Erstattungsfähigkeit von Fallpauschalen privatwirtschaftlicher Kliniken in der privaten Krankenversicherung

Mehr zum Thema: Versicherungsrecht, Erstattungsfähigkeit, Kliniken, Krankenversicherung
0 von 5 Sterne
Bewerten mit: 5 Sterne 4 Sterne 3 Sterne 2 Sterne 1 Stern
0

Aus aktuellen Anlass wollen wir noch mal die Erstattungspflicht der „selbstdefinierten Fallpauschalen" von Privatkliniken darstellen.

Aus der grundsätzlich uneingeschränkten Verpflichtung, Kosten notwendiger Heilbehandlungen zu übernehmen sowie der Zusage freier Klinikwahl ergibt sich, dass die von einer privaten Klinik geforderte Fallpauschale als Kosten den allgemeinen Pflegeklassen nach dem bedingungsgemäßen Tarif angefasst und erstattet werden müssen. Die nach dem Krankenhausentgeltgesetzes/ der Bundespflegesatzverordnung zu ermittelnden Fallpauschalen stellen keine taugliche Ausgleichsgrundlage zur Ermittlung des üblichen Preises der Krankenhausleistung ausschließlich privatwirtschaftlich handelnder Kliniken dar.

Folgender Sachverhalt lag vor:

Der Versicherungsnehmer hat bei der Versicherungsgesellschaft eine private Krankenversicherung im Tarif B 3 50 genommen, der als allgemeine Versicherungsbedingungen die MB/KK 76 und der Tarif X zugrunde liegen.

Der Versicherungsnehmer ließ sich in der Privatklinik wegen eines Bandscheibenleidens operieren, wobei unstreitig ist, dass die jeweiligen Behandlungen medizinisch notwendig waren. Als Entgelt für die Klinikleistungen, ohne Arzthonorar für Operateur und Anästhesist, hat der Versicherungsnehmer mit der Privatklinik deren Fallpauschale für Operationen dieser Art vereinbart.

Die Versicherung erstattete dem Versicherungsnehmer für die Klinikleistungen nur 50 % des „tagesgleichen Pflegesatzes". Mit seiner Klage verlangt der Versicherungsnehmer u.a. die Differenz von rund 10.000,00 €.

Der Versicherungsnehmer ist der Auffassung, die mit der Privatklinik vereinbarten Fallpauschalen seien wirksam, insb. nicht sittenwidrig überhöht.

Regelungen der Bundespflegesatzverordnung (BpflVO) und auf ihrer Grundlage gebildete Pflegesätze anderer Krankenhäuser, könnten als Vergleichsmaßstab nicht herangezogen werden, weil die Privatklinik nicht öffentlich gefördert werde, ihren gesamten Klinikbetrieb, einschließlich des für Betriebsgrundstück und Erstausstattung erforderlichen Aufwands, privatwirtschaftlich finanzieren müsse und deshalb auch auf Gewinnerzielung angewiesen sei.

Der Versicherungsnehmer kann von der Versicherung die Erstattung der ihm von der Privatklinik berechneten Fallpauschale verlangen.

Nach dem hier vereinbarten Tarif B 3 Ziff. 1.2.5 erstattet die Versicherung bei Krankenhausleistungen, die nicht nach der Bundespflegesatzverordnung berechnet werden, die Kosten der dritten bzw. der allgemeinen Pflegekasse. Die von dem Versicherungsnehmer in Anspruch genommenen Leistungen bietet die Streithelferin jedoch nicht zu einem tagesgleichen Pflegesatz an, sondern nur gegen Vereinbarung einer "selbstdefinierten Fallpauschale". Das Entgelt wird also nicht anhand von Pflegesätzen bestimmt, wie es in Ziff. 1.2.5 des Tarifs stillschweigend vorausgesetzt ist.

Das bedeutet jedoch nicht, dass die Versicherung nur verpflichtet wäre, tagesgleiche Pflegesätze zu erstatten, die die in Anspruch genommene Klinik für die ausgeführte Behandlung tatsächlich nicht berechnet. Aus der grundsätzlich uneingeschränkten Verpflichtung, Kosten notwendiger Heilbehandlungen zu übernehmen, und der Zusage freier Klinikwahl (§ 1 Abs. 1, 2, § 4 Abs. 4 MB/KK 76) ergibt sich vielmehr, dass die von einer privaten Klinik geforderte Fallpauschale als Kosten der allgemeinen Pflegeklasse gem. Tarif B 3 Ziff. 1.2.5 aufgefasst werden müssen.

