Führerscheinentzug wegen THC - Alles rechtens ?

5. Juli 2016 Thema abonnieren
 Von 
Frau Hedwig
Status:
Frischling
(2 Beiträge, 0x hilfreich)
Führerscheinentzug wegen THC - Alles rechtens ?

Hallo.
Ich hab mal die ein oder andere Frage zu folgendem Fall:

Ein Kollege von mir (ich nenne ihn mal Sepp) hat seit über 30 Jahren den Führerschein und fährt seit mindestens 20 Jahren unfallfrei. Er ist Gelegenheitskiffer und nicht vorbestraft.

Sepp fuhr vor ca. 1/2 Jahr samstags morgens gegen 11 Uhr auf der Autobahn. Plötzlich und ohne ersichtlichen Grund wurde er von 2 Zivilbeamten mittels Kelle auf einen Rastplatz gelotst.

Allgemeine Verkehrskontrolle...

Auf die Frage „Hatten Sie schon mal was mit Drogen zu tun ?" antwortete er leider wahrheitsgemäß mit „Ja" und erklärte sich auch dummerweise mit einem Schnelltest einverstanden → Positiv auf THC (Sepp hat am Freitag Abend gegen 22 Uhr eine leichte Tüte geraucht – die erste seit mindestens 1 Woche)
Nach einer Durchsuchung, bei der keine Drogen gefunden wurden, folgte die Ankündigung einer Blutentnahme und die Mitnahme zur Wache.
Dort angekommen wurde er gefragt, ob er mit der Blutentnahme einverstanden sei. Man könne im Falle der Verweigerung auch eine Anordnung vom Staatsanwalt anfordern, was aber sicher Stunden dauern würde.
Sepp dachte, die Probe ist unumgänglich & auch die angekündigte lange Wartezeit schreckte ihn. Zähneknirschend stimmte er also zu und unterschrieb die Einwilligung.
Nach der Entnahme durfte er nach Hause, natürlich unter der Auflage an diesem Tag kein Auto mehr zu fahren.


Es folgte nach 4 Wochen ein Anhörungsbogen, in dem nur lapidar von einer „Fahrt unter Einfluss von BTM" die Rede war. Diesen schickte mein Kollege mit seinen Personalien & einem x bei „Ich mache keine Angaben zur Sache" zurück.

Ca. 2-3 Wochen später kam ein Anhörungsbogen als Beschuldigter wegen „Fahren unter Einfluss von THC".
Werte der Blutuntersuchung waren darin nicht angegeben, dafür lag aber ein Formular mit der Frage nach Konsumverhalten, Dealer.... bei. Auf diesen Brief reagierte Sepp nicht, da er seine Personalien ja schon 2x angegeben hatte und sich sonst nicht äußern wollte.

Im Mai ein Brief von der Staatsanwaltschaft: „Das Verfahren gegen Sie wurde eingestellt." :party:

Die Freude darüber währte bis letzte Woche.


Da kam nämlich ein Brief von der Stadt „ Anhörung zum Entzug Ihrer Fahrerlaubnis"

Inhalt sinngemäß:
- Anlässlich einer Verkehrskontrolle *Datum, Uhrzeit, Ort* wurden Sie beim Führen des Pkw *Marke, amtl. Kennzeichen* unter Drogeneinfluss angetroffen
- Die toxikologische Untersuchung im rechtsmedizinischen Institut verlief positiv
- Werte waren 0,0027 mg/l Tetrahydrocannabinol & 0,0017 mg/l Tetrahydrocannabinol-Carbonsäure
- Laut Gutachten spricht das Tetrahydrocannabinol-Ergebnis dafür, dass zwischen der Blutprobe und dem Konsum höchstens 6 Stunden liegen
- Die Konzentration von Tetrahydrocannabinol-Carbonsäure spricht für regelmäßigen bzw. chronischem Konsum
- Nach § 3 Abs.1 Straßenverkehrsgesetz in Verbindung mit § 46 Abs.1 Fahrerlaubnisverordnung und gem. Ziffer 9.2.2 Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung ist Ihre Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr gegeben und die Fahrerlaubnis zu entziehen
- Mit diesem Schreiben gebe ich Ihnen gemäß §28 *Bundesland* Verwaltungsverfahrensgesetz Gelegenheit, sich bis zum ....2016 zu der Angelegenheit zu äußern
Um den kostenpflichtigen Entzug abzuwenden können Sie Ihren Führerschein bis zum ....2016 auf der Führerscheinstelle der Stadt abgeben und schriftlich auf die Fahrerlaubnis zu verzichten


