahren wahrscheinlich.

Außerdem ist vorliegend zu berücksichtigen, dass es sich – wieder einmal – um einen Einzelfall handelt. Denn vorliegend konnte bewiesen (bzw. wenigstens glaubhaft gemacht) werden, dass die Antragsstellerin sowie weitere für die Rechtsverletzung in Betracht kommende Personen im Zeitpunkt der Rechtsverletzung nicht zu Hause waren. Bei dem anwesenden Abgemahnten ist durchaus auch eine andere Wertung denkbar, weshalb der Weg, den Vorwurf einer abmahntypischen Rechtsverletzung mittels der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung zu entkräften, hier auch zu einem anderen Ergebnis führen könnte.