Einvernehmliche Beendigung von Arbeitsverhältnissen

Mehr zum Thema: Arbeitsrecht, Arbeitsverhältnis, Abwicklungsvertrag, Aufhebungsvertrag, Kündigung
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Ein Plädoyer für den Abwicklungsvertrag

Einleitung

Um den Ansprüchen einer flexiblen Arbeitsgesellschaft zu entsprechen und auf Marktschwankung entsprechend reagieren zu können, ist die einvernehmliche Beendigung von Arbeitsverhältnissen als Alternative zu einer einseitigen Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerkündigung vielfach vorzugswürdig und für beide Seiten gewinnbringend.

Die zur Verfügung stehenden Mittel sind der Abwicklungs- und der Aufhebungsvertrag. Dieser Artikel möchte Vor- und Nachteile der beiden Instrumente darstellen und richtet sich dementsprechend sowohl an Arbeitgeber als auch an Arbeitnehmer. Dabei ist besonderes Augenmerk auf den Zusammenhang von Arbeits-, Arbeitsförderungs-, Sozial- und Steuerrecht gerichtet worden.

Abgrenzung Abwicklungs- zum Aufhebungsvertrag

Das Bundessolzialgericht (BSG) grenzt den Abwicklungsvertrag vom Aufhebungsvertrag dadurch ab, dass beim Abwicklungsvertrag keine Willenserklärungen abgegeben werden, die auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzielen. Während der Aufhebungsvertrag das Arbeitsverhältnis durch übereinstimmende Willenserklärungen beendet, enthält der Abwicklungsvertrag nur Regelungen, die unter der Bedingung einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch einseitiges Rechtsgeschäft (Kündigung) stehen, § 158 Abs. 1 BGB (vgl. BSG, Urt. V. 09.11.1995, BSGE 77, 48).

Allgemein wird dann von einem Aufhebungsvertrag gesprochen, wenn durch den entsprechenden Vertrag das Arbeitsverhältnis originär-einvernehmlich von den Parteien beendet wird, ohne dass zuvor vom Arbeitgeber eine Kündigung ausgesprochen wurde (vgl. Bauer, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, Rn I 20).

Die Vorteile des Abwicklungsvertrages

  1. Keine Ruhensanordnung und keine Abfindungsanrechung

    § 143a SGB III sieht vor, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld für den Zeitraum ruhen soll, der zwischem dem Ende des Arbeitsverhältnisses bis zu dem Tag liegt, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung der entsprechenden Kündigungsfrist geendet hätte, wenn der Arbeitslose eine Abfindung erhält oder zu beanspruchen hätte und das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfristen beendet wurde.

    Wie bereits erläutert wird das Arbeitsverhältnis beim Abwicklungsvertrag nicht durch den Vertrag, sondern durch die Kündigung beendet. Wurden zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer keine Vorfeldabsprachen getroffen und ist die arbeitgeberseitige Kündigung nicht offensichtlich rechtswidrig, findet die Ruhensanordnung keine Anwendung. In diesem Fall kann der Arbeitnehmer nahtlos mit dem Ende seines Arbeitsverhältnisses, insoweit die weiteren Anspruchsvoraussetzungen vorliegen, Arbeitslosengeld beziehen.

  2. Abschluss des Abwicklungsvertrags führt nicht in jedem Fall zu einer Sperrzeit des ALG

    § 144 SGB III sieht in Abs. 1 S. 1 und 2 Nr. 1 vor, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst hat.

    Aus dem Gesetzteswortlaut lässt sich schließen, dass jeder Abschluss eines Aufhebungsvertrags wegen der rechtsgeschäftlichen Beendigung durch den Arbeitnehmer ein „Lösen" des Arbeits- bzw. Beschäftigungsverhältnisses bedeutet. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) wird nur dann keine Sperrzeit anordnen, wenn dem Arbeitslosen ein „wichtiger Grund" zur Seite steht. Im Gegensatz dazu findet beim Abwicklungsvertrag das rechtsgeschäftliche Lösen des Arbeitsverhältnisses durch die arbeitgeberseitige Kündigung statt, so dass der Sperrzeittatbestand nicht greift.

    Ein weiteres Argument für den Abwicklungsvertrag ergibt sich aus der gegenwärtigen Ziffer 144.73 Abs. 1 der Durchführungsanweisung der BA zu § 144 SGB III: Hiernach kann die reine Hinnahme der Kündigung nicht zum Eintritt einer Sperrzeit führen. Durch den Abschluss des Abwicklungsvertrages – im Gegensatz zum Aufhebungsvertrag – wird die Kündigung gerade hingenommen.