Nun meine Fragen:

1. Ist die Blutentnahme unter den oben genannten Voraussetzungen überhaupt verwertbar ?
Leider weiß Sepp nach dem halben Jahr nicht mehr, ob er über sein Verweigerungsrecht belehrt wurde. Sieht aber nicht so aus, denn immerhin wurde die Einholung der Anordnung ja gewissermaßen als bloße Formalie dargestellt. Außerdem kann ich mir nicht vorstellen, dass samstags morgens der Staatsanwalt mehrere Stunden braucht, um ans Telefon zu gehen.

2. Wenn ich die Blutwerte in die scheinbar übliche Einheit Nanogramm umrechne, komme ich auf 2,7ng/ml THC & 1,7ng/ml THC-Carbonsäure. Diese Werte kommen mir nach einigen Internetrecherchen ziemlich gering vor.
Rechtfertigen die wirklich den Führerscheinentzug oder wäre nicht ein Bußgeld in Verbindung mit 1-3 Monaten Fahrverbot verhältnismäßiger ? (vor allem beim 1. Verstoß)

3. Welche Werte nutzen die eigentlich, um auf das Konsumverhalten zu schließen ?
Ich habe unter anderem auf http://www.verkehrslexikon.de/Texte/Cannabis99.php folgendes gefunden: Bei weniger als 5ng/ml THC-Carbonsäure ist keine Aussage möglich

4. Die Aussage bzgl. den 6 Stunden zwischen Konsum & Blutprobe ist schlichtweg falsch. Es waren 13 Stunden und davon hat Sepp mindestens 7 Stunden gepennt.
Lässt sich dieses Gutachten deshalb anfechten ?

5. Der Anhörungstermin und der Termin zur Abgabe des Führerscheins sind identisch, nämlich 5 Tage nach Erhalt des Briefes. Davon bleiben allerdings nur 3 Tage zum reagieren, weil das Wochenende dazwischen liegt.
Ist diese Frist nicht zu kurz ?




Ps. Natürlich hat Sepp direkt am Tag nach dem Posteingang einen Anwalt eingeschaltet. Leider konnte der noch keine Akteneinsicht nehmen & die Kostenübernahme durch die Rechtsschutzversicherung ist auch noch ungeklärt (siehe Frage 5).
Es wurde Sepp nur geraten, seinen Führerschein vorerst nicht abzugeben.
Deshalb würde er sich sicher über Antworten von euch freuen.

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5 Antworten
Sortierung:
#1
 Von 
Au-dee
Status:
Schüler
(214 Beiträge, 71x hilfreich)

1. Ja, die Blutentnahme ist Rechtens. Schon der Schnelltest ist angesprungen. Daher würde auch jeder Richter diese Blutentnahme auch veranlassen. Dies hätte nur Zeit gekostet, aber kein Unterschied an dem Ergebnis gemacht.

2. Bei den Werten ist der THC über 1ng, damit erübrigt sich sämtliches schönreden. Über 1ng THC wird der Führerschein entzogen und die Fahreignung angezweifelt.
Mit einem erhöhten Fahrverbot brauch man gar nicht rechnen, sowas wäre Odnungsrecht. Und der Führerschein wird hier im Verfahrensrecht entzogen. Das sind zwei unterschiedliche Dinge.

3. Es geht nicht mehr alleine um das Konsumverhalten. Sondern um die Fahrt mit über 1ng THC im Körper.

4. Um so schlimmer. Man sollte da nichts anfechten. Wenn mit der Pause noch so ein Wert an Aktiven THC über 1ng vorliegt, sollte man das nicht als Diskusionspunkt geben.

5. Zu der Frist kann ich nichts sagen. Aber man ist besser bedient den Führerschein freiwillig abzugeben, als ihn abgenommen zu bekommen weil man sich weigert.

