Gaucho-Tanz? Der Scheißdregg intressiert mi ois ned!

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Eigentlich ist alles gesagt zur so genannten "Gaucho-Affäre". Die einen haben sich wieder mal in Entrüstung geübt - so etwas darf man nicht! Die anderen könnten kotzen, aber nicht wegen des Tanzes, sondern wegen der Entrüstung. Und Bild sagt erstaunlich nüchtern: Lasst sie doch einfach feiern.

Wer hätte gedacht, dass ich mal auf Seiten der Bild sein würde. Also, alles gesagt? Nur das vielleicht noch: Hat Miroslav Klose, dem jetzt vorgeworfen wird, den Gegner zu verhöhnen, irgendwann mal in seinem Leben öffentlich irgendetwas Schlechtes über irgendwen gesagt? Ich wüsste nicht.

Interessant ist aber auch die Symbolik des Tanzes: Gerade und gekrümmte Wirbelsäule. Wer Großes geleistet hat, darf auch groß feiern. Der darf aufrecht gehen, die Wirbelsäule durchdrücken und mit breiter Brust dastehen. Der muss nicht den Kopf hängen lassen und die Schultern hochziehen, die Wirbelsäule krümmen.

Allerdings sollten wir dazu keine gewonnene Fußball Weltmeisterschaft mit Kämpfen und heroischen Siegen brauchen, die uns irgendeine nationale Identität zurückgibt, "wir sind wieder wer." Wir könnten auch so wieder wer sein, auch ohne Fußball, Sieg oder Niederlage.

Nur wer können wir sein? Was würde uns berechtigen, wieder zweifelsfrei aufrecht durch die Welt zu gehen, auch ohne Blut und Spiele? Ausgerechnet die deutschen Fußballer haben in Brasilien eine erste Antwort darauf gegeben, aber ich meine nicht ihre Leistung auf, sondern insbesondere neben dem Platz. Diese Leistung erachte ich als noch größer als die Spiele selbst: Respekt und Mitgefühl mit Gegner und Mitmenschen, Fokus und Zusammenhalt, keine Arroganz, Demut, Herz für Einheimische.

Nicht jeder von uns kann das von sich behaupten, ob vor, während oder nach der WM. Insbesondere auch die Medien, die jetzt eine "Verhöhnung" der Argentinier anprangern, können das nicht für sich in Anspruch nehmen. "Blutkrieger! Schlacht! Helden!" Trotzdem haben diese jungen Fußballer sich von dem ganzen Kriegspathos und auch der Kritik nie anstecken lassen und ihr - respektvolles - Ding durchgezogen.

Und das ist etwas, das man im Fußball mit all seinem Leistungsdruck, den Egomanen, der Erwartungshaltung der Medien und Fans - entgegen dem ganzen Fair Play bla bla der FIFA - verdammt selten sieht. Da können die Jungs dann auch guten Gewissens die Wirbelsäule aufrichten und bescheuerte Tänze tanzen.

Watt wollense, müsste man also mit Per fragen.

Leserkommentare
von Krypton am 17.07.2014 09:30:03# 1
Treffend geschrieben. Ich finde es zum Beispiel das Letzte, wie argentinische Fans mit einer Plastik-Wirbelsäule die Verletzung von Neymar Jr. feierten! Dagegen ist so ein neckisches Tänzchen doch pillepalle. Ich meine, was soll das?!? Sind einige unserer Spieler etwa mit der Reichskriegsflagge auf der Bühne gestanden und haben mit dem rechten Arm gewunken??? Nur unsere links/grün-angehauchten Massenmedien machen daraus wieder eine rassistische deutsche Selbstverherrlichung, die wir seit den 1940er Jahren ja nie wieder sehen wollten. In nicht allzu ferner Zukunft müssen wir uns in der ganzen Welt dafür entschuldigen, erfolgreich zu sein, damit keiner auf die Idee kommt, wir strebten wieder wie vor gut 70 Jahren nach der Weltherrschaft.
    
von Sirbaer am 18.07.2014 20:00:38# 2
Das ganze würde doch kaum jemanden interessieren, wäre Fußball nicht der Massen- und Milliardensport schlechthin. Beschämend sind in der Regel nur zwei Dinge: Das Verhalten von Fans und die politische Ausschlachtung solcher Ereignisse. Es sollte doch reichen, dass jeder, der kann, versucht sich an sportlichen Großereignissen zu bereichern. Ich wüßte jedenfalls keine Sportart, bei der ein Weltmeistertitel nicht gefeiert würde. Egal in welchem Land. Das ist auch in Ordnung und richtig so.
    
von geprellt95 am 21.07.2014 13:02:43# 3
Richtig, feiern wird man wohl noch dürfen - aber auf Kosten der Verlierer, mir wurde beigebracht, dass solches Verhalten nicht gerade fein ist..... beim Fußball-Weltmeister ist das aber entschuldbar. War es das auch für alle, die in den zweiten Weltkrieg eingezogen wurden und die dann - um nicht standesrechtlich erschossen zu werden - sicher auch den einen oder anderen Feind angeschossen haben?
Richtig, Fußball ist d e r Massen- und Milliardensport schlechthin. Aber weshalb war er das nicht, als die deutsche Frauenmannschaft z w e i m a l
h i n t e r e i n a n d e r
Fuball-Weltmeister wurden?
Heute weiß ich, dass auch d a s eine Form der Diskriminierung ist - und Ausdruck eines gewissen n a r z i s t i s c h e n Gedankengutes.....
Da wundert mich das anscheinend harmlose und v e r h a r m l o s t e Tänzchen nicht mehr....
Da frage ich mich dann schon, w e m ich was nachlasse....
    
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