Die Diskriminierung von Frauen in der Arbeitswelt

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Frauenquote, Teilzeit, anhaltende Ungleichbehandlung – welche Probleme Frauen im Job häufig antreffen

Vor dem Gesetz sind alle gleich. Aber wie heißt es so schön, manche sind gleicher. Davon können auch Frauen im Berufsleben ein Lied singen. Es ist häufig sehr schwer, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Gerade Frauen müssen dabei oft Kompromisse eingehen. 123recht.de im Interview mit Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht Simone Sperling über Gleichbehandlung, Bezahlung, Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge von Frauen.

Frauen in Teilzeit haben so gut wie keine Beförderungschancen

123recht.de: Viele Frauen arbeiten familienbedingt in Teilzeit. Man spricht dann schnell von der Teilzeitfalle, was bedeutet das? Welche Nachteile haben Frauen durch lange Teilzeitarbeit?

Simone Sperling
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Rechtsanwältin
Fachanwältin für Familienrecht, Fachanwältin für Arbeitsrecht, Fachanwältin für Erbrecht
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Rechtsanwältin Sperling: Wenn Frauen in Teilzeit arbeiten, gestaltet es sich für diese Frauen schwer, wieder in eine Vollzeitbeschäftigung zurückzukehren. Denn die gesetzlichen Regelungen des TzBfG geben einen konkreten und durchsetzbaren Anspruch auf Teilzeit. Einen Anspruch auf Rückkehr in eine Vollzeitstelle besteht nur allgemein. Nach § 9 TzBfG besteht nur die Verpflichtung, bei Besetzung einer entsprechenden Stelle und gleicher Eignung den teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer zu bevorzugen.

Frauen in Teilzeit werden meist bei Beförderungsstellen nicht beachtet, da Führungskräfte oft nur in Vollzeit eingestellt werden.

Keinen Anspruch auf eine Vollzeitstelle

123recht.de: Was ist, wenn Frauen in Vollzeit arbeiten wollen, der Arbeitgeber aber nicht mitmacht? Gibt es Bestrebungen seitens des Gesetzgebers, die hohe Teilzeitqoute zu senken?

Rechtsanwältin Sperling: Sofern der Arbeitgeber keine entsprechende Vollzeitstelle neu besetzen oder auf die Stelle eine zweite Teilzeitbeschäftigte einstellen möchte, hat eine Frau, die nach dem TzBfG in Teilzeit arbeitet, keinen Anspruch auf eine Vollzeitstelle. Wenn die Frau von Beginn an bei dem Arbeitgeber in Teilzeit gearbeitet hat, besteht kein Anspruch auf Vollzeit.

Der Gesetzgeber könnte den Anspruch auf Vollzeit ebenso regeln wie den Anspruch auf Teilzeit. Der Arbeitgeber kann auch aus betrieblichen Gründen dem Teilzeitantrag widersprechen. So eine Möglichkeit kann dann ebenso geschaffen werden, um den Arbeitgeber vor wirtschaftlichen Risiken zu schützen. Entsprechende Bestrebungen des Gesetzgebers gibt es derzeit jedoch nicht.

123recht.de: Warum erhalten Frauen häufig eine andere Bezahlung für die gleiche Arbeit als Männer? Selbst Hollywoodschauspielerinnen verlangen ja mittlerweile öffentlich, dass sich etwas ändern muss.

Rechtsanwältin Sperling: Diese Unterschied ist historisch bedingt und vielleicht, dass Frauen oft ihr können selbst unterschätzen. Somit sind Frauen in Vertragsverhandlungen nicht so fordernd wie Männer.

Die aktuelle Familienministerin hat jedoch das Bestreben, zeitnah, wenn möglich noch in diesem Jahr, ein Gesetz zur gleichen Bezahlung von Mann und Frau auf den Weg bringen.

Frauen sind bei Diskriminierung in der Beweislast

123recht.de: Ist eine ungleiche Bezahlung nicht Diskriminierung und ein Verstoß gegen das Geichbehandlungsgesetz? Was kann eine Arbeitnehmerin tun?

