Die Haftungsverteilung bei einem Verkehrsunfall - Teil 3: Unfälle bei Missachtung der Vorfahrt

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RUMMMMMS! Durchschnittlich erleidet ein Autofahrer alle fünf Jahre einen Verkehrsunfall. Für die entstandenen Sach- und Personenschäden haftet der Unfallverursacher bzw. die Haftpflichtversicherung des von ihm gefahrenen Fahrzeugs. Sind mehrere Verkehrsteilnehmer für den Unfall verantwortlich, wird die Haftung zwischen den Beteiligten aufgeteilt. Es wird eine sogenannte Haftungsquote gebildet.

Bei der Bestimmung der konkreten Haftungsverteilung sind letztlich immer die jeweiligen Umstände des Einzelfalls, wie etwa das einzelne Verschulden, die Verkehrsverhältnisse am Unfalltag oder die Betriebsgefahr der beteiligten Fahrzeuge, entscheidend. Dennoch haben sich in der Rechtsprechung und der Regulierungspraxis der Kfz-Versicherungen für häufig vorkommende Unfallkonstellationen bestimmte Standardquoten für die Haftungsverteilung herausgebildet.

Thilo Wagner
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In dieser Serie zum Verkehrsrecht werden die üblichen Haftungsquoten für typische Verkehrsunfälle aufgezeigt und auf mögliche Abweichungen hingewiesen.

Teil III der Artikelreihe widmet sich Unfällen, welche durch die Missachtung der Vorfahrt verursacht werden. Zunächst werden die allgemeinen Verhaltensregeln bei der Vorfahrt dargestellt.

Vorfahrt achten! Allgemeine Verkehrspflichten des Vorfahrtsberechtigten und des Wartepflichtigen (§ 8 StVO)

Die Vorfahrt ist in § 8 der Straßenverkehrsordnung (StVO) geregelt. An Kreuzungen und Einmündungen hat derjenige Vorfahrt, der von rechts kommt. Das gilt nur dann nicht, wenn die Vorfahrt durch Verkehrszeichen besonders geregelt ist und für Fahrzeuge, die aus einem Feld- oder Waldweg auf eine andere Straße kommen. Der Vorfahrtsberechtigte hat das Recht zur vorrangigen Fahrt, die anderen Verkehrsteilnehmer müssen das Vorfahrtsrecht beachten und sind wartepflichtig.

Wer die Vorfahrt zu beachten hat, muss hierbei rechtzeitig durch sein Fahrverhalten, insbesondere durch eine mäßige Geschwindigkeit, erkennen lassen, dass er warten wird. Er darf nur weiterfahren, wenn er übersehen kann, dass er den Vorfahrtberechtigten weder gefährdet noch wesentlich behindert.

Kann der Vorfahrtsberechtigte das nicht übersehen, weil die Straßenstelle unübersichtlich ist, so darf er sich nur vorsichtig in die Kreuzung oder Einmündung hineintasten, bis er die notwendige Übersicht hat. Auch wenn der, der die Vorfahrt hat, in die andere Straße abbiegen möchte, darf ihn der Wartepflichtige nicht behindern.

Unfälle bei Missachtung der Regel „rechts-vor-links" oder bei Nichtbeachtung von Vorfahrtsschildern

Bei der sehr häufig vorkommenden Missachtung der Regel „rechts-vor-links" oder bei bei dem Übersehen einer Verkehrsregelung durch ein Verkehrsschild, haftet der Fahrer, der seine Wartepflicht nicht beachtet hat, voll. Etwas anderes gilt jedoch, wenn der Vorfahrtsberechtigte zuvor durch eine irreführende Fahrweise aufgefallen ist. Hatte der Vorfahrtsberechtigte etwa einen Blinker gesetzt und ist dann dennoch geradeaus weitergefahren, muss er zur Hälfte haften. Der Haftungsanteil wird sogar noch erhöht, wenn der blinkende Geradeausfahrer zuvor auch noch die Geschwindigkeit so gemindert hat, dass der Anschein erweckt wurde, er wolle tatsächlich abbiegen. In diesem Fall kann er sogar zur vollen Haftung herangezogen werden.