Nochmal so zur Info dazu. Sepp sollte mal überlegen. Ein Standart Urintest bei der Polizei auf Cooh-thc springt eigentlich erst ab 75ng an. Und er wurde Positiv.
Daher sollte man froh sein, das angeblich nur 1,7 cooh-thc dabei raus kam. Das glaube ich zwar nicht, irgendwas stimmt dabei nicht. Aber das wäre momentan zu Gunsten von Sepp.

Über 1ng Aktives THC ist die Fahreignung nicht mehr gegeben. Der Entzug der Fahrerlaubnis ist somit Richtig. Zur wiedererlangung kann die Führerscheinstelle mehrere Dinge Fordern. Dies fängt bei einem Ärztlichen Gutachten an (sehe ich hier nicht gegeben) und mit einer MPU (damit sollte man eher rechnen).
Aber was passiert bekommt Sepp schon gesagt. Nachdem er seinen Führerschein abgegeben hat, und eine Wiederherstellung beantragt.


-- Editiert von Au-dee am 05.07.2016 02:25

1x Hilfreiche Antwort

#2
 Von 
Frau Hedwig
Status:
Frischling
(2 Beiträge, 0x hilfreich)

Danke fein für die schnelle und ausführliche Antwort.

Zitat:
Daher sollte man froh sein, das angeblich nur 1,7 cooh-thc dabei raus kam. Das glaube ich zwar nicht, irgendwas stimmt dabei nicht. Aber das wäre momentan zu Gunsten von Sepp.


Ich hab mir den Brief nochmal zeigen lassen. Der Wert von 1,7 cooh-thc stimmt bzw. im Brief steht 0,0017 mg/l Tetrahydrocannabinol-Carbonsäure.




Zitat:
Nochmal so zur Info dazu. Sepp sollte mal überlegen. Ein Standart Urintest bei der Polizei auf Cooh-thc springt eigentlich erst ab 75ng an. Und er wurde Positiv.

Sepp hat keinen Urintest mitgemacht. Es gab einen Schnelltest per Speichel & die Blutabnahme.
Beides fand auf der Wache statt, da die Polizisten keinen Schnelltest im Auto hatten.
Das hab ich auch heute erst von Sepp erfahren. Ich hatte ihn vorher so verstanden, dass der Schnelltest auf dem Rastplatz gemacht wurde.


-- Editiert von Frau Hedwig am 06.07.2016 16:26

0x Hilfreiche Antwort

#3
 Von 
drkabo
Status:
Weiser
(16474 Beiträge, 9287x hilfreich)

zu 1) Ja. Die Einverständniserklärung wurde unterschrieben, damit ist der Drops gelutscht.
zu 2) 2,7ng/mL THC im Blut rechtfertigen eine Bußgeld von 500€+Gebühren+Kosten für die Blutuntersuchung, 3 Punkte und 1 Monat Fahrverbot. Das wird sicher noch kommen und ist völlig unabhängig von THC-COOH.
zu 3) Wenn gelegentlicher Konsum vorliegt und Bezug zum Straßenverkehr besteht, kann zusätzlich(!) der Führerschein dauerhaft entzogen werden. Dafür kommt es dann auf den THC-COOH-Wert an. Bezug zum Straßenverkehr besteht ja (weil hier unter THC-Einfluss im Auto erwischt), und nun kommt es halt darauf an, ob man aus dem THC-COOH-Wert auf mindestens gelegentlichen Konsum schließen kann. Bei 1,7 ng/mL ist das eigentlich nicht der Fall.
zu 4) Die Tatsache, dass man immer noch 2,7 ng/mL THC im Blut hatte, obwohl der letzte Joint schon 13h her war, sollte man nicht unbedingt der Führerscheinstelle auf die Nase binden.

Wenn ich es richtig sehe, hat Sepp den original Untersuchungsbericht vom Labor gar nicht gesehen, sondern nur ein Schreiben der Stadt, in dem die Laborergebnisse erwähnt werden (man also gar nicht weiß, ob das so stimmt). Bevor Sepp irgendwas unternimmt, sollte er sehen, dass er den original Untersuchungsbericht vom Labor zu Gesicht bekommt.

Signatur:

Für alle meine Beiträge gilt §675(2) BGB.

