Erweiterung der Pflichten bei der Anlageberatung

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Neue Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes

In den Zeiten fallender Zinsen erlebt Deutschland gerade einen Ansturm auf die Anlageform „Betongold". Doch auch hier ist nicht alles Gold was glänzt. Sowohl der Anleger als auch der Anlagevermittler sollten angesichts der brandaktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besonderes Augenmerk auf das Beratungsgespräch legen. Der Bundesgerichtshof erweiterte mit seinem Urteil vom 23. Juni 2016 Aktenzeichen III ZR 308/15 abermals die Pflichten der Anlageberater. Er verpflichtete die Anlageberater zu einer weitergehenden Aufklärung über möglicherweise gezahlte Verkaufsprovisionen. Anlageberatung muss vollständig und umfassend auch bezüglich der Provisionen erfolgen. Dies gilt entgegen der bisher von einigen Instanzgerichten vertretenen Auffassung nicht nur bei Kapitalanlagen, die über einen Prospekt vertrieben werden, sondern auch bei Immobilien als Kapitalanlage.

Was war passiert?

Ein Kunde einer Anlageberatung vertraute den Angaben seines Beraters und erwarb im Jahr 1992 eine Eigentumswohnung für damals 97.020,00 DM. Diese Wohnung finanzierte er vollständig über ein Bankdarlehen. Die Mieteinnahmen blieben jedoch hinter den Erwartungen des Kunden zurück. Durch entsprechend Prognosen des Beraters hatte der Vermittler diese Erwartungen geweckt. Der Anlagevermittler soll, den Behauptungen des Klägers nach, von den knapp 97.000,00 Euro Kaufpreis vom Verkäufer der Immobilie 15.000,00 Euro Provision erhalten haben.

Ulrich Schulte am Hülse
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Aus diesem Grund kam der Kunde mit der Zahlung seiner Darlehensraten in Verzug und die finanzierende Bank kündigte das Darlehen und verwertete die Eigentumswohnung. Die Zwangsversteigerung brachte lediglich 7.000,00 Euro. Der restliche Darlehensbetrag sollte vom Kunden bezahlt werden. Auf den verbleibenden Darlehensbetrag – immerhin noch offene 67.117,43 Euro – verklagte der nunmehrige Kläger seine Anlageberatung.

Wie urteilten die Vorinstanzen?

Das Landgericht Berlin wies die Klage ab. Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers wies das Kammergericht Berlin einstimmig zurück, da es davon ausging, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg habe. Nun begann ein kleines Kabinettstück der Justiz, in dem das Kammergericht und der Bundesgerichtshof gewissermaßen Ping Pong spielten.

Wie lief das Verfahren weiter?

Der Kläger erhob die Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof auf Zulassung der Revision. Dem gab der Bundesgerichtshof statt und stellte in der ersten Revisionsentscheidung – dem Beschluss vom 05. November 2014 Aktenzeichen: III ZR 559/13 – fest, dass das Berliner Kammergericht wesentliche Verfahrensrechte des Kläger gewissermaßen „mit Füßen getreten hatte". Insbesondere im Hinblick auf das verfassungsrechtlich verankerte Grundrecht des Klägers auf rechtliches Gehör erteilten die Richter des Bundesgerichtshofs ihren Kollegen beim Kammergericht eine gehörige Nachhilfestunde. Die Richter des Berliner Gerichts hatten sich nämlich mit großen Teilen des klägerischen Vortrags gar nicht erst befasst, sondern diesen Vortrag – wie so oft – als „unsubstantiiert" und damit unbeachtlich abgetan. Zu Unrecht, wie die Richter des Bundesgerichtshofs sehr eindeutig entschieden.

Es ist die Pflicht der Richter relevanten Sachvortrag zur Kenntnis zu nehmen und der Beurteilung auch zugrunde zu legen. Der Kläger hatte geschildert, dass es wohl ein Wertgutachten der finanzierenden Bank im Jahr 1992 gegeben habe, dass er zwar nicht im Detail kenne, wohl aber das – für den Rechtsverkehr wohl wesentliche – Ergebnis gekannt habe. Darauf habe er vertraut und die Wohnung gekauft. Die Berliner Richter hatten hier weitere Nachweise gefordert. Damit hatten die Berliner Richter die vor deutschen Gerichten vielfach anzutreffende Praxis nach einer Substantiierung eindeutig überspannt, so der Bundesgerichtshof. Dem Kläger waren keine weiteren Möglichkeiten mehr gegeben den Vortrag detaillierter zu schildern. Er hatte seine Substantiierungslast also erfüllt. Die Berliner Richter hätten diesen Vortrag bei ihrer Entscheidung berücksichtigen müssen.

