Firmenübernehmer haften nicht zwangsläufig für Sozialversicherungsbeiträge des Vorgängers

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Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 13.08.2008

Wer eine Firma übernimmt, sieht sich zum Teil ungewissen Haftungsrisiken ausgesetzt. Zu den typischen Haftungsrisiken gehören die Verbindlichkeiten aus langfristigen Dauerschuldverhältnissen (Miete, Leasing, Arbeitsverträge u.s.w.), Steuerschulden und Schadensersatzansprüche gegen das Unternehmen.

Bisher ging man davon aus, dass der Erwerber auch für die noch offenen Sozialversicherungsbeiträge der Mitarbeiter haftet. Dieser Auffassung ist das LSG Rheinland-Pfalz in einer aktuellen Entscheidung jedoch entgegengetreten.

Luis Fernando Ureta
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Sachverhalt

Der Betroffene hatte die Firma seiner Mutter übernommen, eine Gewerbeneumeldung beantragt, eine neue Betriebsnummer erhalten und von der AOK eine neue Arbeitgeberkontonummer. Als die AOK knapp zwei Jahre nach Übernahme der Firma eine Betriebsprüfung durchführte, stellte man fest, dass die Mutter des Erwerbers über einen Zeitraum von zwei Jahren die Mitarbeiter untertariflich vergütet hatte. Dies führte dazu, dass die abgeführten Sozialversicherungsbeiträge zu gering waren. Wegen des Differenzbetrages nahm die AOK den Übernehmer auf Zahlung in Anspruch.

Vor dem Sozialgericht obsiegte die AOK noch. Anders jedoch beim Landessozialgericht, welches der Klage des Übernehmers stattgab.

Entscheidungsgründe:

Das Landessozialgericht lehnte eine Haftung des Übernehmers ab. Insbesondere lehnte es entsprechende Anwendung des § 25 HGB ab. Diese Vorschrift zur Haftung für (zivilrechtliche) Verbindlichkeiten sei auf die Haftung für Sozialversicherungsbeiträge nicht entsprechend anwendbar. Anders als im Steuerrecht oder Zivilrecht gäbe es für die Verbindlichkeiten aus dem Sozialversicherungsrecht keine Norm, welche einen Haftungsbeitritt im Falle des Unternehmenskaufs begründe. Für eine entsprechende Anwendung anderer Normen gebe es keine Grundlage.

Aufgrund der besonderen Bedeutung der hier entschiedenen Rechtsfrage hat das Landessozialgericht die Revision beim Bundessozialgericht zugelassen.

LSG Rheinland-Pfalz vom 13.08.2008

Praxistipp:

Die Entscheidung ist für Firmenübernehmer von erheblicher Bedeutung. Häufig schlummern gerade im Bereich der rückständigen Sozialversicherungsbeiträge enorme Risiken, welche im Rahmen der Vorprüfung nicht hinreichend geklärt werden (können). Zu nennen sind beispielsweise unklare Fragen bezüglich der Anwendung von tarifvertraglichen Vorschriften, Fehleinschätzungen bei geringfügig Beschäftigten, freie Mitarbeiter die tatsächlich sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer sind u.s.w. Im Einzelfall können sich daraus erhebliche Haftungsrisiken für den Erwerber ergeben. Sollte das Bundessozialgericht die Entscheidung des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz bestätigen, so ist dieses aus Sicht der Firmenübernehmer begrüßenswert. Ob der Gesetzgeber den Haftungsbeitritt dann gesetzlich regelt, bleibt abzuwarten.

Da die hier entschiedene Frage noch nicht endgültig geklärt ist und noch die Vorinstanz eine andere Rechtsauffassung vertreten hat, empfiehlt es sich für jeden Firmenübernehmer nach wie vor, die bestehenden Haftungsrisiken umfassend zu prüfen. Dies gilt nicht nur für die Frage der offenen Sozialversicherungsbeiträge sondern auch für bestehende Steuerschulden, dauerhafte Schuldverhältnisse, Schadensersatzansprüche Dritter u.s.w.


Burgwedel, den 29.09.2008
Rechtsanwalt Luis Fernando Ureta

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