Fuhr der Vorfahrtsberechtigte zum Unfallzeitpunkt zu schnell, muss er zumindest anteilig haften. Dabei vergrößert sich der Haftungsanteil mit dem jeweiligen Grad der Geschwindigkeitsüberschreitung. Das bedeutet im ärgsten Fall: Wer Nachts bei regennasser Fahrbahn mit über hundert Stundenkilometer durch die Innenstadt rauscht, haftet auch bei eigener Vorfahrt im Falle eines Zusammenpralls zu 100 % Prozent.

Auch ein sonstiges Fehlverhalten des Vorfahrtsberechtigten, wie etwas ein Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot oder eine Fahrt unter Drogeneinfluss, steigert seinen Haftungsanteil.

Verkehrsunfälle bei einem Vorfahrtsverstoß im Bereich einer Kreuzung mit Ampeln

Derjenige, der das Rotlicht einer Verkehrsampel überfährt, haftet alleine für den hierdurch verursachten Unfallschaden. Eine Ausnahme von dieser Regel kommt jedoch in Betracht, wenn der durch Grünlicht berechtigte Fahrer mit wesentlich überhöhter Geschwindigkeit in die Kreuzung einfährt.

Kommt es zu einem Zusammenstoß zwischen einem Fahrer, der die Kreuzung bei Gelblicht befahren hat, weil ihm ein rechtzeitiges Halten nicht mehr möglich war, und einem anderen Verkehrsteilnehmer, haftet dieser andere Verkehrsteilnehmer voll. Denn es ist davon auszugehen, dass die Dauer des Gelbsignals der Ampelanlage stets richtig bemessen ist und der andere Fahrer somit zwangsläufig zu schnell und unter Missachtung seiner Wartepflicht in die Kreuzung eingefahren sein muss.

Die Sache liegt jedoch anders, wenn der bei Gelbanzeige fahrende noch rechtzeitig hätte abbremsen können, oder gar bei sehendem Gelblicht rasant durchgestartet ist. In diesen Fällen droht dem Gelb-Fahrer ein erhöhter Haftungsanteil und in extremen Fällen sogar die Alleinhaftung.

Kann zwischen den Beteiligten nicht mehr geklärt werden, was die Ampel zum Unfallzeitpunkt anzeigte, wird die Haftung geteilt. Die gilt auch bei einem Zusammenstoß zwischen einem Kreuzungsräumer (das ist ein Fahrer, der bei Grün in die Kreuzung einfuhr, dann aber in Folge eines Rückstaus warten musste und erst bei Grünlicht des kreuzenden Verkehrs die Straße räumen kann) und einem einfahrenden Wagen. Schließlich hat der Einfahrende das Vorfahrtsrecht des Kreuzungsräumers missachtet, während der andere den seitlichen Verkehr falsch eingeschätzt hat.

Fazit:

Die Bestimmung des einzelnen Verschuldens und der konkreten Haftungsquote bei einem Verkehrsunfall zwischen einem vorfahrtsberechtigten Fahrzeug und einem wartepflichtigen Verkehrsteilnehmer ist aufgrund der zuvor beschriebenen Haftungsgrundsätze nur in ganz einfachen und unstreitigen Unfallkonstellationen möglich. Die meisten Kfz-Versicherungen berufen sich zu schnell und zu einseitig auf eine für sie günstige „typische" Haftungsregel und verweigern die Zahlung des vollen Schadensersatzes. In diesem Fall sollten Sie die Besonderheiten des Einzelfalls genau beschreiben und auf eine sachgerechte Regulierung drängen.

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Der Autor ist Rechtsanwalt in Köln. Er ist Partner der Rechtsanwaltskanzlei WAGNER HALBE Rechtsanwälte Köln. Er berät und vertritt Privatmandanten und Unternehmer bei Verkehrsunfällen, Personengroßschäden, bei Rechtsstreiten um Schadensersatz und Schmerzensgeld, sowie in allen anderen Fragen des Versicherungs- und Verkehrsrechts. Bei Anregungen oder Fragen zu diesem Themenkomplex können Sie eine unverbindliche E-Mail direkt an die Adresse info@wagnerhalbe.de senden. Weitere Informationen erhalten Sie auf diesem Portal oder auf der Internetseite http://www.wagnerhalbe.de und dem Rechtsanwaltsblog http://rechtsanwaltsblog.blog.de .

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