Geschäftsführerhaftung: Dirigenten auf dem Drahtseil

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Tipps: Wie man die Haftung von Geschäftsführern in 2013 vermeidet

Die GmbH-Geschäftsführer oder AG- Vorstände haben zahlreiche Pflichten, die sich aus der Satzung, dem Geschäftsführervertrag, Gesetzen oder der Rechtsprechung ergeben Hieraus entstehen für die Handelnden Haftungsrisiken gegenüber der Gesellschaft, Gesellschaftern oder Dritten. Nachfolgend einige Tipps zur Haftungsvermeidung. Eine ausführliche Beratung kann der nachfolgende Beitrag nicht ersetzen.

1. Kapitalaufbringung bei wirtschaftlicher Neugründung,

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs haften im Falle einer wirtschaftlichen Neugründung (Aktivierung einer leeren Unternehmenshülle) die Gesellschafter für die Auffüllung des Gesellschaftsvermögens bis zur Höhe des in der Satzung ausgewiesenen Stammkapitals (Unterbilanzhaftung).

Fall: BGH, Urt. vom 6.03.2012 II ZR 56/10 und Qimonda-Klage

Achtung
: Auch den Erwerber trifft eine etwaige Unterbilanzhaftung.

Tipp: Zur Vermeidung des Haftungsproblems bei der Aktivierung einer stillgelegten Gesellschaft muss die Offenlegung der Neugründung und die Versicherung des Geschäftsführers, dass das Stammkapital vorhanden ist, gegenüber dem Registergericht erfolgen.

2. Existenzvernichtungshaftung

Die Existenzvernichtungshaftung gemäß § 826 BGB besteht für missbräuchliche, zur Insolvenz der GmbH führende oder diese vertiefende kompensationslose Eingriffe in das Gesellschaftsvermögen, z.B. Abzug von Finanzmitteln oder des einzigen Patents oder Abschluss eines ungünstigen Geschäftsbesorgungsvertrages.   Es handelt sich um eine reine Innenhaftung der Gesellchafter gegenüber der Gesellschaft, vgl Altmeppen in Roth/Altmeppen GmHG Kommentar 7. Auflage 2012 § !3 Rdnr. 95. 
Die regelmäßige Verjährung für den Anspruch aus Existenzvernichtungshaftung beginnt erst zu laufen, wenn dem Gläubiger die anspruchsbegründenden Umstände bekannt sind.
Der GmbH-Geschäftsführer haftet neben der Gesellschaftern gemäß § 43 Abs.2 GmbHG.

Fall: BGH vom 24.07.2012 - II ZR 177/11 und zwei eigene Fälle vor dem OLG Dresden

Achtung
: Auch Nichtgesellschafter können wegen Beihilfe zu einem existenzvernichtenden Eingriff gemäß §§ 826 , 830 Abs.2 BGB haften, BGH vom 11.10. 2010 II ZR 136/09.

Tipp: Den Gesellschaftern, Geschäftsführern und Nichtgesellschaftern obliegt ein Solvenztest, der die zukünftige Fähigkeit der Gesellschaft, trotz des Mittelabzuges ihre Verbindlichkeiten erfüllten kann, bestätigen soll (vgl. Rosenberg, Unternehmenskauf, Eilers/Koffka/Mocksen, 2. Auflage 2012, § 129 Rdnr. 14 m.v.N.).

3. Eigenhändige Rechtsverletzung des Geschäftsführers

Jeder Geschäftsführer haftet dem Geschädigten direkt für Delikte, die er "eigenhändig" bzw durch positives Tun begangen und dadurch absolut geschützte Rechtsgüter verletzt hat. 
Der ehemalige Vorstand der Deutschen Bank, Herr Breuer,  hat nach Entscheidungen des BGH und des OLG München wegen seinen geschäftsschädigenden Äußerungen gegen Kirch Schaden in Millionenhöhe verursacht. Die Höhe des Ersatzanspruchs muss jetzt ein Gutachter ermitteln.

Fall: Kirch ./. Deutsche Bank, OLG München vom 14.12.2012 - 5 U 2472/09

4. Krisenmanagement

4.1. Organisation der permanenten Übersicht über die wirtschaftliche Lage 

Ein GmbH-Geschäftsführer muss sich um die Organisation seiner Gesellschaft kümmern, die ihm die zur Wahrnehmung seiner Pflichten erforderliche Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft jederzeit ermöglicht.

Fall: BGH vom 19.06.2012 -  II ZR 243/11, ZIP 2012, 1557

Tipp: Wenn man den Geschäftsführer "nachts weckt", muss er über die finanzielle Situation  seiner Gesellschaft Bescheid wissen.

