Einwendungen gegen Verkehrslärm

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Die Problemfälle

Von Rechtsanwalt Möller Meinecke

Jeder dritte Deutsche fühlt sich durch Verkehrslärm in seiner Lebensqualität eingeschränkt. Über die Zumutbarkeit des Lärms wird bei der Planung der Verkehrsanlagen entschieden. Quer durch Deutschland werden derzeit neue Straßen, Schnellbahntrassen und Flughäfen geplant. Dabei stellen sich die Fragen, wer ist Betroffener in einem Planfeststellungsverfahren und wer kann Einwendungen gegen den zukünftigen Verkehrslärm erheben? Können auch Kommunen oder Bürger Einwendungen machen, in deren Rathaus die Planunterlagen nicht öffentlich ausgelegt werden?

Bei der Planung neuer Verkehrsanlagen werden die Planunterlagen oft nur im Nahbereich der Trasse bzw. rund um den Standort, nicht aber auch in den Rathäusern der Orte ausgelegt, die von der Fortsetzungsplanung des Verkehrsweges (Straße, Schnellbahntrasse) oder von dem Lärm einer erst langfristig zu erwartenden Vollauslastung der Verkehrsanlage betroffen sind.

In den Planunterlagen wird regelmäßig die Lärmbelastung nur als Folge eines innerhalb eines Prognosehorizontes von 15 Jahren zu erwartenden Verkehrsbedarfs berechnet.

Regelmäßig erlaubt die neue Verkehrsanlage aber bei Vollauslastung eine größere Verkehrsabwicklung, von der auch mehr Lärm ausgehen wird. Zudem wird fast nie die maximale (insbesondere nächtliche) Auslastung der neuen Verkehrsanlage in den Antragsunterlagen begrenzt, weshalb auch weit entfernt wohnende Anwohner befürchten müssen, vom Verkehrslärm bei einer zukünftigen Vollauslastung betroffen zu sein.

Da sich aber jeder dritte Deutsche durch Verkehrslärm in seiner Lebensqualität eingeschränkt sieht, rückt die Berücksichtigung des Lärmschutzes immer mehr in das Zentrum von staatlichen Planungsentscheidungen über neue Straßen, Bahntrassen oder Start- und Landebahnen.

Das Urteil

Das Bundesverwaltungsgericht vertritt im Urteil vom 16. Dezember 2003 ( Az 4 B 75.03 und ihm folgend der Hessische Verwaltungsgerichtshof im Urteil vom 14. Juli 2004, Az 12 A 662/01) die Rechtsansicht, dass sich auch die erst bei einer Vollauslastung vom Lärm betroffenen Bürger sowie Städte und Gemeinden schon in dem Planfeststellungsverfahren mit Einwendungen zu Wort melden müssen, um ihre Belange in die Abwägung der Behörde einzubringen und ihre Klage- und Abwehrchancen zu wahren.

Der Gesetzeswortlaut

Jeder, dessen Belange durch das Planungsvorhaben berührt werden, kann Einwendungen gegen die Planung erheben (§ 73 Abs. 4 Satz 1 VwVfG).

Die Kommentierung

Die Befugnis, Einwendungen zu erheben, ist einem weiten Kreis eröffnet.

  1. Betroffenheit

    Jenseits rechtlicher Zwänge kann generell jedermann aus jedem Ort Einwendungen an die Anhörungsbehörde senden. Bei der abschnittsweisen Planung einer Straße kann die Betroffenheit sich etwa daraus ableiten, dass eine sich abzeichnende Fortsetzung der Planung auch den Wohnort des Einwenders berühren wird. Bei der Planung zum Ausbau eines Flughafens ist der insbesondere nächtliche Lärm seiner Vollauslastung erst nach Jahrzehnten zu erwarten, dieser Lärm ist gleichwohl abwägungsrelevant.

    Die im Gesetz (§ 73 Abs. 4 Satz 1 VwVfG) geregelte Einwendungsbefugnis für "Betroffene" entscheidet nur die Frage, wer ein Recht auf Verfahrensbeteiligung und auf Erörterung seiner Belange hat; sie verwehrt keinem Bürger, seine Bedenken fristwahrend der Behörde mitzuteilen. Das im Gesetz angesprochene Recht auf Verfahrensbeteiligung und auf Erörterung der Einwendung steht nicht jedermann zu, vielmehr fordert das Gesetz, dass eigene Belange durch die Planung berührt werden.