0x Hilfreiche Antwort

#4
 Von 
Au-dee
Status:
Schüler
(214 Beiträge, 71x hilfreich)

Zitat (von Frau Hedwig):
Danke fein für die schnelle und ausführliche Antwort.

Zitat:
Daher sollte man froh sein, das angeblich nur 1,7 cooh-thc dabei raus kam. Das glaube ich zwar nicht, irgendwas stimmt dabei nicht. Aber das wäre momentan zu Gunsten von Sepp.


Ich hab mir den Brief nochmal zeigen lassen. Der Wert von 1,7 cooh-thc stimmt bzw. im Brief steht 0,0017 mg/l Tetrahydrocannabinol-Carbonsäure.
Zitat:
Nochmal so zur Info dazu. Sepp sollte mal überlegen. Ein Standart Urintest bei der Polizei auf Cooh-thc springt eigentlich erst ab 75ng an. Und er wurde Positiv.

Sepp hat keinen Urintest mitgemacht. Es gab einen Schnelltest per Speichel & die Blutabnahme.
Beides fand auf der Wache statt, da die Polizisten keinen Schnelltest im Auto hatten.
Das hab ich auch heute erst von Sepp erfahren. Ich hatte ihn vorher so verstanden, dass der Schnelltest auf dem Rastplatz gemacht wurde.


-- Editiert von Frau Hedwig am 06.07.2016 16:26

Um so besser wenn nur von dem THC-COOH wert ausgegangen wird. Es wäre nur sehr komisch, da bei dem Wert von Aktiven THC, ach das THC-COOH deutlich höher aufspringen sollte.
Wie ich sagte ist das gut für Sepp.

Nun gut, es war kein Urintest, sondern Speichel. Hätte man vorher auch schon sagen können. Dann hätte ich was anderes geschrieben.

Dennoch, bei Aktiven THC im Blut von über 1ng. Steht eine MPU an. Und vorher der Entzug der Fahrerlaubnis, bis die MPU bestanden wurde.
In diesem Fall, ist womöglich aufgrund des geringen THC-COOH wert es davon auszugehen. Das Sepp diese zeitnah, ohne Nachweis von Abzinenz über 6 oder 12 Monate beibringen kann.
Ob Ärztliches Gutachten oder MPU, macht in den Kosten kaum einen Unterschied.
Aber trotzdem bleiben die bei Sepp hängen.

Und Drkabo,
Zu 1. Brauchst die Antwort von mir nicht zu wiederholen.
Zu 2. Es sind 500€ + Gebühren und der Blutentnahme. Dazu sind es 2 und nicht 3 Punkte! Und ein Monat Fahrfahrbot.
Zu 3. Bei über 1ng Aktives THC wird immer die Fahrerlaubnis entzogen. Der THC-COOH wert ist nur im Nachhinein wichtig. Ob es ein Ärztliches Gutachten oder eine MPU wird. Und welche Voraussetzungen man durch eine Abzinenz vorbringen muss.
Zu 4. Auch hier brauchst du meine Antwort nicht wiederholen.

Sepp fährt sehr gut für seine Situation mir den Bekannten Werten aus dem Schreiben. Hier sollte man nicht weiter nachfragen.



0x Hilfreiche Antwort

#5
 Von 
drkabo
Status:
Weiser
(16474 Beiträge, 9287x hilfreich)

Zitat:
Bei über 1ng Aktives THC wird immer die Fahrerlaubnis entzogen.

Aber auf welcher Rechtsgrundlage?
Fahrverbot immer ab 1ng - das ist klar. Aber direkter Entzug der Fahrerlaubnis?
Ein einmaliger Vorfall mit über 1ng THC reicht nicht aus. Es muss der Nachweis des mindestens gelegentlichen Konsums erbracht werden. Ich wüsste nicht, wo der hier herkommen sollte.
Wenn die Werte so stimmen und auch sonst nicht verschwiegen wurde, dann sehe ich durchaus Chancen, den Entzug der Fahrerlaubnis abzuwenden.

Zitat:
Zu 4. Auch hier brauchst du meine Antwort nicht wiederholen.

Danke für den Hinweis. Aber ich entscheide gerne selbst, was ich schreibe.

Signatur:

Für alle meine Beiträge gilt §675(2) BGB.

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