Deutsch-französische Freundschaft - Europa als Bananenrepublik

Mehr zum Thema: Leitartikel, Bestechung, Leuna, Schmiergeld
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Die Franzosen sind korrupt. Man hat es ja schon immer gewusst. Der gesamte Staatsapparat und die eng verknüpfte Wirtschaft kennen das Spiel vom Geben und Nehmen bestens. Den französischen Bürgern sagt man gemeinhin nach, sie hätten sich mit dieser Situation traditionell arrangiert. Ganz anders wir Deutschen. Bei uns ist der Rechtsstaat nicht nur Floskel, bei uns sorgen wirksame Kontrollorgane für Schutz vor unerlaubter Bereicherung.

Das Bild ist etwas ins Wanken geraten. Die Regierung der Wendezeit ist dauerhaft damit beschäftigt zu beweisen, dass sie von Bestechlichkeit weit entfernt war. Aber lassen Anschuldigungen den Schluss zu, Bestechung wäre hierzulande verbreitet? Die Rechtsorgane jedenfalls geben ihr Bestes, solch aufkeimende Vermutungen zu zerstreuen. Da gibt es ein paar Geldstrafen, Strafverfahren werden eingestellt, verschwundene Akten auch von der Bundesanwaltschaft nicht weiter beachtet. Hirschs Arbeit war wohl umsonst. Das war's.

Nur ein Problem bleibt bestehen. Immer neue Anschuldigungen schneien weiter lustig ins Haus, kein Ende in Sicht, die Schwarzseher sind einfach nicht tot zu kriegen. Und nun kommen auch noch die Franzosen daher und zeigen uns Deutschen unmissverständlich, wie sehr sich die Europäer in ihren Sitten zwischenzeitlich angenähert haben.

Um das Elend beim Namen zu nennen: Der Akt der Bestechung erfordert drei Beteiligte. Den Bestechenden, den Bestochenen und den Geschädigten. Auch wenn man hierzulande keine Bestochenen ausmachen will oder kann, es gibt sie. Wenn die Bestechenden, in diesem Fall ehemalige Mitarbeiter von Elf Aquitaine, offen die Zahlung von "Bakschisch" in großer Menge zugeben, dann können auch die Bestochenen und Geschädigten nicht weit sein. Sie sind hier bei uns. Für derartige Schlussfolgerungen muss man nicht einmal Anhänger von Verschwörungstheorien sein.

Mal für uns Deutsche, zum Mitschreiben: Bestechung ist keine Sache der Interpretation. Bestechung und vor allem Bestechlichkeit im Amt sind Straftaten. Keine Jugendsünden und keine Kleinkriminalität, keine Lappalie, bei der man mal ein Auge zudrückt. Wer besticht oder sich bestechen lässt, der ist nach deutschem Rechtsverständnis korrupt, assozial und höchst kriminell. Peinlich genug, dass immer wieder andere die Nadel in die deutsche Selbstgerechtigkeit stechen müssen. Der Fall Leuna ist ein Bestechungsfall und die Schuldigen müssen die Zeche zahlen.

Hier zeigt sich leider eine entscheidende Schwäche der deutschen Strafgesetzgebung. Die strikte Orientierung am individuellen Straftäter, an einer natürlichen Person, macht die wirksame Verhinderung von Bestechung so gut wie unmöglich. Zwar können mittlerweile auch juristische Personen bestraft werden, dies ist im deutschen Strafrecht aber von nachgeordneter Bedeutung.

Ohne Leiche kein Mord, ohne Schuldige keine Bestechung. Eine kompromisslose Anwendung der Strafbarkeit auf Organisationen, wie die Amerikaner es praktizieren, wäre dringend angeraten. Die Verfolgung der Korruption würde durch einen weiteren Zugriffspunkt wesentlich wirkungsvoller: Wenn die Schuldigen nicht zu fassen sind, dann wendet man sich eben an die dahinter stehende Organisation. In Amerika können Unternehmen oder Organisationen für die Tat eines Mitarbeiters verantwortlich gemacht werden, wenn die Tat in Ausführung der Unternehmensstrategie begangen wurde, der Mitarbeiter nicht hinreichend kontrolliert oder der Mitarbeiter bei seiner Mittelwahl allein gelassen wurde. So fällt ein Nachweis häufig wesentlich einfacher als bei Einzeltätern, die sich in der Masse oder hinter gelöschten Festplatten und vernichteten Akten verstecken und die Verantwortung abschieben können. Vielleicht würde dann tatsächlich mal brutalstmöglich aufgeklärt, statt bei der Vertuschung zu helfen. Der Kreis der Verdächtigen bezieht sich seit der Aussage von dem ehemaligen Elf-Aquitaine-Chef Loik Le Floch-Prigent übrigens nicht nur auf Kohl und seine Mannen, sondern auch auf SPD-Landesminister.

Der derzeitigen Situation zufolge versuchen wir, zur weiteren Integration Europas beizutragen. Prinzipiell ist das eine sehr lobenswerte Sache, eine Integrierung korrupter Verhältnisse jedoch unangebracht. Zu spät, die korrupten Verhältnisse sind ja schon da, und schon längst ist "savoir vivre" hierzulande kein Fremdwort mehr. Nur übersehen wir dabei, dass unsere Nachbarn anfangen auszumisten, während unser Teppich, unter den alles gekehrt wird, langsam zu klein wird.

Bleibt noch der Beitrag zur EU-Erweiterung. Die Ungarn müssen mit dem Vorurteil leben, Meister der Schmierung zu sein. Bald werden dann auch bei uns Jahresberichte wie dereinst in Ungarn mit der üblichen Floskel der Donaumonarchie unterzeichnet: Bestechung und Unterschleif hielten sich dieses Jahr im Rahmen des Üblichen.

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