  2. Betroffene Belange

    Zu den angesprochenen Belangen zählen alle öffentlich-rechtlich oder zivilrechtlich begründeten eigene Rechte oder wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen, ideellen oder sonstigen nicht unredlich erworbenen und deshalb anerkennenswerten eigenen Interessen des Einwenders (Hess.VGH NVwZ 1986, 680). Dieser weit gesteckte Rahmen umfasst insbesondere die Rechtspositionen des Eigentümers, aber auch des Mieters und Pächters aus der Lärmbelastung einer Vollauslastung einer Verkehrsanlage.

  3. Berührtsein von Belangen

    Berührt ist ein Belang, wenn die eigene Sphäre durch die Planung in einem Mindestmaß individuell tangiert wird. Allein ein Gemeinwohlbelang (etwa der Wunsch nach einem von Flugzeugen freien Himmel) reicht nicht aus. Erforderlich ist ein Mindestmaß an argumentativer Substantiierung, so dass der Anhörungsbehörde vermittelt wird, dass eigene Belange des Einwenders berührt werden können. Bei Zweifeln wird die Behörde den Vortrag als Einwendung zu berücksichtigen haben.

    Einwendungen sind daher auch Bürgern oder Gemeinde aus entfernteren Territorien möglich, in denen die Planungsunterlagen n i c h t öffentlich ausgelegt werden.

    Die Immissionen einer Vollauslastung der geplanten neuen Verkehrsanlage sind ein Argument auch für weiter entfernt liegende Städte und Gemeinden, ihr Recht auf Beteiligung und die Auslegung der Planunterlagen gegenüber der Anhörungsbehörde einzufordern.

  4. Verwirkung von Rechten

    Wer nicht fristwahrend individuell begründete Einwendungen erhebt, wird mit der Wahrung seiner Rechte gegen die Wirkungen der Verkehrsanlage ausgeschlossen; juristisch wird dies als Präklusionswirkung des Fristablaufs bezeichnet. Diese Wirkung trifft nicht nur den Bürger, sondern auch für durch den Lärm einer Vollauslastung in Ihrer Planungshoheit betroffenen entfernteren Städte und Gemeinden. Diese haben die enge Frist für Einwendungen wie jeder Bürger zu wahren und sollten sich auch durch die mit einer abweichenden Frist begrenzte Möglichkeit der späterer Stellungnahme als Träger öffentlicher Belange nicht irritieren lassen.

    Der Eigentümer eines von einer Planfeststellung betroffenen Grundstücks muss sich die prozessuale Sperrwirkung der Präklusion entgegenhalten lassen, wenn er in seinen Einwendungen seine Eigentümerbelange nicht erwähnt hat und sich etwa für den Schutz von Natur und Landschaft eingesetzt hat. Auch der Umstand, dass seine Eigentümerbelange im Rahmen zivilrechtlicher Verhandlungen, die er mit dem Träger des Vorhabens geführt hat, aktenkundig geworden sind, hindert den Eintritt des Einwendungsausschlusses bezogen auf die enteignungsrechtliche Vorwirkung der Planfeststellung nicht (BVerwG 11. Senat, Beschluß vom 13. März 1995, Az: 11 VR 5/95):

    "Soweit der Antragsteller sich gegen Beeinträchtigungen seines Eigentums an dem Grundstück Gemarkung G. Flurstück... wendet, ergibt sich die Aussichtslosigkeit seines Rechtsbehelfs bereits daraus, dass er mit diesem Einwand nach § 17 Nr. 5 Satz 1 Halbsatz 1 des Bundeswasserstraßengesetzes vom 23. August 1990 - BGBl I S. 1818 - in der Fassung des Planungsvereinfachungsgesetzes vom 17. Dezember 1993 - BGBl I S. 2123 - (WaStrG) in Verbindung mit § 73 Abs. 4 Satz 1 VwVfG ausgeschlossen ist. Wie der Senat zu der parallelen Vorschrift des § 20 Abs. 2 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes vom 27. Dezember 1993 - BGBl I S. 2378, 2396 - (AEG) bereits entschieden hat (Beschluss vom 22. Februar 1995 - BVerwG 11 VR 1.95 -), ist der Einwendungsausschluss auch im gerichtlichen Verfahren zu beachten (zum Einwendungsausschluss nach § 17 Abs. 3 und 4 WaStrG a.F. vgl. BVerwGE 66, 99 ff.).
    Das Einwendungsschreiben des Antragstellers vom 30. August 1993 enthält keinen Hinweis darauf, dass er gegen die Ausbauplanung einen Abwehranspruch geltend machen wollte, der aus seiner Eigentümerstellung resultiert. Es handelt sich um eine typische Jedermann-Einwendung ( BVerwGE 60, 297, 301). Der Antragsteller wollte, indem er mit einem von der Bürgerinitiative herausgegebenen Formularschreiben Einwendungen erhebt, deren Ziele unterstützen. Diese waren nach dem Inhalt des Formularschreibens nicht auf die Wahrung von rechtlich geschützten Individualinteressen ausgerichtet, sondern auf den Schutz von Natur und Landschaft. Daran ändert die Anschriftenangabe, die den Antragsteller als künftigen Kanalanlieger auswies, entgegen der von ihm im Schriftsatz vom 8. März 1995 geäußerten Auffassung nichts."

