Eltern haften für ihre Kinder? – Zum Umfang der Aufsichtspflicht

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Entgegen dem im Alltagsleben anzutreffenden Hinweisschild „Eltern haften für ihre Kinder", haften die Eltern bei Schädigungen anderer Personen durch ihr Kind aus eigenem Verschulden.

Anknüpfungspunkt der elterlichen Haftung ist die Verletzung ihrer Aufsichtspflicht. Insoweit wird das Kind vom Gesetzgeber einer Gefahrenquelle gleichgesetzt, die Eltern aufgrund ihrer Fürsorgepflicht zu überwachen haben.

Somit tut sich für die Erziehungsberechtigten ein Spannungsfeld auf. Wollen sie zum einen eine selbstständige Entwicklung ihres Kindes fördern, müssen sie dem Kind Verantwortung auch für das eigene Verhalten lernen. Zudem ist es für Eltern unmöglich ein Kind, insbesondere wenn es dem Kleinkindalter entwachsen ist, rund um die Uhr zu überwachen. Andererseits sind sie auch verpflichtet, Gefahren für andere, die aufgrund des spielerischen Erlernens und Erfahrens des Kindes entstehen, abzuwehren.

Daher wird von den Eltern im Rahmen ihrer Aufsichtspflicht verlangt, abzuwägen, inwieweit sie ihrem Kind unter Zugrundelegung seines Entwicklungsstandes vertrauen können, sich an elterliche Verbote zu halten und anderen keine Schäden zuzufügen.

Dabei bestimmt sich das Maß der gebotenen elterlichen Aufsicht nach Alter, Eigenart und Charakter des Kindes sowie danach, was den Eltern an Aufsicht zugemutet werden kann. Entscheidend ist, was verständige Eltern nach vernünftigen Anforderungen unternehmen müssen, um die Schädigung Dritter durch ihr Kind zu verhindern. Dies ist nicht allgemein zu beantworten, sondern bedarf einer Einzelfallbetrachtung. Generell gesagt werden kann, dass bei Kindern im Alter von 7 bis 8 Jahren weder eine Überwachung auf Schritt und Tritt, noch eine regelmäßige Kontrolle in kurzen Zeitabständen wie bei kleinen Kindern erforderlich ist. Denn grundsätzlich muss es Kindern in diesem Alter erlaubt sein, ihre Umgebung spielerisch auch ohne Aufsicht der Eltern zu entdecken. Somit genügen Eltern ihrer Aufsichtspflicht im Allgemeinen bereits dann, wenn sie zum Beispiel bei Schulkindern, die in der Regel den Schulweg allein zurücklegen, sich über das Tun und Treiben in großen Zügen einen Überblick verschaffen, sofern nicht für die Eltern im konkreten Fall Anlass zu besonderer Aufsicht besteht. Anderenfalls würde jede vernünftige Entwicklung des Kindes, insbesondere der Lernprozess im Umgang mit Gefahren, gehemmt. In diesem Zusammenhang hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 24.03.2009 (Az. VI ZR 199/09) entschieden, dass bei einem 7 ½ jährigen Kind auch ein Zeitraum von bis zu zwei Stunden ohne Aufsicht keine Verletzung der Aufsichtspflicht ist, wenn das Kind belehrt wurde, den Spielplatz nicht zu verlassen.

Es bleibt Eltern daher anzuraten, ihre Kinder über die Achtung fremder Güter und Rechte zu belehren und sich über ihren Aufenthaltsort zu informieren. Dabei empfiehlt sich, die Kinder im räumlichen Nahbereich zum elterlichen Aufenthalt spielen zu lassen und in gewissen Zeitabständen nachzuschauen. Eine Totalüberwachung der Kinder durch die Eltern ist für die Einhaltung der Aufsichtspflicht nicht erforderlich und stellte für die kindliche Entwicklung ein Hemmnis dar.