Gesetzesänderung zum Schutz von Arbeitnehmern vor psychischer Belastung

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Zum Arbeitsschutz zählt nun nicht mehr nur der Schutz vor körperlicher Belastung

Angesichts der zunehmenden psychischen Belastung für Arbeitnehmer durch permanente Kommunikation über moderne technische Hilfsmittel (E-Mail, Handy, Internet) und damit einhergehender Erkrankungen bis hin zum Burnout, hat der Gesetzgeber nun reagiert.

In der Folge gehe ich auf die wichtigsten Konsequenzen der Gesetzesänderung für Arbeitnehmer ein und gebe Tipps, wie man sich im Falle eines Verstoßes gegen den Arbeitsschutz verhalten sollte.

Bei den beschriebenen Gesetzesänderungen handelt es sich um Ergänzungen des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) an verschiedenen Punkten, die über den bisher vorwiegenden Schutz des Arbeitnehmers vor körperlichen Gefahren hinaus nun auch den Schutz vor psychischen Belastungen zum Zweck haben.

Die wesentlichen Gesetzesänderungen:

Geändert bzw. ergänzt wurden die §§ 4 und 5 des Arbeitsschutzgesetzes:

§ 4 ArbSchG:

Der Arbeitgeber hat bei Maßnahmen des Arbeitsschutzes von folgenden allgemeinen Grundsätzen auszugehen:
1. Die Arbeit ist so zu gestalten, dass eine Gefährdung für das Leben sowie die physische und die psychische Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird; …

§ 5 ArbSchG

(1) Der Arbeitgeber hat durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind.
(2) Der Arbeitgeber hat die Beurteilung je nach Art der Tätigkeiten vorzunehmen. Bei gleichartigen Arbeitsbedingungen ist die Beurteilung eines Arbeitsplatzes oder einer Tätigkeit ausreichend.
(3) Eine Gefährdung kann sich insbesondere ergeben durch

6. psychische Belastungen bei der Arbeit.

Umsetzung:

§ 5 ArbSchG verlangt nun demnach, dass von Arbeitgebern die Gefährdung von Arbeitnehmern auch hinsichtlich der psychischen Belastung bei der Arbeit zu ermitteln ist. Dafür vorgesehen ist eine sogenannte Gefährdungsbeurteilung, mit der auch externe Stellen beauftragt werden können.

Zur Erstanalyse kann auf eine Toolbox der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin zurückgegriffen werden. Diese finden Sie unter Toolbox: Instrumente zur Erfassung psychischer Belastungen

Mitbestimmung des Betriebsrats:

Gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG besteht bei betrieblichen Regelungen über den Gesundheitsschutz ein Mitspracherecht des Betriebsrates. Hierzu gehört auch die durch § 12 ArbSchG dem Arbeitgeber auferlegte Verpflichtung, die Beschäftigten über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit zu unterweisen (BAG, Beschluss vom 08. November 2011 – 1 ABR 42/10 –, juris).

Sofern der Arbeitgeber mit der Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen oder Unterweisungen externe Personen oder Stellen beurteilt hat, hat der Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht (BAG, Beschluss vom 18. August 2009 – 1 ABR 43/08 –, BAGE 131, 351-357).

Einigen sich die Betriebsparteien nicht über Art und Inhalt der Unterweisung, hat das die Einigungsstelle zu regeln. Die Einigungsstelle muss zunächst eine Gefährdungsbeurteilung (§ 5 ArbSchG) erstellen. Unter Berücksichtigung der hier gewonnenen Erkenntnisse sind die konkreten arbeitsplatz- oder aufgabenbezogenen Unterweisungen daran auszurichten. Nach der herrschenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts darf sich die Einigungsstelle nicht darauf beschränken, allgemeine Bestimmungen über die Unterweisung zu Gefahren am Arbeitsplatz aufzustellen (BAG, Beschluss vom 08. November 2011 – 1 ABR 42/10 –, juris).

Vorgehen bei Verstößen gegen die Umsetzung:

Einzelne Arbeitnehmer können dem Arbeitgeber nach § 17 ArbSchG Vorschläge zu sämtlichen Fragen der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes bei der Arbeit machen. Sofern sie zu der Auffassung gelangen, dass der Arbeitgeber trotz entsprechender Aufforderung keine ausreichenden Maßnahmen zur Gewährleistung des gesundheitlichen Arbeitsschutzes trifft, können sich beim beschweren.

Wenn der Arbeitgeber auch daraufhin nichts unternimmt, dürfen sich Arbeitnehmer als „Whistleblower" an die zuständigen Behörden wenden, ohne dass ihm hieraus ein Nachteil entstehen darf. Mit solchen Beschwerden sollte allerdingt nicht leichtfertig umgegangen, sondern zunächst stets der Vorgesetzte und – falls vorhanden – der Betriebsrat informiert werden. Denn auch wenn der Arbeitgeber keine arbeitsrechtliche Maßnahme einleiten darf, besteht trotzdem stets die Gefahr, dass er es dem Arbeitnehmer an anderer Stelle "heimzahlt".

Einklagbarer Anspruch des Arbeitnehmers auf Umsetzung:

Der Arbeitnehmer hat über bloß Beschwerden oder die Einschaltung des Betriebsrats hinaus zudem auch einen vor dem Arbeitsgericht einklagbaren Anspruch auf eine Beurteilung der mit seiner Beschäftigung verbundenen Gefährdung. Diese ergibt sich nach der herrschenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aus § 5 Abs. 1 ArbSchG iVm. § 618 Abs. 1 BGB. Keinen Einfluss hat der Arbeitnehmer allerdings auf die konkrete Durchführung der Gefährdungsbeurteilung. Der Arbeitnehmer kann nicht verlangen, dass die Gefährdungsbeurteilung nach von ihm selbst vorgegebenen Kriterien erfolgt (BAG, Urteil vom 12. August 2008 – 9 AZR 1117/06 –, BAGE 127, 205-214).

Fazit:

Der praktische Erfolg der vorgenommenen Gesetzesänderung hängt wohl vermutlich vorwiegend von der aktiven Verfolgung der Rechte durch die Betriebsräte und im Zweifel auch die einzelnen Arbeitnehmer ab. Die Kontrollbehörden haben in der Vergangenheit nach meiner Erfahrung in erster Linie durch Personalabbau auf sich aufmerksam gemacht. Hier ist kaum zu erwarten, dass die zusätzlichen Aufgaben wirklich intensiv wahrgenommen werden. Von einer geplanten Personalaufstockung ist mir bislang nichts bekannt.

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