Die Abmahnung im Kündigungsschutzrecht

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Wissenswertes rund um die Abmahnung

Bei der Abmahnung handelt es sich um eine empfangsbedürftige geschäftsähnliche Handlung (ErfK/Müller-Gloge, § 626 BGB Rn. 31), die ihren rechtlichen Ursprung im Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Verbindung mit § 314 Abs. 2 BGB hat. Die Abmahnung hat grundsätzlich 4 Funktionen. Zunächst einmal enthält eine Abmahnung eine Hinweisfunktion. Dies bedeutet, dass in der Abmahnung ausdrücklich auf eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung hingewiesen werden muss, was möglichst genau zu geschehen hat.

Ferner ist die Aufforderungsfunktion ein Kennzeichen einer Abmahnung. Insoweit wird durch die Abmahnung zu arbeitsvertraglich pflichtgemäßem Verhalten aufgefordert (Schaub-Linck, ArbR-Hdb. § 132 Rn. 1).

Weiterhin beinhaltet eine Abmahnung eine Warnfunktion (BAG NZA 2005, 459). Kennzeichen dieser Warnfunktion ist insoweit, dass der Arbeitgeber als Abmahnberechtigter das pflichtwidrige Verhalten zukünftig nicht mehr hinnehmen wird. Schließlich weist eine Abmahnung auch eine Androhungsfunktion auf. Mit der Abmahnung zeigt der Abmahnberechtigte auf, dass er bei einem erneuten arbeitsvertraglich pflichtwidrigen Verhalten weitergehende rechtliche Schritte einleiten wird, regelmäßig also eine Kündigung aussprechen wird.

Abmahnberechtigt ist auf der Seite des Arbeitgebers regelmäßig nicht nur der Arbeitgeber selbst, sondern alle Mitarbeiter des Arbeitgebers, die befugt sind, verbindliche Anweisungen hinsichtlich des Arbeitsortes, der Arbeitsleistung und hinsichtlich der Arbeitszeit zu geben (HK-ArbR/Markowski, § 1 KSchG Rn. 245). Zusammenfassend ist also festzuhalten, dass derjenige zum Ausspruch einer Abmahnung berechtigt ist, der auch vom Weisungsrecht Gebrauch machen kann (Klaus Beckerle, Die Abmahnung – Wirksam und korrekt umsetzen, 9. Auflage 2005, S. 129 Rn. 214).

Exkurs:

Nicht nur der Arbeitgeber ist nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zum Ausspruch einer Abmahnung berechtigt, sondern auch der Arbeitnehmer, falls der Arbeitgeber eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung begehen sollte.

Was eine etwaige Form der Abmahnung anbelangt, so ist festzuhalten, dass das Gesetz keinerlei Formvorschriften vorschreibt. So kann eine Abmahnung auch grundsätzlich mündlich ausgesprochen werden, sofern die vorgenannten Funktionen der Abmahnung hinreichend berücksichtigt werden.

Wichtig:

Der Abmahnberechtigte sollte beim Ausspruch der Abmahnung unbedingt die Schriftform einhalten, da die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Kündigungsgründe nach allgemeiner Auffassung beim Arbeitgeber liegt (HK-ArbR/Markowski, § 1 KSchG Rn. 259f.).

Weiterhin ist anzumerken, dass der abgemahnte Sachverhalt durch den Ausspruch der Abmahnung „verbraucht“ ist, sprich, durch den Ausspruch der Abmahnung verzichtet der Arbeitgeber bei den zugrundeliegenden Umständen auf eine Kündigung. Die Abmahnung stellt rechtlich insoweit auch einen Kündigungsverzicht dar (BAG NZA 2010, 823). Insoweit wird dem Arbeitnehmer durch die erfolgte Abmahnung deutlich vor Augen geführt, dass bei einer wiederholten, gleichgelagerten arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung eine Kündigung ausgesprochen wird.

Für den Ausspruch einer Abmahnung gibt es auch keine gesetzliche Erklärungsfrist. Danach ist es dem Arbeitgeber grundsätzlich überlassen, ob und wann er eine Abmahnung aussprechen will. Allerdings ist in diesem Zusammenhang auf eine etwaige abgeschwächte Wirkung einer erst später ausgesprochenen Abmahnung hinzuweisen.