  5. Kommunen wahren nur durch fristgerechte „Einwendungen" ihre Rechte

    Soweit ein Träger öffentlicher Belange durch das Vorhaben zugleich in eigenen Rechten betroffen ist, muss er im Rahmen der Betroffenenbeteiligung fristgerecht Einwendungen erheben. Eine Stellungnahme im Rahmen der Behördenbeteiligung reicht dazu jedenfalls dann nicht aus, wenn diese Stellungnahme erst nach Ablauf der Einwendungsfrist bei der Anhörungsbehörde eingeht (BVerwG Gerichtsbescheid vom 27. Dezember 1995 - BVerwG 11 A 24.95 - m.w.N.).

    "Es fragt sich, ob die Antragstellerin nicht mit allen Einwendungen, die sie gegen die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses anführt, gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 AEG ausgeschlossen ist; denn diese Einwendungen wurden möglicherweise nicht innerhalb der gesetzlichen Einwendungsfrist des § 73 Abs. 4 Satz 1 VwVfG erhoben, die am 4. Januar 1995 ablief. Wenn man insoweit nämlich auf das Schreiben der Antragstellerin vom 5. Januar 1995 abstellt, muss sie sich entgegenhalten lassen, dass dieses erst verspätet und zudem nicht erkennbar als Betroffeneneinwendung formuliert worden ist. Es wurde in dem angefochtenen Planfeststellungsbeschluss auch nicht als solche, sondern als behördliche Stellungnahme behandelt (Abschnitt D 2.8)
    Die allen Betroffenen mit dem Einwendungsausschluss auferlegte Mitwirkungslast gilt auch für eine Gemeinde, die im Planfeststellungsverfahren als Behörde und damit als Trägerin öffentlicher Belange gemäß § 73 Abs. 2 VwVfG zur Stellungnahme aufgefordert worden ist. Die Betroffenenanhörung nach § 73 Abs. 4 VwVfG mit der Präklusion nach § 20 Abs. 2 Satz 1 AEG und die Behördenanhörung nach § 73 Abs. 2 VwVfG mit der Präklusionsmöglichkeit nach § 20 Abs. 2 Satz 3 AEG sind gesonderte Verfahrensschritte. Soweit ein Träger öffentlicher Belange durch das Vorhaben zugleich in eigenen Rechten betroffen ist und sich die Möglichkeit offenhalten will, diese Rechte notfalls im Klagewege geltend zu machen, muss er deshalb im Rahmen der Betroffenenbeteiligung fristgerecht Einwendungen erheben. Eine Stellungnahme im Rahmen der Behördenbeteiligung reicht dazu jedenfalls dann nicht aus, wenn diese Stellungnahme erst nach Ablauf der Einwendungsfrist bei der Anhörungsbehörde eingeht (vgl. Gerichtsbescheid des Senats vom 27. Dezember 1995 - BVerwG 11 A 24.95 - m.w.N.)." (BVerwG Beschluss vom 9. Februar 1996, Az: 11 VR 45/95).

Im Ergebnis sind auch die nur von den langfristigen Folgen einer Verkehrsplanung Betroffenen gut beraten, sich fristgerecht mit „Einwendungen" in dem Planungsverfahren mit ihren Interessen zu Wort zu melden.


Rechtsanwalt Möller-Meinecke
http://www.Moeller-Meinecke.de

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