Der Richter in Karlsruhe verwiesen den Rechtstreit – gewissermaßen zum Nachsitzen – nach Berlin zurück. Hierbei gab der Bundesgerichtshof dem Kammergericht klare Handlungsanweisungen für die Neuverhandlung mit auf den Weg.

Das Kammergericht wehrt sich

Beim Kammergericht war man scheinbar jedoch fest entschlossen die Klage abzuweisen, denn auch nach der Zurückverweisung und der Neuverhandlung in Berlin wies das Kammergericht die Klage – diesmal durch Urteil – ab. Das Kammergericht folgerte aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Kapitalanlagen ergebe sich, dass eine Aufklärung über die Vertriebsprovision nur bei Kapitalanlagen erfolgen müsse, die über einen Anlageprospekt vertrieben werden.

Außerdem sei die Behauptung des Klägers, die Anlageberatungsfirma habe eine Vertriebsprovision in der Größenordnung von über 15 % ins Blaue hinein erfolgt und daher unbeachtlich.

Aus den Fehlern der Vergangenheit und den klaren Ansagen des Bundesgerichtshofs lernend, ließ das Kammergericht lieber direkt die Revision im Punkt der Aufklärungspflicht zu. Diese wurde vom Kläger eingelegt. Die Sache kam zur erneuten Entscheidung nach Karlsruhe.

 

Inhalt des Urteils

Das Urteil hat erhebliche Sprengkraft für Anlagevermittler. Der Bundesgerichtshof geht in Übereinstimmung mit seiner früheren Rechtsprechung zu anderen Kapitalanlagen davon aus, dass eine Vertriebsprovision von mehr als 15 % des Anlagebetrags für den Anleger eine relevante Information für die Anlageentscheidung ist. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass Vertriebsprovisionen von mehr als 15 % auf eine geringe Werthaltigkeit der Anlage schließen lassen. Mit anderen Worten: Wenn der Vertrieb der Anlage mit solch üppigen Provisionen geködert werden muss, kann etwas mit dem Anlageprodukt nicht stimmen. Diese Rechtsprechungslinie hatte der auch hier verantwortliche Senat anhand von Klagen gegen Kapitalanlagen, die mittels eines Anlageprospekts vertrieben werden (z.B. Fonds), entwickelt.

Dies nahm das Kammergericht zum Anlass, die diesbezüglichen Auskunftspflichten der Vermittler auf diese Art der Kapitalanlage zu beschränken. Zu Unrecht, wie der Bundesgerichtshof nun endgültig entschied.

Dem Urteil lässt sich ausdrücklich entnehmen, dass eine derartige Aufklärung über Vertriebsprovisionen auch bei Immobilien als Kapitalanlage ausdrücklich geschuldet ist. Die Nichtaufklärung hierüber begründet einen Schadensersatzanspruch des Anlegers gegen seinen Anlagevermittler. Dies hatte derselbe Senat auch bereits in einer früheren Entscheidung angedeutet. Nun muss diese Aufklärungspflicht auch bei Immobilien als Kapitalanlage als geltendes Recht beachtet werden.

Fazit

Das Urteil wirkt über den Einzelfall der Immobilie als Kapitalanlage hinaus. Die vom Bundesgerichtshof angestellten Erwägungen lassen sich im Prinzip auf alle Arten der Kapitalanlage ohne große Schwierigkeiten übertragen. Anlageberater und –vermittler sollten sich daher bereits jetzt beraten lassen, ob sie nicht proaktiv in Erwartung einer Ausdehnung dieser Rechtsprechung auf weitere Arten der Kapitalanlage, generell immer über Vertriebsprovisionen von über 15 % aufklären sollten. Damit lassen sich eine Inanspruchnahme durch den Kunden Jahre nach der Anlagevermittlung und teure Haftungsprozesse verhindern.

Dr. Ulrich Schulte am Hülse,
Rechtsanwalt und Fachanwalt
für Bank- und Kapitalmarktrecht,

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