Eigenbedarfskündigung – unbestimmtes Interesse an einer möglichen späteren Nutzung reicht nicht

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Bei einer Kündigung wegen Eigenbedarfs ist grundsätzlich die Angabe der Person, für die die Wohnung benötigt wird, und die Darlegung des Interesses, das diese Person an der Erlangung der Wohnung hat, ausreichend (Bundesgerichtshof, Urteil vom 30. April 2014 - VIII ZR 284/13, NJW 2014, 2102 mwN). Die beim Thema Eigenbedarfskündigung sehr vermieterfreundliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verführt Vermieter zunehmend dazu, es mit der Begründung der Eigenbedarfskündigung und der Darlegung des Nutzungswunsches nicht so genau zu nehmen. In einem aktuellen Urteil hat der Bundesgerichtshof hier eine deutliche Grenze gezogen.

Konkretes Interesse an einer alsbaldigen Eigennutzung erforderlich:

Im vom BGH jüngst entschiedenen Fall hatte der Vermieter die Eigenbedarfskündigung mit einem noch sehr vagen auf die Zukunft bezogenen Nutzungswunsch begründet. Das Amtsgericht hatte seine Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Umzugswunsches der Vermieterin ursprünglich damit begründet, dass die Vermieterin bei ihrer persönlichen Anhörung den Eigenbedarf nur „zaghaft" vorgebracht habe; sie habe auch nicht angeben können, dass sie sich überhaupt Gedanken darüber gemacht habe, warum sie von mehreren Dreizimmerwohnungen in dem Anwesen die Wohnung der Beklagten als ihre künftige Wohnung gewählt habe und hatte deshalb die Räumungsklage der Vermieterin abgewiesen.

Das Berufungsgericht (Landgericht) war dieser Begründung nicht gefolgt und hatte auf die Berufung der Vermieterin hin der Räumungsklage stattgegeben. Der Bundesgerichtshof hat sich im Ergebnis der Auffassung des Amtsgerichts angeschlossen.

Der Bundesgerichtshof: Für eine Kündigung wegen Eigenbedarfs gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB reicht ein noch unbestimmtes Interesse einer möglichen späteren Nutzung (so genannte Vorratskündigung) nicht aus; vielmehr muss sich der Nutzungswunsch so weit „verdichtet" haben, dass ein konkretes Interesse an einer alsbaldigen Eigennutzung besteht (BGH, Urteil vom 23. September 2015 – VIII ZR 297/14 –, juris).

Außerdem bemängelte der Bundesgerichtshof auch den Umstand, dass das Landgericht trotz beabsichtigter Abweichung in der Beweiswürdigung von der Auffassung des Amtsgerichts die Beweisaufnahme nicht wiederholt hat. Dazu der Bundesgerichtshof: Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat das Berufungsgericht einen Zeugen jedoch erneut zu hören, wenn es von der Würdigung des erstinstanzlichen Gerichtes hierzu abweichen will (BGH, Urteil vom 8. Dezember 1999 - VIII ZR 340/98, NJW 2000, 1199 unter II 2 a, Beschluss vom 10. November 2010 - IV ZR 122/09, NJW 2011, 1364 Rn. 6, jeweils mwN).

Das gelte nach Auffassung des Bundesgerichtshofs auch für die Anhörung einer Partei nach § 141 ZPO, insbesondere, wenn es – wie hier – um den Nachweis innerer Tatsachen (Umzugsabsicht) geht, für die eine Parteianhörung regelmäßig geboten ist (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juli 1998 - I ZR 32/96, NJW 1999, 363 unter II 2 a zur Parteivernehmung nach § 448 ZPO).

Insgesamt hat der Bundesgerichtshof in dem Urteil eine umfassende Plausibilitätsprüfung (BGH, Urteil vom 23. September 2015 – VIII ZR 297/14 –, juris) vorgenommen.

Fazit

Eine erfreulich klare Entscheidung des Bundesgerichtshofs, die der Tendenz der Instanzgerichte entgegenwirkt, auch fadenscheinige Argumentationen von Vermietern ungeprüft zu übernehmen.

Fachanwaltstipp Mieter

Mieter müssen bei einer Eigenbedarfskündigung sämtliche Register ziehen. Zunächst ist zu prüfen, ob die Eigenbedarfskündigung nach dem Mietvertrag überhaupt zulässig ist oder ob Sperrfristen entgegenstehen. Ist die Eingangskündigung danach zulässig, muss die Plausibilität des vorgebrachten Eigennutzungswunsches überprüft werden. Im Prozess müssen sämtliche in diesem Zusammenhang vorgetragenen Tatsachen des Vermieters bestritten werden.

Fachanwaltstipp Vermieter:


Auch wenn der Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung noch einmal klargestellt hat, dass die Anforderungen an die formale Begründung der Eigenbedarfskündigung nach wie vor gering sind, empfiehlt es sich bereits in der Kündigung mehr als das Nötigste anzugeben. Zum einen kann man damit einen unnötigen Räumungsprozess und damit Zeitverzug vermeiden, zum anderen zwingen einen die Angaben, sich hinreichend konkret festzulegen. Entsprechende Unsicherheiten in der Beweisaufnahme, wie im vorliegenden Fall, müssen dann nicht befürchtet werden.

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