Die Panama Papers - Wenn das Vermögen ins Ausland transferiert wird

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Was Sie über Briefkastenfirmen und Offshorekonten wissen sollten

Die Enthüllungen zu den Panama Papers gehen durch alle Medien - die Empörung ist groß. Der isländische Premierminister ist bereits unter öffentlichem Druck zurückgetreten, Großbritanniens Premier David Cameron verliert an Rückhalt und auch Namen deutscher Prominenz sollen sich in den rund 11,5 Millionen Dokumenten befinden. Aber was ist überhaupt so schlimm an Briefkastenfirmen? 123recht.de im Interview mit Rechtsanwalt Frank M. Peter, Fachanwalt für Strafrecht.

Offshore-Konten und Briefkastenfirmen sind legale Konstrukte

123recht.de: Herr Peter, was sind Offshore-Konten?

Rechtsanwalt Peter: Ein Offshore-Konto ist zunächst ein ganz normales Bankkonto im Ausland. Offshore bedeutet übersetzt „vor der Küste“ oder auch „küstenfern“. Interessant ist aber nicht die geografische Lage, sondern vielmehr die Nachweisbarkeit der Existenz des Kontos für Dritte. Die Banken, die Offshore-Konten anbieten, arbeiten in keiner Weise mit den europäischen Finanzämtern zusammen und können daher ein absolut anonymes Produkt bewerben.

Hauptgrund für Offshore-Konto: Anonymität und fehlende Auskunftspflichten gegenüber dem Finanzamt

123recht.de: Was sind die Gründe für das Eröffnen eines Offshore-Kontos?

Rechtsanwalt Peter: Der Hauptgrund für das Eröffnen eines Offshore-Kontos ist die Anonymität und die fehlende Auskunftspflicht gegenüber Behörden. Es werden keine Informationen über Finanztransaktionen oder die Eigentumsverhältnisse weitergegeben. Sehr oft wird auch der Grund der Flexibilität genannt. So kann man zum Beispiel wählen, in welcher Währung das Konto geführt werden soll (Multiwährungskonto) und hat damit eine Alternative hinsichtlich der möglicherweise eigenen instabilen oder von der Abwertung bedrohten Währung. Teilweise gibt es auch eine bessere Verzinsung von Guthaben. Eine persönliche Anwesenheit bei der Kontoeröffnung (was ansonsten in den meisten Ländern zwingend ist) ist oft nicht notwendig. Zudem ist eine Kontopfändung inländischer Gläubiger nicht möglich. Es erfolgt auch keine Bonitätsprüfung.

123recht.de: Wie komme ich an so ein Konto?

Rechtsanwalt Peter: Eine Eröffnung kann entweder durch einen Dienstleister oder eigenhändig erfolgen. Die verlangten Informationen variieren zum Teil sehr stark. Immer erforderlich ist ein Ausweis oder Reisepass in einfacher oder beglaubigter Kopie sowie die Leistung einer Mindesteinlage. Weitere verlangte Informationen können sein: Aktuelle Kontoauszüge der inländischen Bank, Gehaltsnachweis, Nachweis über den Wohnsitz, Herkunftsnachweis der Gelder bzw. eine Erklärung, für was das Konto genutzt werden soll oder sogar eine Referenz von einem Steuerberater oder Anwalt.

123recht.de: Und was sind Briefkastenfirmen?

Rechtsanwalt Peter: Bei einer Briefkastenfirma handelt es sich um ein Unternehmen, das in einem Land registriert ist, dort aber keine oder nur geringfügige tatsächliche geschäftliche Tätigkeit entfaltet. Es genügt daher die Eintragung in das entsprechende Register des Landes, in dem die Briefkastenfirma ansässig sein soll und ein einfacher Briefkasten bzw. ein Postfach.

123recht.de: Sind Briefkastenfirmen verboten oder erlaubt?

Rechtsanwalt Peter: Eine Briefkastenfirma ist dem Grunde nach kein illegales Konstrukt. Entscheidend ist, wofür die Firma verwendet wird. Sie kann der Verschleierung und Täuschung dienen oder zum Beispiel eine kostengünstige Möglichkeit für ein kleines Unternehmen darstellen, im Ausland tätig zu werden, ohne ein tatsächlich operatives (kostenintensives) Geschäft implementieren zu müssen.

"Niemand muss sein Konto dem Finanzamt melden"

123recht.de: Müssen Firmen oder Privatleute das hiesige Finanzamt über bestehende Offshore-Konten oder Beteiligungen informieren?