Daher kann man festhalten, dass die Wirkung einer Abmahnung umso abgeschwächter ist, je länger der Arbeitgeber mit deren Ausspruch wartet. Bei einem im Einzelfall extrem langen Abwarten  zwischen einem abmahnfähigen Verhalten und dem Ausspruch einer Abmahnung, kann das Recht zum Ausspruch der Abmahnung im konkreten Sachverhalt verwirkt sein (Schaub-Linck, ArbR-Hdb. § 132 Rn. 17).

So hat das Landesarbeitsgericht Köln in einem Urteil angemerkt, dass beispielsweise ein Abwarten von ca. 3,5 Monaten bis zum Ausspruch eine Abmahnung dazu führen könne, dass der Arbeitgeber sein Recht zum Ausspruch einer Abmahnung  verwirkt hat (LAG Köln, Urteil vom 23.09.2003 - 13 (12) Sa 1137/02).

Grundsätzlich herrscht insoweit Einigkeit darüber, dass im Leistungsbereich vor Ausspruch einer Kündigung regelmäßig eine Abmahnung erforderlich ist (BAG, Urteil vom 17.02.1994 – 2 AZR 616/93). Analog zum Rechtsgedanken des § 323 Abs. 2 BGB bedarf es wohl in den Fällen keiner Abmahnung, in denen eine Abmahnung von vornherein nicht erfolgversprechend wäre (so wohl BAG, Urteil vom 23.06.2009 - 2 AZR 532/08; LAG Köln, Urteil vom 23.09.2003 – 13 (12) Sa 1137/02).

Bei schweren arbeitsvertraglichen Pflichtverstößen bedarf es wohl dann keiner vorherigen Abmahnung, wenn der Arbeitnehmer damit rechnen konnte und musste, dass der Arbeitgeber sein vertragswidriges Verhalten nicht dulden bzw. nicht hinnehmen kann (ErfK/Müller-Gloge, § 626 BGB Rn. 29). Dies wird bei groben Pflichtverletzungen im Vertrauensbereich wohl regelmäßig der Fall sein. So wird beispielsweise innerhalb der Rechtsprechung davon ausgegangen, dass bei strafbarem Verhalten wie beispielsweise bei Tätlichkeiten (so wohl auch BAG, Urteil vom 18. 9. 2008 – 2 AZR 1039/06) oder bei Arbeitszeitbetrug (LAG Hamm, Urteil vom 26.10.2005 – 18 Sa 446/05) eine Abmahnung regelmäßig entbehrlich ist.

Im Vertrauensbereich wird eine Abmahnung in der Regel dann entbehrlich sein, wenn das Vertrauen zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer durch ein Verhalten des Arbeitnehmers irreparabel und somit dauerhaft zerstört ist (so im Ergebnis wohl auch LAG Hamm, Urteil vom 26.10.2005 – 18 Sa 446/05).

Sobald eine Abmahnung ausgesprochen worden ist, stehen dem Arbeitnehmer regelmäßig mehrere Möglichkeiten offen.

So kann der Arbeitnehmer einerseits eine Gegendarstellung zur Abmahnung verfassen und verlangen, dass diese Gegendarstellung zu seiner Personalakte genommen wird. Als Rechtsgrundlage ist insoweit § 83 Abs. 2 BetrVG anzusehen. Der Arbeitnehmer kann wohl selbst dann verlangen, dass der Arbeitgeber die Gegendarstellung zu der Personalakte nimmt, wenn der Arbeitgeber die Gegendarstellung seinerseits für unzutreffend ansieht (Fitting, Betriebsverfassungsgesetz § 83 Rn. 14).

Weiterhin steht es dem betroffenen Arbeitnehmer frei, gerichtlich gegen eine zu Unrecht ausgesprochene Abmahnung vorzugehen. Insoweit könnte der Arbeitnehmer einen aus § 1004 BGB i.V.m. § 242 BGB resultierenden Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte geltend machen. Voraussetzung ist insoweit aber, dass die Abmahnung unter anderem beispielsweise unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält oder aber in der Abmahnung von einer rechtlich absolut unzutreffenden Bewertung ausgegangen wird (Schaub-Linck, ArbR-Hdb. § 132 Rn. 39).

Wichtig:

Sofern in einer Abmahnung gleich mehrere vermeintliche arbeitsvertragliche Pflichtverletzungen gerügt werden sollten, von diesen Pflichtverletzungen aber im Ergebnis nur eine besteht, so kann der Arbeitnehmer dennoch die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte verlangen (BAG, Urteil vom 13.03.91 – 5 AZR 133/90). Insoweit kann also eine auf diese eine Pflichtverletzung „reduzierte Abmahnung“ regelmäßig nicht in der Personalakte verbleiben.

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