Die Kündigung wegen "vorgetäuschter" Arbeitsunfähigkeit

Mehr zum Thema: Arbeitsrecht, Kündigung, Arbeitsunfähigkeit
4 von 5 Sterne
Bewerten mit: 5 Sterne 4 Sterne 3 Sterne 2 Sterne 1 Stern
1

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann es einen Grund zur fristlosen Kündigung darstellen, wenn ein Arbeitnehmer unter Hinweis auf eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit nicht zur Arbeit erscheint, obwohl er in Wahrheit gar nicht arbeitsunfähig erkrankt ist.

Vermutet ein Arbeitgeber, dass ein Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit nur vortäuscht und spricht er aus diesem Grund eine Kündigung aus, ist es im Kündigungsschutzprozess grundsätzlich Sache des Arbeitgebers zu beweisen, dass tatsächlich keine Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers vorgelegen hat. Dies ist häufig sehr schwierig, weil der Arbeitnehmer in solchen Fällen in der Regel eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen wird. Durch die Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kann der Arbeitnehmer grundsätzlich nachweisen, dass er tatsächlich arbeitsunfähig erkrankt war. Denn einem ärztlichen Attest kommt vor Gericht ein hoher Beweiswert. Das Arbeitsgericht sieht die Tatsache der Arbeitsunfähigkeit bei Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in der Regel als erwiesen an.

Will der Arbeitgeber den Kündigungsschutzprozess trotz Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch den Arbeitnehmer gewinnen, muss er deren Beweiswert erschüttern. Dazu muss der Arbeitgeber Umstände darlegen, die gegen die Arbeitsunfähigkeit sprechen, und diese Umstände notfalls auch beweisen. Aus den vom Arbeitgeber vorgetragenen Umständen müssen sich ernsthafte Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers ergeben. Die Rechtsprechung unterscheidet in diesem Zusammenhang die folgenden Bereiche, aus denen sich unter Umständen Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers herleiten lassen:

  • Umstände im Zusammenhang mit der Bescheinigung selbst (z.B.: keine Unterschrift durch den Arzt)

  • Vorliegen eines bestimmten Verhaltens des Arbeitnehmers vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit (z.B.: Ankündigung der Arbeitsunfähigkeit während einer Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber)

  • Vorliegen eines bestimmten Verhaltens des Arbeitnehmers während der bescheinigten Dauer der Arbeitsunfähigkeit (z.B.: Ausüben einer Nebentätigkeit)

Konnte der Arbeitgeber durch seinen Vortrag den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttern, ist es Sache des Arbeitnehmers, die Umstände seiner Erkrankung näher darzulegen. Der Arbeitnehmer muss sich jetzt im Einzelnen dazu äußern, welche Krankheiten vorgelegen haben, welche gesundheitlichen Einschränkungen bestanden haben und welche Verhaltensregeln der Arzt ihm aufgegeben hat. Gegebenenfalls muss der Arbeitnehmer zusätzlich seinen behandelnden Arzt von der Schweigepflicht entbinden. Hat der Arbeitnehmer dies getan, liegt der Ball wieder im Spielfeld des Arbeitgebers. Dieser muss jetzt unter näherem Vortrag darlegen und beweisen, dass keine Erkrankung des Arbeitnehmers vorlag, die eine Arbeitsunfähigkeit zur Folge hatte. Als Beweismittel kommen für den Arbeitgeber die Patientenkartei und die Vernehmung des behandelnden Arztes in Betracht.

Je nachdem, ob der Arbeitgeber oder der Arbeitnehmer an einem der vorgenannten Punkte seiner Darlegungs- oder Beweislast nicht nachkommt oder nicht nachkommen kann, wird das Arbeitsgericht die Kündigung als wirksam oder als unwirksam ansehen.

Von der hier vorgestellten Fallkonstellation der vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit ist der Fall zu unterscheiden, in dem der Arbeitnehmer erwiesenermaßen wegen einer Krankheit arbeitsunfähig ist, er aber durch sein Verhalten während der Phase seiner Arbeitsunfähigkeit seine Genesung verzögert (z.B. durch Ausübung einer Nebentätigkeit). Auch ein solches Verhalten kann unter Umständen eine Kündigung rechtfertigen. Denn grundsätzlich ist der Arbeitnehmer aufgrund seiner gegenüber dem Arbeitgeber bestehenden Treuepflicht verpflichtet, sich so zu verhalten, dass er möglichst bald wieder gesund wird.

Das könnte Sie auch interessieren
Arbeitsrecht Kündigung durch Arbeitgeber: Lohnt sich eine Kündigungsschutzklage?
Arbeitsrecht Kündigung wegen "schlechter" Leistung
Arbeitsrecht Kündigung bei außerdienstlichem Fehlverhalten
Arbeitsrecht Kündigungsschutz außerhalb des KSchG: Das Maßregelungsverbot nach § 612a BGB