  3. Deckungsschutz durch die Rechtsschutzversicherung

    Ein praktisches Argument spricht aus Sicht des rechtsschutzsuchenden Arbeitnehmers und dessen Anwalt für den Abwicklungsvertrag: Es besteht Gewissheit, dass die Rechtsschutzversicherung außergerichtlichen Deckungsschutz für die Verhandlungen mit dem Arbeitgeber erteilt.

    Anders ist es, wenn der Arbeitnehmer an seinen Anwalt herantritt mit der Information, sein Arbeitgeber wolle ihm kündigen, und der Anwalt daraufhin in Verhandlungen mit dem Arbeitgeber über einen Aufhebungsvertrag tritt. Der um Deckungsschutz gebetene Rechtsschutzversicherer wird regelmäßig mitteilen, dass bei Verhandlungen über die Aufhebung eines Arbeitsverhältnisses in Ermangelung eines Rechtspflichtenverstoßes kein Versicherungsfall im Sinne der ARB vorliege.

  4. Gleiche Flexibilität bei der Vertragsgestaltung

    Beim Abwicklungsvertrag können weitestgehend die gleichen Klauseln verwendet werden, wie beim Aufhebungsvertrag. So kann der Umstand, dass der Arbeitnehmer die Kündigung des Arbeitgebers hinnimmt, in der Präambel Erwähnung finden. Diese kann genutzt werden, um Finanzamt und Arbeitsamt die Hintergründe der Kündigung zu schildern und damit weitere Ermittlungen überflüssig zu machen.

    Seit der Entscheidung des BSG vom 18.12.2003 bietet sich die Verzichtserklärung auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage durch den Arbeitnehmer nicht mehr an. Das BSG hat die Verzichtserklärung als materiell-rechtliche Einigung über die Arbeitsverhältnisbeendigung gewertet mit allen daraus entstehenden für den Arbeitnehmer nachteiligen Folgen.

  5. Dauerhafter Rechtsfrieden

    Beim Abwicklungsvertrag können die Parteien davon ausgehen, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses dauerhaft geregelt ist. Zwar ist der Abwicklungsvertrag hinsichtlich seiner Willenserklärungen anfechtbar. Die rechtsgestaltende Wirkung der Arbeitgeberkündigung bleibt jedoch trotz der Anfechtung erhalten. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses tritt im Fall des Abwicklungsvertrages nicht durch diesen, sondern durch die arbeitgeberseitige Kündigung ein.

    Durch die Anfechtung des Aufhebungsvertrages – z.B. bei Widerrechtlichkeit durch Drohung – lebt das Arbeitsverhältnis wieder auf. Damit bleibt beim Aufhebungsvertrag eine Restunsicherheit bestehen.

  6. Kein Formerfordernis beim Abwicklungsvertrag

    Nach § 623 BGB bedürfen „Auflösungsverträge" der Schriftform. Bei dem Aufhebungsvertrag handelt es sich im Gegensatz zum Abwicklungsvertrag um einen so genannten Auflösungsvertrag: Das Arbeitsverhältnis wird gerade durch den Vertrag aufgelöst – und nicht durch die Kündigung wie beim Abwicklungsvertrag.

    Daraus ergibt sich, dass der Abwicklungsvertrag weiterhin formfrei geschlossen werden kann. Dies ermöglicht den Abschluss des Abwicklungsvertrags durch Fax und Email. Der Abwicklungsvertrag kann also schneller und unkomplizierter geschlossen werden. Dies kann bei Vertragsverhandlung unter Zeitdruck (nahender Gerichtstermin) von entscheidender Bedeutung sein.

Nachteile des Abwicklungsvertrages

Die Nachteile des Abwicklungsvertrages ergeben sich daraus, dass er eine Kündigung voraussetzt. Damit fällt der mit einer Kündigung häufig verbundene Aufwand an, etwa Beteiligung des Betriebsrats oder bei Schwerbehinderten die Einholung der Zustimmung des Integrationsamts. Bei genauerer Betrachtung – die den Rahmen dieses Artikels sprengen würde – entsteht ähnlicher Aufwand mittlerweile auch beim Aufhebungsvertrag. Dieser Nachteil wiegt bei einer Abwägung mit den Vorteilen also nicht schwer.

Fazit

Im Ergebnis kann also festgehalten werden, dass der Abwicklungsvertrag ein flexibel handhabbares Instrument für Arbeitgeber wie Arbeitnehmer darstellt, Arbeitsverhältnisse in einem der jeweiligen Situation angemessenen Sinn zu beenden.


Rechtsanwalt Markus A. Timm

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