Rechtsanwältin Sperling: Sofern für gleiche Arbeit Männer besser als Frauen entlohnt werden und es hierfür keinen sachlichen Grund gibt, stellt es einen Verstoß gegen § 1AGG dar. Frauen können arbeitsgerichtlich unter Berufung auf das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) eine Anpassung fordern. Jedoch ist die Frau in der Beweislast, dass sie die gleichwertige Arbeitsleistung erbringt wie der Mann, sofern der Arbeitgeber die unterschiedliche Behandlung mit geringer Arbeitsleistung begründet.

Kein Mutterschutz bei befristeten Arbeitsverträgen

123recht.de: Warum stellt ein befristeter Arbeitsvertrag und eine mögliche Schwangerschaft ein großes Problem für Frauen dar? Es gilt doch Kündigungsschutz?

Rechtsanwältin Sperling: Die befristeten Arbeitsverträge enden, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Somit ist kein Raum für den Kündigungsschutz, den schwangere Frauen sonst nach dem MuSchG genießen.

123recht.de: Hat eine Frau einen Anspruch auf Wiedereinstieg nach der Elternzeit?

Rechtsanwältin Sperling: Sofern kein befristeter Arbeitsvertrag bestand, besteht der Anspruch auf Weiterbeschäftigung nach der Elternzeit. In der Elternzeit selbst besteht ein Kündigungsschutz. Danach sind die allgemeinen Regelungen zum Kündigungsschutz anzuwenden. Es besteht daher für Frauen in kleineren Unternehmen (bis 10 Mitarbeiter) eine Gefahr, dass nach der Elternzeit unter Einhaltung der Fristen gekündigt wird. Denn in diesen Unternehmen kann ohne Benennung eines Grundes gekündigt werden und es muss keine Sozialauswahl nach §§ 1, 2, KSchG erfolgen.

123recht.de: Gerade in der Unternehmensführung sind Frauen ja eher selten anzutreffen. Nun soll eine Quote für Aufsichtsräte mehr weibliche Führungskräfte etablieren. Ein richtiger Schritt?

Rechtsanwältin Sperling: Ich denke dies ist ein richtiger Schritt. Denn die Unternehmen werden so bemerken, dass eine Beteiligung von Frauen sich positiv gestalten wird.

Frauenquote für Vorstände würden zu sehr in die Entscheidungsfreiheit der Unternehmen eingreifen

123recht.de: Die Frauenquote soll nur für Aufsichtsräte gelten. Warum wird die Frauenquote nicht auch auf Vorstände ausgeweitet?

Rechtsanwältin Sperling: Die Aufsichtsratstätigkeit selbst ist eine sehr verantwortungsvolle Tätigkeit, jedoch zeitlich nicht so aufwendig wie eine Vorstandstätigkeit. Die Vorstände leiten das sog. Tagesgeschäft, bereiten weitergehende Entscheidungen und legen diese dem Aufsichtsrat zur Beschlussfassung vor. Es ist davon auszugehen, dass eine Frauenquote zu sehr in die Entscheidungsfreiheit der Unternehmen eingreift. Ebenso spielt es eine Rolle, dass Vorstände meist in Vollzeit arbeiten.

123recht.de: Erste Unternehmen bringen Klagen gegen die Quote ins Gespräch. Wovor hat man denn Angst, was sind die Argumente?

Rechtsanwältin Sperling: Die Unternehmen haben davor Angst, dass durch diese gesetzlichen Regelungen zu sehr in die Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit eingegriffen wird. Denn das Eigentum und die Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit ist ebenso ein grundgesetzlich geschütztes Recht wie die Gleichbehandlung. Daher müssen die Gerichte bei den Klagen abwägen, welches Grundrecht stärker zu schützen ist und welche Eingriffe durch das Grundgesetz gedeckt sind.

123recht.de: Wie wird sich das ganze aus Ihrer Sicht entwickeln?

Rechtsanwältin Sperling: Ich gehe davon aus, dass die gesetzliche Pflicht den Unternehmen zeigen wird, dass Frauen mindestens genauso gut in Führungspositionen arbeiten können wie Männer. Diese Erfahrung wird die Unternehmen wohl dazu bringen selbstständig, ohne gesetzliche Pflicht, Frauen für Vorstandstätigkeit und Führungspositionen einzustellen.

123recht.de: Wir bedanken uns ganz herzlich für das informative Gespräch.

Simone Sperling

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Fachanwältin für Familien- und Erbrecht

Fachanwältin für Arbeitsrecht

Betriebswirt (HWK)



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