Gibt es auch einen Anwalt kostenlos? Die Pflichtverteidigung und Pflichtverteidiger

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Was ist ein Pflichtverteidiger? Wie bekomme ich einen Pflichtverteidiger? Was kostet ein Pflichtverteidiger?

Was ist überhaupt ein Pflichtverteidiger?

Der Pflichtverteidiger ist keine eigene Fachanwaltsbezeichnung oder gar ein spezieller Anwalt der bei Gericht oder der Staatsanwaltschaft arbeitet. Jeder Anwalt kann zum Pflichtverteidiger bestellt werden und zwar dann wenn das Gesetz dies anordnet!

So ist zwingend ein Anwalt als sog. Pflichtverteidiger zu bestellen wenn ein Fall der notwendigen Verteidigung vorliegt! Dies ist der Fall wenn:

-          die Gerichtsverhandlung vor dem Oberlandesgericht oder dem Landgericht stattfindet,

-          einem ein Verbrechen (eine Tat die im Mindestmaß mit 1 Jahr Freiheitsstrafe bedroht ist) vorgeworfen wird

-          ein Berufsverbot droht

-          eine schwere Tat vorliegt (im Regelfall ab 1 Jahr zu erwartender Freiheitsstrafe)

-          eine schwierige Sach- oder Rechtslage vorliegt,

-          man unfähig ist sich selbst zu verteidigen (vor allem bei Ausländern!)

-          oder aber bereits in Untersuchungshaft sitzt

Liegt also nur eine dieser Voraussetzungen der notwendigen Verteidigung vor muss zwingend vom Gericht ein Anwalt zum Pflichtverteidiger bestellt werden. Dabei erfolgt diese Beiordnung zum Pflichtverteidiger völlig unabhängig davon ob der Beschuldiigte Geld hat oder nicht!

Wie bekomme ich einen Pflichtverteidiger?

Kann ich mir auch selbst einen Anwalt aussuchen der zum Pflichtverteidiger bestellt wird?

Liegt ein Fall der notwendigen Verteidigung vor (siehe oben) so muss das Gericht von Amts wegen – also ohne Antrag o.ä. - einen Anwalt zum Pflichtverteidiger bestellen.

Wen das Gericht als Pflichtverteidiger bestellt liegt in erster Linie am Beschuldigten, denn diesem ist Gelegenheit zu geben einen Anwalt seiner Wahl und seines Vertrauens zu benennen den das Gericht dann auch in der Regel als Pflichtverteidiger bestellt!

Das heißt im Klartext, dass sich grundsätzlich der Beschuldigte selbst einen Anwalt aussuchen kann und diesen dann dem Gericht nennt. Dem Wunsch des Beschuldigten muss auch grundsätzlich vom Gericht entsprochen werden, es sei denn es gibt gewichtige Gründe die gegen eine Bestellung des gewählten Wunschanwaltes sprechen. Nur weil ein Anwalt aber dem Gericht etwa unbequem ist oder von auswärts kommt reicht nicht um den gewünschten Anwalt nicht zu bestellen!

Das bedeutet aber auch im Umkehrschluss, dass der Beschuldigte sich unbedingt selbst einen Anwalt aussuchen sollte bevor es das Gericht für einen tut. Denn nichts ist schlimmer als einen Anwalt beigeordnet zu bekommen, dem man nicht vertraut oder einem nicht genehm ist!

Ab wann bekomme ich einen Pflichtverteidiger?

Liegen die Voraussetzung der notwendigen Verteidigung vor (sieh oben) so ist der Verteidiger spätestens dann zu bestellen, wenn der Angeklagte zur Erklärung über die Anklageschrift aufgefordert wird, wenn ihm also die Anklage zugestellt wird.

Aber auch vorher schon ist eine Beiordnung eines Pflichtverteidigers möglich wenn dies die Staatsanwaltschaft beantragt. Dann kann der Anwalt auch schon vor der Gerichtsverhandlung im Ermittlungsverfahren bestellt werden. Zwingend ist dies jedoch nur wenn der Beschuldigte in Untersuchungshaft sitzt. Ansonsten liegt dies im Ermessen der Staatsanwaltschaft!

Was kostet ein Pflichtverteidiger?

Ein Pflichtverteidiger kostet den Beschuldigten erst einmal nichts! Da der Pflichtverteidiger vom Gericht bestellt macht der Anwalt seine Kosten  gegenüber der Staatskasse geltend. Das heißt der Anwalt der zum Pflichtverteidiger bestellt wird, wird vom Staat bezahlt. Der Mandant muss sich also keine Sorgen um die Bezahlung seines Anwaltes machen!

Ob bei Ihnen ein Fall der notwendigen Verteidigung vorliegt, sollten Sie durch einen Rechtsanwalt prüfen lassen. Bedenken Sie auch, dass Sie Ihren Pflichtverteidiger aus der Anwaltschaft frei wählen können. Von diesem Recht sollten Sie unbedingt Gebrauch machen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass das Gericht Ihnen einen Rechtsanwalt beiordnet, der Ihnen nicht genehm ist.

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