Die Versicherung beruft sich auch zu Unrecht darauf, dass der Versicherungsnehmer die von der Privatklinik geforderte Zahlung nicht schulde, weil die zwischen ihm und der Privatklinik getroffene Entgeltvereinbarung sittenwidrig und deshalb nichtig sei. Es trifft zwar zu, dass der Versicherer nicht mehr zu erstatten hat, als das Krankenhaus vereinbarungsgemäß von dem Versicherungsnehmer verlangen kann. Soweit in diesem Zusammenhang zwischen den Parteien auch darauf abgestellt wurde, ob das geforderte Entgelt üblich i.S.v. § 612 Abs. 2 BGB ist, ist dies unerheblich, weil, wie jetzt unstreitig ist, die Fallpauschale jeweils als Vergütung vereinbart wurde. Dass die Vereinbarung sittenwidrig ist, ergibt der Vortrag der Versicherung aber nicht.

Sittenwidrig ist eine Preisvereinbarung, wenn unter Hinzutreten subjektiver Merkmale eine Leistung verlangt wird, die in einem auffälligen Missverhältnis zum Wert der Gegenleistung steht, oder wenn ein besonders grobes Missverhältnis besteht, das ein Handeln aus verwerflicher Gesinnung vermuten lässt. Vergleichsmaßstab ist somit der objektive Wert der Leistungen. Der Wert einer Leistung muss mangels anderer verlässlicher Maßstäbe anhand des üblichen Preises, d.h. des Marktpreises, bestimmt werden. Der übliche Preis bildet sich durch die freie Konkurrenz verschiedener Anbieter.

Daraus folgt zunächst, dass der Marktpreis nicht durch die Gerichte in der Weise bestimmt werden kann, dass zu den Kosten, die der Anbieter zur Erbringung der Leistung aufwendet, ein angemessener Gewinnaufschlag addiert wird. § 138 BGB bietet keine Grundlage dafür, dass die Gerichte bestimmen, welcher Gewinn im Verhältnis zu den Gestehungskosten einer Leistung angemessen wäre. Es ist daher für den vorliegenden Fall unerheblich, dass die Kalkulation der Klinikkosten der Streithelferin nicht offengelegt worden ist.

Welche Kosten die Streithelferin hat und welche Gewinnspanne sie erwartet, ist für die Frage unerheblich, ob der für ihre Leistungen geforderte Preis, der übliche ist. Es ist vielmehr ein Kennzeichen und eine gewollte Folge des Leistungswettbewerbs verschiedener Anbieter, dass derjenige, der eine Leistung mit geringeren Kosten als ein anderer Wettbewerber, zum üblichen Preis anbietet, einen größeren Gewinn erzielt.

Aus der Maßgeblichkeit des Marktpreises für die Bestimmung des objektiven Werts folgt ferner, dass in den Vergleich auch nur Marktpreise, d.h. Vergütungen einbezogen werden können, die sich im Wettbewerb verschiedener Anbieter bilden. Deshalb scheiden als Vergleichsgrundlage die Vergütungen aus, die öffentlich geförderte Krankenhäuser in privater oder öffentlicher Trägerschaft verlangen.

Die nach der Bundespflegesatzverordnung gebildeten Pflegesätze oder zwischen den Kostenträgern und Krankenhausverbänden vereinbarten Fallpauschalen beinhalten von vornherein nicht sämtliche Kosten, die mit der Erbringung der Leistung verbunden sind. Das ergibt sich aus § 17 Abs. 4 KHG, wonach Investitionskosten für die Erstellung eines Krankenhauses und seiner Erstausstattung mit langlebigen Gütern des Anlagevermögens nicht in die Kalkulation des Pflegesatzes einbezogen werden dürfen, ferner aus §§ 22, 23 KHG, wonach in einen Bedarfsplan aufgenommene Krankenhäuser einmalige und laufende Zuschüsse zu den Investitionskosten erhalten, außerdem aus der Voraussetzung jeglicher Förderungsfähigkeit, dass nämlich die betreffende Einrichtung nicht mit dem Ziel der Erzielung von Gewinn arbeitet.

Dementsprechend dürfen die öffentlich-rechtlichen Kostenträger und Sozialleistungsträger für Leistungen freier Anbieter, die weder in einen Bedarfsplan aufgenommen sind, noch einen Versorgungsvertrag mit den Kassen geschlossen haben, grundsätzlich und, soweit nicht durch § 108 SGB V ohnehin ausgeschlossen, nur die Beträge erstatten, die bei Inanspruchnahme geförderter Krankenhäuser entstehen, §§ 17 Abs. 5, 25 KHG.