Rechtsanwalt Peter: Per se muss niemand sein eigentliches Konto dem Finanzamt melden. Auch nicht das Konto im Ausland. Das Finanzamt muss aber über die Erträge und Einkünfte informiert werden. Es gilt das so genannte „Welteinkommensprinzip“. Dieses Prinzip besagt, dass im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht alle Einkünfte, unabhängig davon ob sie aus dem Inland oder Ausland stammen, steuerlich erfasst werden müssen. Wie und wo im Endeffekt versteuert wird, ist zunächst sekundär, auf die Erklärung und Transparenz kommt es an.

123recht.de: Wie ist es möglich, dass wie jetzt passiert, tausende Daten der Kanzlei Mossack & Fonseca an die Öffentlichkeit gelangt sind?

Rechtsanwalt Peter: In dem vorliegenden Fall wurden die Daten von einem „Whistleblower“ zugängig gemacht. Dem Grunde nach bekommt eine Person oder Vereinigung meistens illegal Zugang zu einer Datenbank, kopiert diese und veröffentlicht dann die Informationen. Ein mögliches Szenario ist ein Mitarbeiter, der Daten abschreibt, kopiert oder sich selbst übersendet.

Der Anfangsverdacht darf auch auf illegal erlangte Daten gestützt werden

123recht.de: Dürfen die Daten überhaupt verwendet werden, wenn Sie illegal beschafft worden sind?

Rechtsanwalt Peter: Zunächst geht es um einen Anfangsverdacht. Dieser ist nötig, um dann im Zuge eines Ermittlungsverfahrens zum Beispiel eine Durchsuchung anzuordnen (und so weitere mögliche Beweismittel zu erlangen).

Im November 2010 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass der für eine Wohnungsdurchsuchung erforderliche Anfangsverdacht auf Daten gestützt werden darf, die ein Informant aus Liechtenstein auf einem Datenträger (Steuer-CD) an die Bundesrepublik verkauft hat.

In Deutschland gibt es nicht die so genannte "fruits of the poisonous tree"-Doktrin. Nach dieser angelsächsischen Doktin ist eine strafrechtliche Verurteilung auf Grundlage rechtswidrig erlangter Beweismittel ausgeschlossen.

Die reine Vermittlung von Offshorekonten und Briefkastenfirmen durch Banken ist nicht illegal

123recht.de: Sieben von acht deutschen Großbanken sollen auch deutsche Kunden an die Kanzlei Mossack & Fonseca vermittelt haben. Sind solche Vermittlungen erlaubt?

Rechtsanwalt Peter: Solange keine illegalen Aktivitäten wissentlich unterstützt, initiiert oder gefördert werden, ist die reine Vermittlung absolut unproblematisch.

Sollte zum Beispiel ein Kunde seinen Berater bei der Bank fragen, wie er am besten ein Offshore-Konto eröffnen oder wer ihm bei der Gründung einer Offshore-Gesellschaft helfen kann und der Berater verweist auf einen Dienstleister, der diese zunächst legalen Möglichkeiten offeriert und ausführt, besteht kein Verbot.

Die Frage nach der „bestmöglichen Steuerhinterziehung“ mit anschließender fachkundiger Hilfestellung ist offenkundig sehr wohl problematisch.

So kann man zum Beispiel auf entsprechenden Serviceseiten lesen: „Wir sind keine Steuerberater, was Sie mit dem Konto machen ist Ihre Entscheidung, wir stellen es nur zur Verfügung“.

Inhabern von Offshore-Konten droht in Deutschland ein Ermittlungsverfahren wegen Steuerhinterziehung

123recht.de: Gibt es strafrechtliche Ermittlungen in Deutschland aufgrund der Panama Papers?

Rechtsanwalt Peter: Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Anfangsverdacht hinsichtlich mehrerer Straftaten besteht. Wenn es sich dann auch noch bei der möglichen Straftat um ein Offizialdelikt handelt (Offizialdelikte sind Straftaten, die von Amts wegen zu verfolgen sind), wie zum Beispiel bei der Steuerhinterziehung, dann ist davon auszugehen, dass bereits aufgrund der „Panama Papers“ strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet wurden.

123recht.de: Was droht den betroffenen Firmen und Privatkunden?

Rechtsanwalt Peter: Zunächst droht die Einleitung eines Strafverfahrens. Aus dem Strafverfahren kann dann eine Haftung entstehen und entsprechende Nachzahlungen oder Schadensersatzzahlungen. Weitere Folgen wären zum Beispiel: Durchsuchung, Beschlagnahme, Sicherstellung, Einfrieren von Geldern, Verfall und etwaige Sperren und Verbote hinsichtlich der Ausübung des jeweiligen Berufs oder einer erteilten Erlaubnis.

