Erstes Arbeitsgerichtsurteil - Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz durch Kündigung älterer Arbeitnehmer?

Mehr zum Thema: Arbeitsrecht, Kündigung, Arbeitsrecht, Gleichbehandlungsgesetz, AGG, Benachteiligungsverbot
0 von 5 Sterne
Bewerten mit: 5 Sterne 4 Sterne 3 Sterne 2 Sterne 1 Stern
0

Sachverhalt:

Erstes Arbeitsgerichtsurteil - Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) durch Kündigung älterer Arbeitnehmer?

Das Arbeitsgericht Osnabrück hat mit Urteil vom 05.02.2007 (Az. 3 Ca 721/06) eine betriebsbedingte Kündigung für unwirksam erklärt, weil der Arbeitgeber bei der Sozialauswahl den betroffenen Arbeitnehmer aus Gründen des Alters benachteiligt habe.

Nach den Regeln des Kündigungsschutzgesetzes hat ein Arbeitgeber die Entscheidung, welchen von mehreren in Betracht kommenden Arbeitnehmern zu kündigen ist, durch eine Sozialauswahl herbeizuführen. Die hierfür maßgeblichen Kriterien sind die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, etwaige Unterhaltsverpflichtungen und eine Schwerbehinderung der Mitarbeiter. Werden die betroffenen Beschäftigten gemeinsam vom Arbeitgeber und Betriebsrat durch einen so genannten Interessenausgleich bestimmt, kann ein Gericht die Sozialauswahl nur noch auf grobe Fehler hin überprüfen und ggf. die Kündigung für unwirksam erklären.

Der verurteilte Arbeitgeber hatte entschieden, wegen eines Absatzrückgangs 618 von insgesamt 5.331 Mitarbeitern zu entlassen, unter anderem auch den seit vielen Jahren bei ihm beschäftigten Kläger. Er vereinbarte mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich und einen Sozialplan. Dort wurde festgelegt, dass die soziale Auswahl der zu kündigenden Mitarbeiter nach verschiedenen Altersgruppen möglichst gleichmäßig vorzunehmen sei. Der Arbeitgeber hielt dies für erforderlich, weil sich seiner Auffassung nach ansonsten die Altersstruktur der Belegschaft zu sehr verschlechtert hätte.

Die Entscheidung:

Der klagende Arbeitnehmer bekam vor dem Arbeitsgericht Recht.

Das Gericht war der Auffassung, dass eine Bildung von Altersgruppen bei der Durchführung der Sozialauswahl eine unzulässige Altersdiskriminierung darstelle und gegen § 1 AGG in Verbindung mit § 7 I, II AGG verstoße. Diese Vorschriften des AGG, das auf EU-Richtlinien beruht und im August 2006 in Kraft trat, verbieten Benachteiligungen aus den im Gesetz erwähnten Motiven, unter anderem aus Gründen des Alters. Entgegenstehende Vereinbarungen sind unwirksam.

Das Gericht wandte das AGG auf diesen Fall an, obwohl § 2 Abs. 4 des Gesetzes dem (scheinbar) entgegensteht. Danach gelten „für Kündigungen ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz".

Das Arbeitsgericht ließ eine solche Ausnahme aber nicht gelten. Es wies darauf hin, dass die Regeln des AGG nur anzuwenden seien, soweit sie dem EU-Recht entsprächen. Die einschlägige EU-Richtlinie erfasse aber eindeutig auch die Beendigung von Arbeitsverhältnissen. Die Vorschrift des § 2 Abs. 4 AGG sei daher unvereinbar mit dem EU-Recht und demzufolge das Benachteilungsverbot des AGG auch bei Kündigungen zu beachten. In diesem Falle verstoße die Sozialauswahl gegen das Gesetz, so dass die Kündigung des Arbeitnehmers unwirksam sei.

Das Gericht führt in seiner Entscheidung weiter aus, das eine Sozialauswahl unter Bildung von Altersgruppen nicht schlechthin unzulässig sei. Dafür müsste aber ein berechtigtes betriebliches Interesse vorliegen. Das Motiv des Arbeitgebers, die derzeitige Altersstruktur im Betrieb beizubehalten, reiche jedoch nicht aus.

Beurteilung, Fazit:

Das Urteil ist eine erste Entscheidung zur noch neuen Gesetzeslage. Die Auffassung des Arbeitsgerichtes wird von der überwiegenden Meinung in der arbeitsrechtlichen Literatur geteilt. Es bleibt abzuwarten, wie das Landesarbeitsgericht und ggf. das Bundesarbeitsgericht die Rechtslage beurteilen werden.

Wenn das Urteil Bestand hat, dürfte es erhebliche Auswirkungen auf Kündigungen während der Probezeit und in Kleinbetrieben haben. Das Kündigungsschutzgesetz ist dort bekanntlich nicht einschlägig, so das Entlassungen bisher gerichtlich kaum überprüfbar waren. Vor dem Hintergrund der neuen Entscheidung könnte sich das ändern, wenn eine Kündigung gegen ein Benachteiligungsverbot des AGG verstößt.