4.1.1. Überschuldungsprüfung

Ab 18.10.2008 liegt keine Überschuldung bei positiver Fortführungsprognose vor. 
Nur bei negativer Fortführungsprognose muss eine Überschuldungsbilanz nach Liquidationswerten erstellt werden.

Achtung: Übergangsregelung der Überschuldungsregelung läuft Ende 2013 aus.

Tipp: Die Fortführungsprognose muss vorhanden sein - nicht nur gedanklich!

4.1.2. Liquiditätsprüfung

Die GmbH ist zahlungsunfähig, wenn sie nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen, § 17 Abs.2 S.1 InsO. Kann sie sich innerhalb von drei Wochen die zur Begleichung ihrer fälligen Forderungen benötigten Mittel nicht beschaffen, liegt nicht mehr eine Zahlungsstockung vor, sondern eine Zahlungsunfähigkeit vor,  BGH Urt. v. 27.03.2012 - II ZR 171/10

Tipp zum Aufbau Liquiditätsstatus:
Aktivseite: Kasse, Bank Scheck und kurzfriistig liquidierbare Mittel
Passivseite: alle fälligen Verbindlichkeiten (Achtung: nach aktueller Entscheidung des BGH ist auch die fällige Forderung des Gesellschafters zu berücksichtigen).

4.2. Beratungspflicht bei fehlenden Spezialkenntnissen

Soweit der GmbH-Geschäftsführer nicht über ausreichend persönliche Kenntnisse verfügt, selbständig zu prüfen, ob die Gesellschaft insolvent ist oder nicht, hat er sich bei Anzeichen einer Krise der Gesellschaft unverzüglich unter umfassenden Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen von einer unabhängigen, für die zu klärenden Fragestellungen fachlich qualifizierten Person beraten zu lassen.  Der Geschäftsführer muss auf die unverzügliche Bearbeitung und Vorlage der Prüfungsergebnisse hinwirken.
Die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsführers gebietet es ferner, das Prüfergebnis einer Plausibilitätsprüfung zu unterziehen.

Fall: BGH vom 27.03.2012 - II ZR 171/10, ZIP 2012, 1174
Tipp: Beraten lassen!

5. Folgen von Pflichtverletzungen

5.1. Zivilrechtliche Haftung des Geschäftsführers gegenüber der GmbH

Die Geschäftsführer haben in den Angelegenheiten der Gesellschaft gemäß § 43 Abs.1 GmbHG die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns anzuwenden. Sie haften der Gesellschaft für die Verletzung ihrer Pflichten aus § 43 Abs.2 GmbHG
Die Geschäftsführer sind der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung der Überschuldung geleistet werden, § 64 S.1 GmbHG
Dies gilt nicht von Zahlungen, die auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar sind, § 64 S.2 GmbHG (z.B. Umsatz- und Lohnsteuern und SV-Beiträge).

5.2. Zivilrechtliche Haftung des Geschäftsführer gegenüber Dritten

Der Geschäftsführer kann gemäß § 826 BGB wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung des Vertragspartners schadensersatzpflichtig sein, wenn er weiß oder wissen muss, dass die GmbH zur Erfüllung der begründeten Verbindlichkeiten nicht in der Lage ist oder dass die Durchführung des Vertrages schwerwiegend gefährdet ist

5.3. Strafrechtliche Sanktion

Der Geschäftsführer, der nicht rechtzeitig die Insolvenz einleitet, erfüllt den objektiven Tatbestand der Insolvenzverschléppung. Vermögensverfügungen in dieser Phase, z.B. unter Wert, können den Tatbestand des Bankrotts erfüllen.

5.4. Stimmverbot des Mitgeschäftsführers

Ein Geschäftsführer kann nie Richter in eigener Sache sein. Er unterliegt daher einem Stimmrechtsvorbot, wenn Gegenstand eines Gesellschafterbeschlusses ein pflichtwidriges Unterlassen eines Mitgeschäftsführers ist, das beiden Geschäftsführern auf Grund übereinstimmender Verhaltensweisen angelastet wird, BGH, Urt. v. 07.02.2012 - II ZR 230/09

6. Haftpflichtversicherung (D&O-Versicherung)

Jeder Rechtsanwalt, Steuerberater, Architekt hat eine Haftpflichtversicherung für etwaige  Schadensfälle. Haben Sie auch eine?

Die Geschäftsführer sind Dirigenten auf einem Drahtseil.
Sichern Sie sich ab!

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