Im Übrigen trifft eine Geld- oder Haftstrafe nur die natürliche, verantwortliche Person und niemals die juristische Person, also das Unternehmen. In Deutschland existiert kein Unternehmensstrafrecht. Lediglich eine Geldbuße für das Unternehmen ist möglich.

Deutschland liegt auf Platz 8 der weltweiten Steueroasen

123recht.de: Gibt es so was eigentlich auch in Deutschland? Oder anders gefragt: Kann Deutschland auch für Ausländer ein interessantes Land zum Steuersparen oder Hinterziehen sein?

Rechtsanwalt Peter: In Deutschland herrscht zwar (wie in den einschlägigen Steueroasen) Rechtssicherheit und die politische Stabilität, es gibt aber sehr viele Steuerarten, die zudem nicht sehr niedrig sind und so gut wie keine einfache Möglichkeit, gänzlich anonym am Geldtransfer teilzunehmen. Soweit die Theorie. Die Regeln müssen jedoch auch ausreichend überwacht und durchgesetzt werden. Hier hinkt Deutschland hinterher. Die Finanzämter sind oft unzureichend besetzt, die Abstimmung zwischen den einzelnen Bundesländern ist dürftig und die Kontrollen hinsichtlich möglicher Schwarzgeldflüsse erfahren erst seit kurzem einen zweiten Frühling.

Die Nichtregierungsorganisation „Tax Justice Network“ hat vor Kurzem erneut ein Ranking der Steueroasen erstellt (Schattenfinanzindex). Deutschland landete auf Platz 8 (von immerhin 82 Ländern und Hoheitsgebieten), noch vor Liechtenstein und den Bahamas. Die Platzierung ergibt sich aus einem Geheimhaltungswert und der globalen Gewichtung (Anteil des Landes am globalen Markt für grenzüberschreitende Finanzdienstleistung). Dass allein schon durch den zunächst unschädlichen Punkt der globalen Gewichtung Deutschland eindeutig vor einer kleinen Inselgruppe liegt, dürfte nicht verwundern.

In seinem Buch „Steueroase Deutschland“ hat Markus Meinzer berechnet, dass die Höhe der steuerfreien zinstragenden Anlagen im deutschen Finanzsystem von nicht in Deutschland Ansässigen im August 2013 zwischen 2,5 und über 3 Billionen Euro lag.

So sollen auf Deutschland immerhin über 6 Prozent des globalen Marktes für Offshore-Finanzdienstleistungen entfallen. Panama liegt übrigens auf Platz 13.

123recht.de: Es gibt nicht nur positive Stimmen an der Panama Papers Berichterstattung. Was werfen Kritiker den Journalisten vor?

Rechtsanwalt Peter: Die Situation ist vergleichbar mit der von „Wikileaks“. Heiligt der Zweck die Mittel? Was ist überhaupt der Zweck? Dem jeweiligen Staat zu helfen, fehlende Informationen für das Finanzamt und Staatsanwaltschaft zu erlangen oder nur um ein paar bekannte Namen herauszupicken um somit die Auflage zu steigern? Wurden die Daten ausreichend auf Echtheit geprüft? Wie weit muss Journalismus gehen bzw. darf er gehen? Steht im Vordergrund die Inszenierung oder Präsentierung?

Im Zweifel wird man festhalten müssen, dass ein großer Sachverhalt punktuell präsentiert wird, um es auch dem normalen Interessierten näher zu bringen. Und man darf nicht vergessen, die rechtliche Würdigung ist Aufgabe der Staatsanwaltschaft und der Finanzbehörden, der Verkauf einer Geschichte ist Teil des Geschäfts der Medien.

"Ich glaube nicht, dass dieser „Leak“ dem Produkt erheblich geschadet hat"

123recht.de: Glauben Sie, die Enthüllungen werden Folgen für das Produkt Offshore-Konten haben?

Rechtsanwalt Peter: Bereits im April 2013 gab es die so genannten „Offshore-Leaks“. Ich glaube nicht, dass dieser „Leak“ dem Produkt erheblich geschadet hat. Eventuell ist das Vertrauen in das Produkt durch den neuen und doch sehr großen „Leak“ von manchen „Interessengruppen“ nun etwas mehr gestört. Man darf aber nicht vergessen, dass das Produkt an sich nicht „versagt“ hat, es hat genau das getan, wozu es gedacht war.

Der „Leak“ wurde durch eine menschliche Handlung getätigt und hat nichts mit dem normalen Vorgang des Produkts zu tun.

123recht.de: Vielen Dank für das Gespräch!