Diskriminierung bei der Bewerbung: von Anfang an keine Chance auf den Job

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Warum Sie nicht jede Standardabsage akzeptieren sollten und welche Rechte Ihnen bei einer Diskriminierung zustehen.

Fast 1.500 Euro muss ein Arbeitgeber einer Bewerberin zahlen, weil er sie wegen ihres Kopftuches abgelehnt hatte (ArbG Berlin, Urt. v. 28.3.2012 – 55 Ca 2426/12). Die junge Muslimin hatte sich um einen Ausbildungsplatz als Zahnarzthelferin beworben und es im Bewerbungsgespräch abgelehnt ihr Kopftuch während der Arbeit abzulegen. Ihr potentieller Arbeitgeber erteilte ihr daraufhin mit Verweis auf die Kleiderordnung in seiner Praxis eine Absage.

Was in diesem Fall eindeutig eine Diskriminierung gemäß §§ 1,7 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) darstellt, ist im Normalfall eher schwer zu beweisen.

Standardabsagen können in Ausnahmefällen Indiz für Diskriminierung sein

Wie oft haben Sie schon einen großen DIN A4-Umschlag geöffnet und mussten Sätze wi e

„Vielen Dank für Ihre Bewerbung, leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass wir uns für jemanden anderen entschieden haben.... ."

lesen? Wenn die erste Enttäuschung über die Absage verflogen ist, stellen sich oft Selbstzweifel ein. Man fragt sich, ob die Noten nicht ausgereicht haben, Lücken im Lebenslauf oder eine abgebrochene Ausbildung oder ein abgebrochenes Studium der Grund für die Absage waren. Woher soll man bei solchen Standardschreiben auch wissen, ob man diskriminiert wurde oder nicht? Nachfragen hilft meist auch nicht, weil die Personaler von ihren Anwälten eingetrichtert bekommen haben, ja keine Gründe für die Absage anzugeben, um eventuelle Klagen zu verhindern. An dieser Praxis halten die meisten Arbeitgeber nach wie vor fest, obwohl der EuGH in einer seiner letzten Entscheidungen (Urteil vom 19.04.2012 – C-415/10) festgestellt hat, dass

  „die Verweigerung jedes Zugangs zu Informationen durch einen Arbeitgeber ein Gesichtspunkt sein kann, der im Rahmen des Nachweises von Tatsachen , die das Vorliegen einer Diskriminierung vermuten lassen, heranzuziehen ist.".

Demnach ist der Arbeitgeber zwar nach wie vor nicht verpflichtet, dem abgelehnten Bewerber die Gründe für die Absage mitzuteilen. Jedoch begründet eine Verweigerung von jeglichen Informationen in einigen Fällen durchaus den Verdacht, dass eine Diskriminierung der Auslöser für die Absage war. Dies gilt insbesondere für die Fälle, in denen der Bewerber nicht einmal zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen wurde.

Die Folge ist ein erhöhtes Risiko für den Arbeitgeber verklagt zu werden, wenn er weiterhin die oben geschilderte Standardformulierung verwendet. Das dürfte auch der Grund sein, warum einige Arbeitgeber dazu übergegangen sind, diese Formulierungen zu überarbeiten. Häufig stellen sie klar, dass die Absage nichts mit einer fehlenden Qualifikation oder der Form der Bewerbung zu tun hatte. Eine solche Formulierung wirft natürlich sofort die Frage auf, woran der Bewerber dann gescheitert ist. Mangels einer gerichtlichen Entscheidung zu dieser Formulierung besteht indes noch keine Rechtssicherheit, ob der Arbeitgeber hier dem Bewerber eine Steilvorlage für eine Klage gibt oder nicht.

Klagen bleiben eher die Ausnahme

Doch selbst wenn Arbeitgeber die Vorschriften des AGG geflissentlich und konsequent ignorieren, können sie sicher sein, dass sie in den seltensten Fällen auch tatsächlich verklagt werden. Über die Frage, ob dies nun daran liegt, dass die Hürden einer erfolgreichen Klage für die Bewerber zu hoch sind oder Diskriminierungen generell schwer zu beweisen sind oder die Betroffenen sich schlicht auch nicht trauen, sich gegen Diskriminierung zur Wehr zu setzen, kann man streiten. Fakt ist jedoch, dass der Bewerber im Prozess zunächst Indizien darlegen muss, die die Vermutung stützen, dass er diskriminiert wurde. Erst danach tritt die sogenannte Beweislastumkehr ein und der Arbeitgeber muss nachweisen, dass er AGG-konform gehandelt hat.

Eine schier unmögliche Aufgabe für einen Bewerber, der ohne Bewerbungsgespräch eine Standardabsage bekommt. Denn so fahrlässig , wie eine Firma , die die Bewerbungsunterlagen mit einem Vermerk „Ossi" und einem Minuszeichen davor an die Bewerberin aus den neuen Bundesländern zurückschickte, sind die wenigsten Arbeitgeber. Daher sind schriftliche Absagen ohne ein persönliches Bewerbungsgespräch kaum als Indiz für eine Diskriminierung heranzuziehen. Dies dürfte wohl auch der Grund für die o.g. Entscheidung des EuGH gewesen sein.

Beim Bewerbungsgespräch selbst sind Diskriminierungen zwar immer noch schwer nachzuweisen, allerdings gibt es einige „Klassiker" unter den Fragen der Personaler, die jeden Bewerber aufhorchen lassen sollten. Ob Fragen nach der persönlichen Lebensführung und einer geplanten Schwangerschaft bei Bewerberinnen oder die Frage, woher denn der ausländisch klingende Name des Bewerbers komme, Fragen nach dem Alter oder einer bestimmten Religionszugehörigkeit, Fragen nach Krankheiten oder Behinderungen oder gar nach Partei- oder Gewerkschaftszugehörigkeit, die Liste für unzulässige Fragen im Bewerbungsgespräch ist lang und wird sicherlich nicht kürzer. Eine Sammlung mit teils haarsträubenden Beispielen von Diskriminierungen, nicht nur in der Bewerbungsphase hat der Antidiskriminierungsverband Deutschland (advd) auf seiner Homepage als PDF bereitgestellt.

Umso verwunderlicher, dass die Klagebereitschaft bei abgelehnten Bewerbern, die mit solchen Fragen konfrontiert wurden, so gering bleibt. Sofern ein Bewerber sich dennoch dazu entschließt Ansprüche geltend zu machen, muss er dies innerhalb von 2 Monaten tun. Nur dann bewahrt er sich die Möglichkeit den Arbeitgeber im Anschluss auf Schadensersatz nach § 15 AGG zu verklagen. In der Regel wird die Höhe des Anspruches auf maximal drei Monatsgehälter festgesetzt. Vorausgesetzt natürlich, der Bewerber hat den Mut sich gegen Diskriminierung zur Wehr zu setzen.

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