Die nach der Bundespflegesatzverordnung gebildeten Tagessätze, sind keine taugliche Vergleichsgrundlage zur Ermittlung des üblichen Preises der Krankenhausleistung ausschließlich privatwirtschaftlich handelnder Kliniken.

Taugliche Vergleichsgrundlage zur Beurteilung der Sittenwidrigkeit ist allein der Preis von Krankenhausbehandlungen, den andere nicht geförderte Kliniken für vergleichbare Leistungen berechnen.

Die Nennung einer einzigen Privatklinik, die anhand eines tagesgleichen Pflegesatzes abrechnet, ist nicht geeignet, die Behauptung der Sittenwidrigkeit zu substantiieren, weil es sich dabei um einen Einzelfall handelt und nicht dargelegt ist, ob diese Klinik vergleichbare Wirbelsäulenoperationen bei vergleichbar kurzer Verweildauer durchführt.

Die Versicherung als bundesweit tätiger privater Krankenversicherer muss unschwer in der Lage sein, ihre Behauptung, die Fallpauschale der Privatklinik seien nicht nur im Verhältnis zu den Entgelten öffentlich geförderter Kliniken, sondern auch ggü. anderen Privatkliniken überhöht, durch weitere Tatsachen zu untermauern. Ersichtlich kommt es der Versicherung aber gerade darauf an, Privatkliniken an den Entgelten zu messen, die in öffentlich geförderten Kliniken berechnet werden. Dies ist jedoch kein geeigneter Vergleichsmaßstab.

Ferner ist die Versicherung nicht nach § 242 BGB zur Kürzung ihrer Leistungen gegenüber dem Versicherungsnehmer berechtigt. Das private Versicherungsverhältnis untersteht in besonderem Maße den Grundsätzen von Treu und Glauben. Der Versicherungsnehmer muss bei der Inanspruchnahme einer besonders kostenträchtigen und nicht vital lebensnotwendigen Behandlung, in angemessener Weise Rücksicht auf den Versicherer und die Versichertengemeinschaft nehmen. Der Versicherer braucht deshalb jedenfalls ganz unverhältnismäßige Kosten dafür nicht zu erstatten. So liegt der Fall hier nicht. Die Bandscheibenoperationen des Versicherungsnehmers waren vital lebensnotwendig (vergleiche auch OLG Frankfurt, Urt. v. 10.10.2001 - 7 U 192/00 = BGH, Urt. v. 12.03.2003 - IV ZR 278/01).

Schließlich ist aber für jeden Einzelfall der Umfang des Versicherungsschutzes zu prüfen.

Der Umfang des Versicherungsschutzes ergibt sich gem. § 1 Abs. 3 MB/KK aus dem Versicherungsschein, späteren schriftlichen Vereinbarungen, den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (Musterbedingungen, Tarif mit Tarifbedingungen) sowie den gesetzlichen Vorschriften. Tarif und Tarifbedingungen konkretisieren den in § 1 Abs. 1 S. 2 lit. a MB/KK beschriebenen Leistungsrahmen des Versicherers; sie schränken ihn ein. Ob die Tarifbedingungen die „selbstdefinierten Fallpauschalen" der Privatklinik als Kosten der allgemeinen Pflegeklasse erfassen, ist stets zu prüfen.

Enthalten die Tarifbedingungen keine konkrete Leistungsbestimmung, so ist jedenfalls das allgemeine Leistungsversprechen nach § 1 Abs. 1 S. 2 lit. a MB/KK maßgeblich. Vom Versicherer im Versicherungsfall zu ersetzende Aufwendungen für Heilbehandlung sind auch die zwischen dem Versicherungsnehmer und der Privatklinik wirksam vereinbarten Fallpauschalen. Weder dem allgemeinen Leistungsversprechen noch den TB/KK ist in der Regel eine völlige Ausgrenzung von Pauschalvergütungen im Sinne eines Leistungsausschlusses zu entnehmen. Schließlich wäre eine auf tagesgleiche Pflegesätze beschränkte Erstattung unvereinbar mit der in § 4 Abs. 4 MB/KK 76 enthaltenen Zusage der freien Klinikwahl, die nicht unter dem Vorbehalt eines bestimmten Abrechnungsmodus steht.